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ADB:Weller von Molsdorf, Jakob

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Artikel „Weller von Molsdorf, Jakob“ von Georg Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 476–478, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weller_von_Molsdorf,_Jakob&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:33 Uhr UTC)
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Weller *): Jakob W. von Molsdorf, sächsischer Oberhofprediger und streitbarer Vertreter der lutherischen Orthodoxie, wurde am 5. December 1602 in Neukirchen im Voigtlande geboren. Sein Vater, Georg W., stammte aus dem adeligen Geschlechte der Weller von Molsdorf, er war Weißbäcker, hatte aber als junger Mann am Feldzuge gegen die Ungarn theilgenommen, aus dem er mehrere Wunden, doch auch gute Beute davon getragen hatte. Der Knabe besuchte zunächst die Schule seiner Vaterstadt; 10 Jahre alt, wurde er auf die lateinische Schule nach Schlackenwalde in Böhmen geschickt, die damals unter Augustin Rappolt, dem Onkel des bekannten Leipziger Professors Friedrich Rappolt, großes Ansehen genoß. Für die Wahl war auch bestimmend, daß Jakob’s ältester Bruder Johannes damals als Hauptmann bei dem Freiherrn v. Fels in der Nähe stand. Bei Tilly’s Anmarsch im J. 1620 wandte sich W. in die sächsische Heimath zurück, besuchte eine Zeit lang das Nürnberger Gymnasium, mit Unterstützung eines Herrn v. Boxberg ungefähr ein Jahr die lateinische Schule zu Schleusingen und schloß dann in Nürnberg seine humanistischen Studien ab. Michaelis 1623 wanderte er, mit einem Groschen in der Tasche, in Wittenberg ein und trieb nun eifrig theologische, vor allem unter [477] Martin Trost’s Leitung orientalische Studien, indem er gleichzeitig zur Erwerbung des Lebensunterhalts viel Privatunterricht ertheilte. Nachdem er sich 1627 die Würde eines Magisters erworben hatte und 1631 als Adjunct in die philosophische Facultät aufgenommen worden war, hielt er unter großem Beifall der Studenten Disputationen und Vorlesungen, für welche ihm vom Rathe, da kein Zimmer genügenden Raum bot, die Klosterkirche eingeräumt wurde. 1634 trat er in die theologische Facultät ein und hielt nun über die Briefe des Paulus Vorlesungen, von denen später die über den Römerbrief herausgegeben worden sind. Daneben beschäftigte er sich mit orientalischen und polemischen Studien.

Seine Lehrgabe und seine Dissertationen hatten schnell seinen Ruf begründet und so erhielt er aus verschiedenen Städten, Breslau, Stettin, Berlin, Gera, das Anerbieten, das Rectorat der lateinischen Schule zu übernehmen. An den Universitäten Leipzig und Marburg wurden ihm Professuren angetragen. Er blieb in Wittenberg, auch als ihm das Rectorat der Fürstenschule zu Meißen angeboten wurde. Diesmal wurde ihm eine außerordentliche Professur in der theologischen Facultät und kurz darauf die Professur der orientalischen Sprachen übertragen. 1635 wurde er Doctor der Theologie, gab 1636 eine griechische Grammatik heraus, veranstaltete im Jahre darauf von Trost’s hebräischer Grammatik eine neue erweiterte Auflage und focht mit dem pseudonymen Christoph Massonius wegen dessen Anatomia eine litterarische Fehde durch. Aus dieser akademischen Thätigkeit schied er aus, als er 1640 einem Rufe als Coadjutor der Stadt Braunschweig folgte, wo ihm im Jahre darauf das Amt eines Superintendenten übertragen wurde. 1646 siedelte er als kurfürstlicher Hofprediger nach Dresden über, wo er in den die Zeit bewegenden synkretistischen Streitigkeiten gegen Calixt und seine Schule die Führung übernahm, die kursächsische Regierung bei seinen Anschauungen erhielt, mehrfach selbst schriftstellerisch in den Kampf eingriff, die Professuren in seinem Sinne besetzte und namentlich Abraham Calov, den zähesten Vertheidiger seines Standpunktes, nach Wittenberg berief. Auch auf die kirchenpolitische Haltung Kursachsens während der Verhandlungen über den Abschluß des westfälischen Friedens übte W. einen großen Einfluß. Die Abgesandten Johann Georg’s I. erklärten sich hier gegen die Gewährung freier Religionsübung an die Reformirten und beantragten die Streichung der betreffenden Worte im siebenten Artikel des Instrumentum Pacis, ohne freilich Erfolg zu haben. Nach dem Tode des Kurfürsten genoß er bei dessen Nachfolger, Johann Georg II., das größte Vertrauen, versah auch die von diesem veranstaltete Bibelausgabe mit einer Vorrede „von der Herrlichkeit und Lobe des göttlichen Wortes“. Hierfür, wie auch bei andern Gelegenheiten, wurde er vom Kurfürsten mit ansehnlichen Geldgeschenken bedacht.

Seine Predigten weisen der Richtung der Zeit entsprechend in der Form die „Blümelei“, Vorliebe für Bild und Gleichniß, im Inhalt dogmatisches und polemisches Interesse auf. Doch zeigen sie auch vielfach des Redners hervorragende Menschenkenntniß und bedeutende rhetorische Begabung. Zahlreiche Casualreden sind gedruckt worden. In der Seelsorge am Hofe zeigte er Ernst, Freimuth und Würde. Daneben nahmen ihn die Geschäfte der kirchlichen Verwaltung stark in Anspruch, die infolge der mittelbaren und unmittelbaren Einwirkungen des dreißigjährigen Krieges auch in Sachsen besonders schwierig und verwickelt wurden. Unter anderem galt es, Maßregeln zu ergreifen, um das schwer geschädigte Kirchen- und Schulvermögen zu heben und zu sichern. Als Beispiel sei die große Visitation der Universität Leipzig vom Jahre 1659 erwähnt, in deren Verhandlungen bedenkliche Zustände zu Tage traten. Leider fehlte die nöthige Thatkraft, um erfolgreich, helfend und bessernd einzugreifen. Die Berge [478] von Acten bildeten nur schätzbares Material; die von den Professoren angelegentlichst erflehte Unterstützung ließ lange auf sich warten.

Von dem Reichstage zu Regensburg, wo ihn bereits ein Unwohlsein befallen hatte, zurückgekehrt, wurde W. im Sommer 1664 krank. Nachdem er sich von der kurfürstlichen Familie und den Seinen verabschiedet hatte, starb er am 6. Juli im Alter von 61 Jahren 7 Monaten und wurde in der Sophienkirche begraben. Zahlreiche Gedächtnißreden beklagten seinen Tod und priesen seine Bedeutung für die evangelische Kirche Sachsens.

A. H. Kreyßig, Album der evangelisch-lutherischen Geistlichen im Königreiche Sachsen. Dresden 1883. S. 100. – J. A. Gleich, Annalium Ecclesiasticorum Andrer Theil. Dresden und Leipzig 1730. S. 207 bis 312, wo sich S. 269–285 das Verzeichniß der Schriften befindet. – G. L. Zeißler, Geschichte der Sächsischen Oberhofprediger. Leipzig 1856. S. 58–92. – I. A. Dorner, Geschichte der protestantischen Theologie, besonders in Deutschland. München 1867. S. 525, 618 ff. – Herzog-Plitt, Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. III², 71, 73; XV², 126 ff. – F. Eckstein, Geschichte des lateinischen und griechischen Unterrichts. S. 393. – Mitt. des Vereins f. Geschichte Dresdens. X, 86. – Ueber seine kirchliche Verwaltungsthätigkeit enthält das Dresdner Königliche Hauptstaatsarchiv werthvolles Material.

[476] *) Zu Bd. XLI, S. 678.