Zum Inhalt springen

ADB:Fabricius, Albert

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Fabricius, Johann Albert“ von Jacob Achilles Mähly in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 518–521, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fabricius,_Albert&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 16:00 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 6 (1877), S. 518–521 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Albert Fabricius in der Wikipedia
Johann Albert Fabricius in Wikidata
GND-Nummer 100099459
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|6|518|521|Fabricius, Johann Albert|Jacob Achilles Mähly|ADB:Fabricius, Albert}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100099459}}    

Fabricius: Johann Albert F., einer der gelehrtesten und fruchtbarsten Philologen am Anfang des vorigen Jahrhunderts und Hauptbegründer einer Geschichte der classischen Litteratur, wurde zu Leipzig am 11. Novbr. 1668 geb. Sein Vater, Werner F., aus Itzehoe gebürtig, stammte aus einer holsteinischen Pastoren- und Organistenfamilie und war selbst Organist an der Nicolaikirche und akademischer Musikdirector in Leipzig; seine Mutter war die Tochter des Pastor Johann Corthum in Bergedorf, dessen Vorfahren auch schon in Hamburg und Bergedorf im geistlichen Amte gewesen waren. Seine erste Erziehung erhielt unser F. von seinem Vater; nach dessen frühzeitigem Tode 1679 ward der bekannte Theologe Valentin Alberti (s. Bd. I. S. 215) sein Vormund, auf dessen Veranlassung zunächst der Kaufmann Wenzeslaus Buhle ihn in sein Haus nahm. F. besuchte nun die Nicolaischule seiner Vaterstadt; hier hatte vor allem der in den classischen Sprachen ausgezeichnet bewanderte Rector Johann Gottfried Herrichen, dessen griechische und lateinische Gedichte F. später (1717) herausgab, einen großen Einfluß auf ihn. Im J. 1684 schickte ihn sein Vormund auf das Gymnasium in Quedlinburg, welches sich damals unter der Leitung von Samuel Schmid eines außerordentlichen Rufes erfreute. In Schmid’s Bibliothek entdeckte F. Barth’s Adversaria (s. Bd. II. S. 101) und lernte aus diesem Buche zuerst, wie er später (1732) in der Vorrede zu der von ihm besorgten dritten Ausgabe von Morhof’s Polyhistor dankbar gesteht, die umfassende, fast alle Schriftsteller des Alterthums, des Mittelalters und der neueren Zeit und die verschiedensten Gebiete des Wissens beherrschende Gelehrsamkeit kennen, durch die er sich hernach selbst in noch höherem Grade hervorthat. Als er darauf im September 1686 nach Leipzig zurückkehrte und nun die eigentlichen Universitätsstudien begann, nahm ihn Alberti in sein eigenes Haus auf, in welchem er dann auch bis zu seinem Fortgang von Leipzig (1693) blieb. Schon damals galt er bei denen, die ihn kannten, als besonders kenntnißreich und sein unermüdlicher Fleiß fand bald auch ungewöhnliche Anerkennung. Im November 1686, also wenige Wochen, nachdem er die Universität bezogen hatte, ward er Baccalaureus und am 26. Januar 1688 Magister der Philosophie. Es war für seine Studien bedeutungsvoll, daß im J. 1687 Morhof’s Polyhistor zu erscheinen anfing. Eine Zeit lang trieb er auch medicinische Studien; bald aber wandte er sich entschieden der Theologie zu, immer mit besonderer Neigung für das Litterarische und den Theil der Gelehrsamkeit, den wir heute vor allem die classische Philologie nennen, der damals aber noch aufs engste mit der Theologie Hand in Hand ging. Unter allen akademischen Lehrern, deren Leipzig damals eine große Anzahl noch heute berühmter zählte, meinte er später dem Thomas Ittig am meisten zu verdanken. Um diese Zeit wurde er auch schriftstellerisch thätig: schon im J. 1688 erschien (ohne Namen des Verfassers) seine „Scriptorum recentiorum decas“ und ein Jahr später ebenfalls anonym seine Ausgabe der bekannten griechischen Grammatik von Jakob Weller und seine „Decas decadum sive Plagiariorum et Preudonymorum centuria“. Im Frühjahr 1693 verließ er Leipzig, um eine größere Reise anzutreten, und besuchte zuerst seine Verwandten in Bergedorf; von hier aus kam er oft nach Hamburg und ward mit den Hamburger Theologen bekannt; und als er nun von Alberti die Nachricht erhielt, daß er aus seinem väterlichen Vermögen keine Beihülfe mehr zu [519] erwarten habe und so an der Fortsetzung seiner beabsichtigten Reise sich behindert sah, nahm er gern das Anerbieten des Hauptpastors zu St. Jacobi in Hamburg, des Dr. theol. Johann Friedrich Mayer, an, zu ihm ins Haus zu kommen. Mayer hatte immer drei oder vier junge Gelehrte in seinem Hause, deren einer seinen Sohn unterrichtete, während die anderen die Aufsicht über seine große Bibliothek hatten und ihm bei seinen vielen gelehrten Arbeiten behülflich sein mußten. Am 13. Juni 1694 zog F. zu Mayer und seitdem hat er nicht mehr außerhalb Hamburgs eine Stellung gehabt. Mayer erkannte bald, wie ungemein brauchbar F. für ihn war, und es bildete sich zwischen beiden eine Freundschaft aus, die auch nach Mayer’s Fortgang von Hamburg fortdauerte. Denn auch F. hatte ihm viel zu danken; nicht nur fand er in der Mayer’schen Bibliothek, deren Ordnung ihm besonders übertragen ward, die reichhaltigsten Hülfsmittel für seine Studien, so daß er nicht nur sich umfassende Excerpte und Collectaneen anlegte, sondern auch aus Mayer’s Hause den ersten Theil seiner „Bibliotheca latina“ (einer römischen Litteraturgeschichte mit Angabe der wichtigsten Ausgaben der Schriftsteller und mit einer Fülle anderer mehr oder weniger noch dazu gehöriger antiquarischer Bemerkungen) herausgab; und Mayer förderte und begünstigte seine Studien auf jede Weise. Oft nahm Mayer, der neben seinem Hamburger Amte zugleich das eines Professors der Theologie in Kiel bekleidete, ihn mit nach Kiel und ließ ihn dort unter seinem Vorsitz disputiren. Im J. 1696 war F. auch Mayer’s Begleiter auf einer Reise nach Schweden. Dabei war er seiner äußeren Lebensstellung nach durchaus Theologe. Am 15. Aug. 1694 absolvirte er das Candidatenexamen in Hamburg und seit dem 24. April 1695 hielt er regelmäßig während länger als vier Jahren für Mayer die Mittwochspredigt in der St. Jacobikirche und ab und an predigte er auch sonst in Hamburg, namentlich zur Wahl. Nachdem er darauf schon am 7. März 1699 mit Sebastian Edzardus für die Professur der Logik am (akademischen) Gymnasium in Hamburg im Loos gewesen war, erhielt er am 13. Juni 1699 als Nachfolger von Vincent Placcius die Professur der Moral und der Beredsamkeit, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode verblieb trotz mehrfacher glänzender Berufungen nach auswärts, wie 1701 nach Greifswalde, 1707 nach Kiel, 1719 nach Gießen und später noch nach Wittenberg. Im Herbste des Jahres 1699 ward er auf Mayer’s Wunsch in Kiel Doctor der Theologie. Am 22. April 1700 heirathete er die Tochter des Rectors am Johanneum zu Hamburg, Johannes Schultze. Als sein Schwiegervater am März 1708 wegen Kränklichkeit seinen Abschied hatte nehmen müssen (er starb den 26. Jan. 1709), ward F. zu seinem Nachfolger erwählt und verwaltete das Rectorat neben seinem bisherigen Amte vom 3. Mai 1708 an bis Ostern 1711, um welche Zeit ihm seine wiederholte Bitte, ihm das Nebenamt abzunehmen, endlich erfüllt und Johannes Hübner sein Nachfolger im Rectorat wurde. Im Januar 1715 gründete er mit Brockes, Richey und einigen anderen weniger Bekannten die „Teutsch-übende Gesellschaft“, der bald auch Hübner beitrat, einen Verein, welcher theils durch Uebersetzungen aus fremden Sprachen, theils durch eigene Arbeiten, namentlich auch poetische, den Gebrauch der deutschen Sprache zu Ehren bringen und sie selbst veredeln wollte; F., der am gründlichsten auch hierbei zu Wege ging, hat selbst einige deutsche Gedichte gemacht, welche für ihre Zeit besser sind, als daß man sie mit Gervinus einfach „schlechte Reimereien“ nennen dürfte. Höchst charakteristisch für ihn ist das Gedicht, welches er auf die an seinem eigenen 60. Geburtstage, am 11. November 1728, begangene Hochzeit seiner zweiten Tochter mit dem Professor Hermann Samuel Reimarus verfertigte. Aus diesem Gedichte ist zugleich zu ersehen, was auch sonst bekannt ist, daß F. noch etwas anderes war, als ein Wunder von Gelehrsamkeit. Er führte ein einfaches und glückliches Familienleben, war [520] dabei ein demüthig frommer Mann, dienstfertig und freundlich gegen Jedermann und (mit einer einzigen, von ihm später bereuten Ausnahme in seiner Erstlingsschrift) milde in seinem Urtheil über Andere, allgemein beliebt und geachtet. Nachdem ihm am 16. Januar 1736 seine Frau gestorben war, ward er, wahrscheinlich mit in Folge eines Leidens, das er sich bei ihrer Pflege zugezogen, selbst krank und starb am 30. April desselben Jahres. Er wußte, daß es zu Ende gehe, und richtete sich auf an dem Worte Offenb. 14, 13, daß man ihn oft wiederholen hörte.

F. war ein Mann von eisernem Fleiße und ungewöhnlicher Arbeitskraft; bedenkt man, daß er in seinem Amte, ungerechnet die Vorbereitung auf seine Vorlesungen, anfangs täglich 10 Stunden, hernach, als er seine Kräfte abnehmen fühlte, doch noch 5–4 Stunden der Jugend widmete, so ist kaum begreiflich, wie ein einziger Mann so viel schaffen konnte. Entspricht auch die Methode und die Genauigkeit seiner Forschung nicht den heutigen Ansprüchen, so steht doch die heutige Gelehrsamkeit noch vielfach und oft mehr, als sie weiß, auf dem Grunde, den er gelegt hat. Seine, das ganze Gebiet der damaligen classischen und biblischen Philologie und Geschichte, die Geschichte dieser Wissenschaften selbst eingeschlossen, umfassenden Arbeiten wurden durch seine großartige Bibliothek, welche ca. 20000 Werke umfaßte (der Katalog derselben wurde nach seinem Tode in vier nicht ganz kleinen Octavbänden gedruckt) und in welcher er aufs genaueste Bescheid wußte, und durch sein außerordentliches Gedächtniß, daß ihn nie verließ, unterstützt; hinzu kam die frühe Angewöhnung des geordneten Excerpirens. So konnte er die ersten Bogen eines Werkes schon drucken lassen, ehe die letzten geschrieben waren. Das dauerndste Verdienst hat er sich durch seine litterargeschichtliche Thätigkeit erworben, bei welcher es ihm zuvörderst auf ein chronologisches Verzeichniß der Ueberreste und das weitläufige Detail biographischer und subsidiärer Notizen, weniger auf methodische Gliederung und kritisch-ästhetische Würdigung des Bedeutenden, wahrhaft Classischen und Mustergültigen, ankam. Sein Hauptwerk auf diesem Gebiete ist die große „Bibliotheca graeca“ (Hamburg 1705–28 in 14 Bänden, fortgesetzt und neu aufgelegt, aber nicht ganz zu Ende geführt von Harleß in 12 Bänden, Hamburg 1790–1812, nach Seite der medicinischen Litteratur vervollständigt von C. G. Kühn in XVIII Part., Leipzig 1826 ff.), ferner die „Bibliotheca latina“ (Hamburg 1697; mehrfach aufgelegt, in der letzten von ihm besorgten Ausgabe, 1721 ebend., 3 Bde.; überarbeitet und vervollständigt von J. A. Ernesti, Leipzig 1773–74, 3 Bde.). Eine Fortsetzung dazu bildet sein letztes Werk, die „Bibliotheca latina mediae et infimae aetatis“ (Hamburg 1734–36, 5 Bde.; den 6. Band lieferte nach Fabricius’ Tode Chr. Schöttgen, ebendas. 1746, 6 Bde.; das Ganze vervollständigt von Mansi, Padua 1754, 6 Bde.). Ferner ist zu erwähnen die „Bibliotheca antiquaria sive introd. in not. script. qui antequit. Hebr. Graec. Rom. et Christ. scriptis illustr.“ (Hamburg 1713, 3. Aufl. von Schaffhausen, ebend. 1760), und die „Bibliotheca ecclesiastica“ (Hamburg 1718). Auch hat F. die „Bibliotheca nummaria“ des Benedictiners Banduri herausgegeben (Hamburg 1719); als Sammelwerk sind noch zu erwähnen sein „Conspect. thesaur. litterar. Ital.“ (Hamburg 1730) und seine „Memoriae Hamburg.“ (Hamburg 1710–30, 7 Bde., den 8. Band gab 1745 sein Schwiegersohn Evers heraus). Als philologischer Kritiker hat F. eine Ausgabe des Sextus Empiricus (Leipzig 1718), des Marinus de Vita Procli (Hamburg 1700), Noten zu Dio Cassius (in der Ausgabe von Reimarus, Hamburg 1750–52), den „Codex apocryphus Nov. Test.“ (Hamburg 1703, 2 Theile und 1719 mit einem dritten Theil vermehrt), den „Codex Pseudepigr. Vet. Test.“ (ebend. 1713, in 2. Aufl. 1725, 2 Bde.), eine Ausgabe des Hippolytus (Hamburg 1716, 2 Bde.) und der [521] Fragmente des Kaisers Augustus („Imp. Caes. Augusti temporum notatio, genus et script. Fragm.“, (Hamburg 1727) geliefert. Endlich ist noch sein „Menologium“ (Hamburg 1712), eine vergleichende Zusammenstellung der Monate bei den verschiedensten Völkern, zu erwähnen. Unter seinen specifisch theologischen Schriften haben noch heute Werth der „Delectus argumentorum“ (Hamb. 1725, 4.), eine Art Geschichte der Apologie des Christenthums, und die „Salutaris lux evangelii“ (Hamb. 1731, 4.), eine Art Missionsgeschichte. Er gab ferner William Derham’s „Astro-Theologia“ und „Physico-Theologia“ (1728 u. 1730) in deutscher Uebersetzung heraus und schrieb selbst eine „Hydro- und Pyro-Theologie“ (die erstere 1730 und vermehrt 1734, die andere 1732 erschienen). Und dieses alles ist nur ein Theil seiner Schriften. Eine Aufzählung seiner zahlreichen Programme, Reden, Vorreden und oft sehr werthvollen Dissertationen kann hier füglich ganz unterlassen werden; sie finden sich theils abgedruckt in der „Opuscul. sylloge“ (Hamb. 1738), theils erwähnt in dem von Fabricius’ Schwiegersohne H. S. Reimarus verfaßten „Commentarius de vita et scriptis Joannis Alberti Fabricii“, Hamb. 1737, ferner vervollständigt in dem Lexikon der Hamburger Schriftsteller bis zur Gegenwart, Bd. II. S. 240–259. Seine Vorlesungen aus dem Gebiete der Philosophie und Litterargeschichte befinden sich auf der Hamburger Stadtbibliothek; die in seinem Besitz gewesenen Handschriften sind jetzt auf der Universitätsbibliothek in Kopenhagen. Das erwähnte Gedicht auf die Verheirathung seiner Tochter mit Reimarus ist gedruckt in der Zeitschrift für hamburgische Geschichte, Bd. IV, Hamburg 1858, 485 ff.