ADB:Hartig, Ernst Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hartig, Ernst Friedrich“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 651–653, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hartig,_Ernst_Friedrich&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:25 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Harter, Maurus Aloys
Band 10 (1879), S. 651–653 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Januar 2019, suchen)
Ernst Friedrich Hartig in Wikidata
GND-Nummer 116490659
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|10|651|653|Hartig, Ernst Friedrich|Richard Heß|ADB:Hartig, Ernst Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116490659}}    

Hartig: Ernst Friedrich H., Forstmann, geboren am 24. März 1773 zu Gladenbach (Kreis Biedenkopf), † am 17. August 1843 zu Fulda. Er entstammte als vierter Sohn des damaligen landgräflichen Oberförsters Friedrich Christian H. einer alten Forstfamilie und widmete sich – wie seine beiden älteren Brüder Georg Ludwig und Friedrich Karl (s. u.) - dem Berufe des Vaters. Durch den Rector Stausebach in Gladenbach bis zum 16. Lebensjahre unterrichtet, entwickelte sich in ihm, in Folge der ersten Eindrücke des Elternhauses und fleißigen Umganges mit Naturforschern, wie Borkhausen und Diel, schon frühzeitig ein reger Sinn für die Natur, zumal den Wald. Im Herbste 1789 trat er als erster Zögling in das neugegründete forstwissenschaftliche Institut seines Bruders Georg Ludwig zu Hungen ein; von Ostern 1792 ab studirte er auf der Universität Göttingen und seit 1793 zu Marburg, um Jung-Stilling zu hören. 1794–96 betheiligte er sich, unter Leitung seines zweiten Bruders Friedrich Karl, damals Forstmeister zu Mergentheim, in sehr thätiger Weise an den Vermessungs- und Betriebsregulirungsarbeiten der Forste des Deutschmeisterthums. Nachdem er sich durch eine ihm gestellte Probearbeit (die forstliche Einrichtung des Reviers Seibertshausen bei Gladenbach) die Qualification zur Anstellung in seinem Heimathlande erworben hatte, wurde er 1797 Adjunct seines Vaters und noch in demselben Jahre Forstcommissär bei der Forstbetriebscommission des Oberfürstenthums Hessen-Darmstadt. In dieser Stellung leistete er u. A. seinem Vater bei der diesem von der kaiserlichen Debitcommission für die Grafschaft Ysenburg-Wächtersbach übertragenen Einrichtung der Forsten so wesentliche Dienste, daß ihm nach Beendigung dieser Arbeit die Direction über diese Forste als Nebenstelle übertragen ward. Im J. 1802 folgte er einer Berufung von Seiten des Erbprinzen von Oranien (späteren Königs von Holland) als fürstlicher Landforstmeister und Mitglied des Oberforstcollegiums nach Fulda, wo er daneben bald auch zum Mitglied der Oberrechnungskammer und der Steuerrectificationscommission, sowie zum Leiter der mathematischen Prüfungscommission ernannt wurde. Als die französische Herrschaft und Gewaltthätigkeit das Land überzog, wurde er wieder auf seine forstliche Thätigkeit beschränkt und, da er sich den verheerenden Holzfällungen (coups extraordinaires), welche fremde Habgier und Unkenntniß anordneten, aus Liebe zum Walde nicht fügen konnte, durch einen aus Erfurt herbeigeholten, weniger bedenklichen Oberforstbeamten bei Seite geschoben. Unter diesen traurigen Verhältnissen suchte er mit seinem untergebenen Personal wenigstens zu retten, was zu retten war, und die nachtheiligen Folgen jener außerordentlichen Hiebe für den Wald nach Möglichkeit abzuschwächen.

Um sich in dieser trüben Zeit fremden Druckes auch in anderer Richtung [652] verdient zu machen, gründete er 1808 ein Forstinstitut zu Fulda, dem schon im ersten Jahre 21 inländische Eleven zuströmten. Nach der Schlacht bei Leipzig, dem Zusammenbruch der französischen Zwingherrschaft und der Auflösung des Großherzogthums Frankfurt wurde er vom österreichischen Gouvernement, in Anerkennung seiner bewährten patriotischen Gesinnungen, zum Mitglied des Landsturm-Ausschusses, Chef des Generalstabes und obersten Befehlshaber des Landsturms im Fürstenthum Fulda ernannt. Als später die Theilung dieses Ländchens zwischen Baiern, Kurhessen und Weimar erfolgte und ihm die Wahl der Staatsangehörigkeit freigestellt wurde, blieb er der hessischen Fahne treu. So trat er am 16. October 1815 in kurhessische Dienste. Kurfürst Wilhelm I. ernannte ihn 1816 zum Oberforstmeister in Fulda. Als durch das Organisationsedict vom 29. Juni 1821 die ganze Staatsverwaltung umgebildet wurde und u. a. auch eine Oberforstdirection in das Leben trat, wurde H. zum Chef derselben, bez. zum wirklichen Landforstmeister mit dem Wohnsitz in Kassel befördert. Er hatte außerdem schon 1816 die Freude erlebt, sein Forstlehrinstitut unter seiner Direction zur Staatsanstalt erhoben zu sehen. 1822 wurde ihm der Charakter als Oberlandforstmeister zu Theil. Am 1. Juli 1841 endlich trat er in den wohl verdienten Ruhestand, welchen er leider nur zwei Jahre lang genießen konnte. Hartig’s Thätigkeit als Forstwirth war eine sehr umfangreiche und energische. Das fürstlich oranien’sche und besonders das kurfürstlich hessische Forstwesen verdankt ihm eine ganze Reihe segensreicher Reformen und Einrichtungen. Forstorganisation, Forsteinrichtung, Kulturwesen und forstliches Unterrichtswesen waren die Gegenstände, welchen er sein hauptsächlichstes Augenmerk zugewendet hat. Nachdem er sich von 1803 ab zunächst hauptsächlich mit Grenzfeststellungsarbeiten beschäftigt hatte, entwarf er die neuen Forstorganisationspläne für die Fürstenthümer Fulda und Korvey, desgleichen für die Grafschaft Dortmund. Im Zeitraum 1818–21 betrieb er die Vermessungen der Forste Beibolz, Haselstein, Sandberg, Thiergarten, Giesel, Kämmerzell, Bimbach, Strennrod, Fasanerie und Nommerz. Von 1821–34 hat er nicht weniger als 348,275 Kasseler Acker Staats- und Interessentenforste eingerichtet. Von da ab überließ er die Betriebsregulirungsgeschäfte, wegen vorgerückten Lebensalters, den technischen Mitgliedern des wieder creirten Oberforstcollegiums.

Weniger glücklich waren seine Maßnahmen auf waldbaulichem Gebiete. Durch seinen Bruder mit dem von diesem erfundenen sogenannten Hochwaldconservationshieb oder Georg Ludwig Hartig’schen Betrieb (s. u. A. C. Heyer’s Waldbau, 2. Auflage, Leipzig 1864, § 118, S. 384) bekannt worden, suchte er diese Wirthschaftsform im Kurstaat auch da einzubürgern, wo die Verhältnisse nicht dazu nöthigten, seit 1813 zumal im kurhessischen Forstrevier Flieden (s. Hundeshagen’s Beiträge zur gesammten Forstwissenschaft, 3. Band, 1. Heft). Die Spuren dieses Fehlgriffs sind hie und da noch heutzutage in vielen verlichteten Buchenbeständen und immer mehr gesunkener Bodenkraft, namentlich auf mageren, trockenen Sandsteinböden, wahrzunehmen. Sie würden noch sichtbarer sein, wenn die Praktiker, welche in richtigem Gefühl von diesem Hochwaldconservationsbetrieb möglichst wenig hielten und denselben scherzhaft den „Hochwaldconfusionshieb“ nannten, den Hartig’schen Vorschriften streng nachgelebt hätten. Zum Glück für den Wald handelten sie aber oft schnurstracks entgegen, indem sie an Stelle des im 35–50jährigen Holze angeordneten Stockschlages blos eine starke Durchforstung einlegten und erhielten hierdurch geschlossene Bestände und reiche Humusdecke, mithin die Waldbodenkraft. – Auch die von H. im Großen getriebene Manie der Ausführung gemischter Kiefern- und Lärchenvollsaaten verdient, da beide Holzarten bekanntlich Lichtfreunde sind, sich daher zu ständigen Mischungen, nach heutigen Anschauungen, in der Regel nicht eignen, nur bedingte Anerkennung.

[653] Seine Fürsorge für die wissenschaftliche Ausbildung des Forstpersonales bekundete er nicht nur durch die bereits erwähnte Gründung einer forstlichen Unterrichtsanstalt, sondern auch durch die Errichtung von Forstlesevereinen, wodurch dem Forstpersonal die wichtigsten forstlichen Zeitschriften und bedeutenderen Werke der forstwissenschaftlichen Branche zugänglich gemacht wurden. Schon während seiner dienstlichen Stellung in oranischen Diensten hatte er einen solchen Verein, der viel Anklang fand, in das Leben gerufen (1798).

Die vorzüglichsten Reformen und Verordnungen, welche unter seiner Direction und den Auspicien des auch als Forstmann in weitesten Kreisen bekannten Staatsministers v. Witzleben in Kurhessen in das Leben traten, sind (seinem Biographen in der Allgem. Forst- und Jagdzeitung zu Folge): die Einführung zweckmäßiger Betriebsvorschläge (1822), die Forststrafordnung (1822), die Holzheuerinstruction (1824), die Einführung des Baumrodens (1825), die Regelung des Forstrechnungswesens (1825), die Verordnung von Holzversteigerungen (1834), das Streuregulativ (1839), das Regulativ über den Forstbetrieb in Gemeindewaldungen (1840) etc. Es wurden durch alle diese, lauter fundamentale Fragen betreffende Institutionen, eigentlich die ersten Bausteine für das kurhessische Staatsforstwesen gelegt und ein rationeller Forstbetrieb angebahnt.

Auch als forstlicher Schriftsteller hat sich Ernst Friedrich H. einen geachteten Namen erworben. Er schrieb: „Die Forstbetriebs-Einrichtung nach staatswirthschaftlichen Grundsätzen“, mit 1 Tabelle (1826); „Anweisung zur Aufstellung und Ausführung der jährlichen Forstwirthschaftspläne nach Maßgabe einer systematischen Forstbetriebs-Einrichtung“, mit 10 Tabellen (1827); „Praktische Anleitung zum Baumroden nach den neuesten Versuchen“ (1827); „Praktische Anleitung zum Vermessen und Chartiren der Forste in Bezug auf Betriebs-Regulirung“, mit 2 Steindrucktafeln und 7 Tabellen (1828); „Lehrbuch der Teichwirthschaft und Verwaltung in Verbindung mit der Wiesen- und Ackerverbesserung, nach den Anforderungen des rationellen Landwirthes abgefaßt“, mit 1 Steintafel und 12 Tabellen (1831). – Mit Ausnahme des zuletzt genannten Buches sind sämmtliche Werke aus dem Bedürfniß der Verwaltung hervorgegangen und speciell für diese berechnet. Man muß bei ihrer Beurtheilung geradezu diesen Maßstab anlegen. H. wollte weniger doctrinäre, wissenschaftliche Erörterungen, als vielmehr positive Anhaltspunkte für den praktischen Betrieb geben. Hieraus erklärt sich die meistens in Form kategorischer Instructionsvorschriften gekleidete und dem damaligen wissenschaftlichen Standpunkt des Forstpersonales angepaßte elementare Schreibweise. Der Hauptvorzug sämmtlicher Werke liegt darin, daß sie auf eigenen Erfahrungen beruhen. H. schrieb z. B. seine Forstbetriebseinrichtung (das Massenfachwerk betreffend) erst, nachdem er nicht weniger als 65 Reviere zu forstlichem Nachhaltsbetriebe eingerichtet hatte und sich auf eine 32jährige Erfahrung berufen konnte.

Scriba, Biographisch-litterärisch. Lexikon, I. S. 131 Note 2 und II. S. 288 Note. Allgemeine Forst- und Jagdz., 1862, S. 31. v. Löffelholz-Colberg, Forstl. Chrestom., I. S. 99, II. S. 374 Bem. 305 c, III. 1. S. 666 Bem. 727 d, IV. S. 13 Nr. 2174, das. S. 138 Nr. 2679 und S. 274 Nr. 2973. Bernhardt, Geschichte, II. S. 335. 336 u. 386, III. S. 89. 271. 285 u. 377.