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ADB:Harpprecht, Johann Heinrich Freiherr von

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Artikel „Harpprecht, Johann Heinrich Freih. v.“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 623–624, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harpprecht,_Johann_Heinrich_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 19:35 Uhr UTC)
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Harpprecht: Johann Heinrich Freih. v. H., juristischer Schriftsteller und Beisitzer des Reichskammergerichtes, geb. am 9. Juli 1702 in Tübingen. Sein Vater Dr. Moritz David H. (s. diesen) wurde 1708 zur Antheilnahme an der Visitation des Reichskammergerichtes nach Wetzlar entsandt und starb dort 1712. Die Wittwe wählte mit ihren acht minderjährigen Kindern Stuttgart zum Aufenthalt. Dort besuchte H. das gut geleitete Gymnasium und bezog 1719 die Tübinger Hochschule, wo ihn sein Vetter Dr. Georg Friedrich H. (s. diesen) in das Rechtsstudium einführte. Am 24. August 1724 trat er in die Reihe der Hofgerichtsadvocaten, verweilte während der Jahre 1727–33 als hohenzollern-hechingisch-sigmaring’scher Hofrath namentlich in „freien Pürschsachen der Heching’schen Unterthanen“ sehr häufig in Wetzlar und gewann hiebei genaue Kenntniß des Verfahrens bei dem höchsten Reichsgerichte. Seit Anfang 1727 vermählt, finden wir ihn im Frühjahr 1733 als würtembergisch-neustädtischen Kanzlei-(Justiz)-Director in Neustadt, im folgenden Jahre als Mitglied des Regierungscollegiums in Stuttgart, in welchen Stellungen er als Vertrauensmann des Herzogs Carl Rudolph manch wichtiges Staatsgeschäft besorgen mußte. 1739 wurde er Directorialgesandter am schwäbischen Kreistage zu Ulm, 1740 von Würtemberg und den evangelischen Reichsstädten des schwäbischen Kreises als Assessor zum R. K. Gericht präsentirt. Nach langwierigem Streite über die Präsentationsbefugniß, der zwischen Würtemberg und Badendurlach in breiten Wechselschriften geführt wurde, erhielt H. am 5. Jan. 1745 die kammergerichtliche Vocation, worauf am 5. April die feierliche Eidesleistung stattfand. Als Collegialmitglied lieferte er nicht bloß gediegene Relationen, – deren Minimalzahl die Geschäftsordnung (das R. G. O. Concept) auf jährlich vier festgesetzt hatte, – sondern auch schriftstellerische Arbeiten, welche für das Verständniß des Reichsjustizwesens und des kammergerichtlichen Staatsrechtes als nahezu unentbehrlich bezeichnet werden können. Namentlich gilt dieß von seinem „Staatsarchive des kaiserl. und hl. römischen Reiches Kammergerichts oder Sammlung von gedruckten und ungedruckten actis publicis, Archivalurkunden, kaiserl. Rescripten etc. zu einer historischen Einleitung und Erläuterung der Geschichten, Verfassung etc. des kaiserl. und R.K.Ger. zusammengetragen“. Die ersten vier Theile des Werkes, wozu H. mit unverdrossenem Eifer das Material aus verschiedenen Archiven sammelte, erschienen 1757–60 anonym zu Ulm, der 5. und 6. Theil 1767 u. 69 zu Frankfurt unter dem Titel „Geschichte des kaiserl. und R.K.Gerichtes unter der Regierung Karl des Fünften etc.“ Das Staatsarchiv beginnt mit einem geschichtlichen Rückblick auf das 1235 errichtete kaiserliche Hofgericht und berichtet sodann in chronologischer Folge über die in den Zeitraum von 1444–1558 fallenden Gesetze und Erlasse des Reichskammer-Gerichts, über deren Entstehung und über die wichtigeren Vorkommnisse bei diesem Gerichtshofe. Da somit den abgedruckten Urkunden und Actenstücken ein geschichtlich abgefaßter Vorbericht nebst pragmatischer Erläuterung vorangestellt ist, gewinnt die Arbeit einen exegetischen Charakter. Gesteigerte Thätigkeit erwuchs H. durch die 1762 übernommene Führung des kammergerichtlichen „Pfennigmeisteramtes“ [624] das er unter äußerst ungünstigen Verhältnissen antrat. Die Mittel flossen unzureichend; die Auszahlung der Gehalte bot Schwierigkeiten. In den Listen war manch’ zahlungssäumiger Reichsstand verzeichnet; die kurböhmischen, die burgundischen, auch die kurbaierischen Rückstände waren hoch angeschwollen. Ein neuer Assessor konnte erst dann ein Gehalt beziehen, wenn der Besoldungsrückstand gleich dem der älteren die Höhe von 6000 fl. erreicht hatte, und blieb daher meist gegen zwei Jahre ohne jeden Bezug. Harpprecht’s eifriger Bemühung gelang es, wegen jener Ausstände Vergleiche zu erzielen, und eine geregelte Zahlung der Besoldungen anzubahnen. Der von ihm über „Das Unterhaltungs-Werk des kaiserl. und R.K.Gerichtes“ (1765) erstattete Bericht liefert interessante Einblicke in das Reichsgerichtswesen und die politischen Zustände jener Tage. Bei der von 1768 bis zum März 1776 vorgenommenen außerordentlichen Visitation des R.K.G., welche Kaiser Joseph II. angeregt hatte, leistete H. vermöge langjähriger Erfahrungen wesentliche Dienste. Als damals auch die Revision des sogenannten K.G.O.Conceptes von 1613 beschlossen wurde, erging an H. als einen der gründlichsten Kenner der K.G.O. am 8. Januar 1768 die Aufforderung an der Ergänzung und Verbesserung des ersten Theiles dieses Conceptes – welcher „Von den Personen des K.-Gerichtes“ handelt – mitzuarbeiten. Sein dem „Visitations-Conseß“ am 28. August 1769 übergebenes Referat bildet eine Hauptquelle für die Kenntniß der innern Verfassung und damaligen Praxis gedachten Reichsgerichtes und wurde im Wesentlichen im ersten Bande der von J. Chr. v. Selchow 1782 zu Göttingen herausgegebenen Concepte der R.K.G.O. abgedruckt. Am 7. Januar 1764 (nicht 1745) war er auf Anregung des Kammerrichters Grafen Spaur in den Reichsfreiherrnstand erhoben worden, der sich jedoch nicht forterbte, weil sein einziger Sohn in früher Jugend starb. Er selbst erreichte ein Alter von 82 Jahren. Nach kurzer Krankheit endete er am 25. October 1783 sein thätiges Leben und liegt gleich seinem Vater zu Wetzlar begraben. H. war von mittlerer Größe, untersetzt und hatte ein lebhaftes, leicht erregbares Temperament, dessen er in den Sitzungen nicht immer Meister zu werden vermochte. Dagegen erwarben ihm seine unerschütterliche Rechtlichkeit, sein Diensteifer, sein Wohlwollen aufrichtige Freunde und Verehrer, und hat er durch das von ihm testamentarisch gegründete Familienstipendium einen edlen Beweis liebevoller Fürsorge gegeben. Sein von Nilson in Augsburg 1774 gestochenes Brustbild soll der Aehnlichkeit entbehren.

Ein Verzeichniß sämmtlicher Arbeiten Harpprecht’s bei Fahnenberg, Litter. des kaiserl. und R.K.Gerichts, Wetzlar 1792, S. 141. 304. 313. – Dann bei Reuß, Beitr. zur neuesten Geschichte der reichsgerichtl. Verf. und Praxis, Bd. III, Ulm 1790, S. 7–62, woselbst auch eine auf Grund eigener Notizen Harpprecht’s zusammengestellte Lebensbeschreibung. – Moser, Neueste Gesch. der Stts.-R.-Lehre, S. 101. – Pütter, Litter. des d. Stts.R. II. 151. 488.