ADB:Harpprecht, Johann

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Artikel „Harpprecht, Johann“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 621–623, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harpprecht,_Johann&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 18:08 Uhr UTC)
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Harpprecht: Johann H., Rechtsgelehrter, geb. im Januar 1560 zu Wallenheim[1] im Würtembergischen als Sohn schlichter Landleute, ist der Stammvater einer angesehenen noch heute in Würtemberg blühenden Juristenfamilie. Im Laufe von 250 Jahren sind aus ihr 9 bedeutende Rechtskundige (s. diese) hervorgegangen, als deren jüngster der am 10. Febr. 1859 gestorbene Obertribunalpräsident Heinrich v. H., Mitglied der würtembergischen Kammer der Standesherrn, namhaft zu machen ist. – Kaum vier Jahre alt verlor H. 1564 seine Eltern an der Pest, welche zu jener Zeit in Südwestdeutschland wüthete, und wurde zu seinem in Germersheim[2] wohnenden Oheim, Stephan H. gebracht, um sich bei diesem für die Landwirthschaft heranzubilden. Mit vierzehn Jahren schickte ihn der Onkel zur besseren Erlernung des Deutschen nach Besigheim; allein der strebsame Knabe von mächtigem Drange nach Erweiterung seiner Kenntnisse erfüllt, besuchte dort wider den Willen seiner Vormünder die Lateinschule, und vermochte bereits im J. 1578 die Straßburger Hochschule zu beziehen. Er trieb zunächst philosophische und philologische Studien, hörte dann mehrere Jahre zu Straßburg, Tübingen und seit 1586 zu Marburg die ersten Rechtslehrer dieser Universitäten und erlangte am 22. Septbr. 1589 in Tübingen mit Auszeichnung den Grad eines Doctors beider Rechte. Markgraf Ernst verlieh ihm die Stelle eines Hofrathes und veranlaßte ihn beim kaiserlichen Kammergerichte zu Speyer in Praxis zu treten. Nach wenigen Monaten kehrte [622] jedoch H. nach Tübingen zurück, hielt häufig Disputationen und wurde 1592 auf einstimmigen Antrag der Facultät an Demler’s Stelle berufen, welche er 40 Jahre bekleidete. Als im J. 1594 zu Tübingen die Pest ausbrach, flohen Professoren und Studenten theils nach Herrenberg theils nach Calw; ersteres wählte auch H. als Zufluchtsstätte, setzte daselbst seine Vorlesungen emsig fort und kehrte nach erloschener Seuche im Februar 1595 mit den übrigen Studiengenossen nach Tübingen zurück. Einen zweiten Auszug erlebte er im September 1610. Damals „entwichen wegen Pestilenz“ die theologische Facultät nach Calw, die medicinische und juristische nach Herrenberg. Nahezu 80 Jahre alt entschlief er am 29. (nach Andern am 18.) Septbr. 1639. Sein Amtsnachfolger Thomas Lansius aus Niederösterreich schildert in einer begeisterten Gedächtnißrede das leutselige, offene Wesen, die hohe Gelehrsamkeit und den Eifer Harpprecht’s, der in der langen Zeit seines Wirkens um persönlicher Angelegenheiten willen auch nicht eine Vorlesung versäumte, und seit Gründung der Hochschule nächst Heinrich Bocer die häufigsten und siegreichsten Disputationen gepflogen habe. Zweimal verheirathet schloß er den ersten Ehebund 1590 mit der Tochter des Probstes und Kanzlers Jacob Andreä, einer verwittweten Schüz; bereits Mutter von fünf Kindern schenkte sie ihm noch drei Söhne und vier Töchter und starb nach 24jähriger glücklicher Ehe. Ein minder frohsamer Hausstand erwuchs durch seine Vermählung (2. Octbr. 1625) mit der Wittwe des Hofgerichtsadvokaten Barth, einer streitsüchtigen Frau, deren täglich wiederkehrende Zänkereien der friedfertige Gelehrte 14 volle Jahre mit sokratischem Gleichmuth ertrug. Damals mag es gewesen sein, daß er eigenhändig in seine Bibel schrieb:

– – – – – – – – – –
„Wer mit Gedult und Glümpff aushelt
Der siget endlich ob aller Welt.
Still seyn, verhören helt den Platz
Glümpff u. Gedult ein edler Schatz.
Gedult ist diß das christlich Kraut
Welches nicht ein Jeder im Garten baut.
Gedult zu sehr vil Sachen dient,
Mit Gedult man all Ding überwindt.
Wer Gedult gebraucht zu allen Sachen
Der thut seine Feinde zu Schanden machen.“

H. war in einer selbst für die damalige Zeit überraschenden Weise mit dem Corpus juris vertraut. So rühmt auch die ihm gewidmete Leichenrede: „daß er ein Ornamentum und rechte Zierde an der Universität gewesen; man auch in Italia, wenn man seinen Namen genannt, den Huet abgenommen habe“. Harpprecht’s vorzüglichstes Werk ist der „Commentarius ad IV libros institutionum imperialium theoretico-practicus“, T. 1–5, Fol. 1615–27, 1658 zu Frankfurt in zweiter, 1765 zu Genf in fünfter Auflage erschienen. Ein im 17. und 18. Jahrhundert hochgeschätzter Institutionen-Commentar, welcher hauptsächlich für den Praktiker bestimmt war. Die Uebersichtlichkeit des reichhaltigen Werkes leidet durch Einflechtung manch’ unnöthigen Beiwerkes; denn „wenn er irgend etwas Merkwürdiges observirte, brachte er es gleich in seinen commentarius“. – Außerdem sind zu erwähnen: „Tractatus de processu judiciario in decades XXIII. distinctus“, Tub. 1602 und 1611 Fol.; „Tractatus criminalis“, Francof. 1603. 4°.; „auctior multis materiis er quaestionibus, Tub. 1615. 4°.; Gesammtausgaben der kleinern juristischen Schriften wurden in vier Bänden verlegt Tübingen 1628, Frankfurt 1658. H. war auch ein Freund der altclassischen Litteratur und hat nicht ohne dichterische Begabung in den Mußestunden lateinische geistliche und weltliche Gedichte verfaßt, welche unter dem Titel: „Poëmatum libri IV. 1. Epithalamorium. 2. Epicediorum. 3. Anagrammatum. 4. Miscellaneorum“ [623] 1617 in Tübingen gedruckt wurden. Seine gesammelten „Orationes“ enthalten sehr werthvolles Quellenmaterial für die würtembergische Geschichte jener Zeit. Ein vollständiges Verzeichniß der Werke bei Claudius Sincerus, vitae et scripta magnorum juris consultorum, T. II. 87–90.

Joann Harpprechtus antecessor in acad. Tubing. suprema laudatione celebratus a Th. Lansio, Tub. 1640, 4°. – Freher, Theatrum virorum clarorum p. 939 und 1090, woselbst sein Leben und Wirken von Prof. Cellius in schwungvollen Distichen besungen ist.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 621. Z. 19 v. u. l.: Wahlheim (st. Wallenh.). [Bd. 11, S. 795]
  2. S. 621. Z. 12 v. u. l.: Gemmrichheim. [Bd. 12, S. 795]