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ADB:Haynau, Julius Freiherr von

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Artikel „Haynau, Julius Jakob Freiherr v.“ von Wilhelm Edler von Janko in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 160–161, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Haynau,_Julius_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 08:57 Uhr UTC)
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Haynau: Julius Jakob Freiherr v. H., österreichischer Feldzeugmeister. Ein Sohn des Landgrafen (nachmals Kurfürsten) Wilhelm IX. von Hessen-Cassel, wurde H. den 14. Octbr. 1786 zu Cassel geboren. Seine Erziehung erhielt er erst ebenda, dann in Hanau, hierauf beim Pfarrer Bernhardi zu Otterau und schließlich zu Marburg, von wo er 1801 nach Oesterreich kam und mit dem ihm vom Kaiser verliehenen Lieutenantspatent in das Infanterieregiment Brechainville eintrat. In den großen französischen Kriegen war Raum gegeben für jede Entwickelung des militärischen Talentes, das sich auch bei H. frühzeitig kund gab. Sein erster Feldzug war jener von 1805, er zeichnete sich durch Muth und Entschlossenheit aus, fiel aber bei Ulm in Gefangenschaft; gelegentlich seines Transportes verschaffte ihm die Kenntniß der französischen Sprache ein Gespräch mit Napoleon, welches einen tiefen Eindruck auf ihn hinterließ. Den Feldzug von 1809 machte er als Hauptmann mit, im selben wurde er bei Wagram schwer verwundet. 1813 und 1814 befehligte H. als Major ein mit besonderem Geschick selbst organisirtes Bataillon der sogenannten deutschen Legion bei der Armee in Italien, und nahm an vielen Gefechten mit Auszeichnung Theil. 1815 befand er sich mit seinem Bataillon beim Corps Colloredo’s am Oberrhein. Schon im Laufe dieser drei Feldzüge hatte sich H. durch Kühnheit, unermüdliche Thätigkeit und Unternehmungsgeist ausgezeichnet, Eigenschaften, welche ihn später so besonders charakterisirten und jetzt seinen Namen in mehreren Armeebefehlen rühmlich erscheinen ließen. In der Friedensepoche von 1815 bis 1848 rückte H. bis zum Feldmarschalllieutenant vor und bot sich, da er in Ungarn eine Truppendivision befehligte, bei Ausbruch des Kampfes in Italien aus Thatendurst freiwillig zur Dienstleistung bei der Armee daselbst an. Als dieselbe von Verona aus gegen die piemontesische Hauptmacht vorrückte, ward ihm das Commando der genannten Festung übergeben. Er bemerkte von hier aus am 24. Juli die Zurückdrängung des österreichischen linken Flügels und den Verlust von Sommacampagna. Mit dem H. angeborenen Scharfblicke erkannte er sogleich die Wichtigkeit dieses Ortes für die voraussichtlich am nächsten Tage erfolgende Entscheidungsschlacht und entsendete aus eigenem Antriebe noch in der Nacht des 25. eine Brigade dahin, welche dem Feind in die Flanke fiel, den Ort nahm und das offensive Vorrücken der kaiserlichen Truppen unter d’Aspre ermöglichte. Wenige Tage später übernahm H. das Commando eines Armeecorps, mit welchem er sowol die Belagerung von Peschiera deckte als auch durch seine klugen Maßregeln den baldigen Fall der Festung herbeiführte. Die in diesem Feldzuge an den Tag gelegte, und von Radetzky besonders hervorgehobene Umsicht und Tapferkeit erwarben H. das Commandeurkreuz des Theresienordens. 1849 befehligte er zuerst jenes Corps, welches nach Ferrara abrückte, um Genugthuung für an kaiserlichen Soldaten begangene Unbilden zu verlangen, was auch durch Haynau’s energisches Auftreten vollständig erreicht wurde. Nach Kündigung des Waffenstillstandes Seitens Piemonts übernahm H. das [161] Obercommando der in beiden Königreichen zurückgelassenen Reserve-Truppen, bekämpfte den Aufstand in Brescia und ward hierauf zur Leitung der Belagerung von Venedig beordert. Kaum hatte er hier den Fall von Malaghera vorbereitet, so erhielt er den Ruf nach Wien. In Ungarn hatten sich die Verhältnisse ungünstig gestaltet, es bedurfte hier eines ebenso energischen als thatkräftigen Feldherrn, dessen Antecedentien den Soldaten Hoffnung und Vertrauen, dem Feinde aber Furcht und Schrecken einzuflößen geeignet waren. Beides fand sich in dem General „Einhau“, wie ihn der Feind in Italien bezeichnend nannte, vereinigt, der nun als Feldzeugmeister den Oberbefehl übernahm. Er begann am 27. Juni die Offensive; Sieg auf Sieg folgte; Raab, Komorn, Szegedin und der 9. August bei Temesvár, wo die Macht der Rebellen auf immer gebrochen ward, rechtfertigten die Wahl und sicherten H. den unsterblichen Ruhm eines ebenso kühnen und unternehmenden als umsichtigen Feldherrn. Seine Verdienste um die rasche, ohne namhaften Verlust durchgeführte Eroberung des insurgirten Landes wurde auch dankbar anerkannt und er empfing unter anderen Auszeichnungen das Großkreuz des Theresienordens. Bei der Ende 1849 eingetretenen Neuorganisation des Heeres ward H. Commandant der III. Armee in Ungarn, er nahm jedoch schon im nächsten Jahre seinen Abschied und zog sich nach Graz zurück. Von hier aus unternahm er eine Reise durch den Continent, bei welcher er bekanntlich in London vom Pöbel eine empörende Mißhandlung erfuhr. Nach Wien eilend, als er die Nachricht von dem auf den Kaiser verübten Attentate erhielt, traf ihn am 14. März 1853 daselbst der Schlag. – H. gehört unbestritten zu den tüchtigsten Generalen, an denen jeder Zoll Krieger ist, er war ganz und gar der Anführer wie ihn die Soldaten lieben, zwar eisern und rücksichtslos, aber ohne alle Pedanterie und unablässig besorgt für ihr Wohl und ihre Bedürfnisse, sie stets nach Kräften vertretend. Im Besitze einer eisernen Gesundheit, ungeschwächter Rüstigkeit und unermüdlicher Thätigkeit des Körpers und Geistes, ertrug er, der keine Bedürfnisse kannte, die Beschwerlichkeiten des Krieges mit Leichtigkeit und erfüllte die schweren und mannigfaltigen Pflichten seines hohen Berufes, ohne daß er von ihnen niedergedrückt ward. In seinem Charakter war etwas Besonderes, ein festes, hartnäckiges Wollen, das sich zum Eigensinn steigerte, die Gründe für und wider nicht lange abwog, sondern rasch ins Handeln führte; eine durchgreifende Energie, die ihn das Ziel unverrückbar anstreben ließ. Die Mäßigung und Ruhe eines großen politischen Charakters besaß er nicht, dafür eine glänzende Treue für seinen Kaiser und trotz seiner scheinbaren Rauhheit zarte Familienliebe. Seine Fehler waren große Oppositionslust nach oben und Bizarrerie, die viel Anlaß zu schiefen Urtheilen bot, welche er aber selbst kannte und in einem moralischen Porträt gezeichnet hat. Zieht man zwischen H. und anderen hervorragenden Kriegsführern einen Vergleich, so möchte man zugleich Blücher und Tilly nennen. Wie bei Blücher, so lag auch bei H. die Theorie des Kriegssystems in dem Worte: „Vorwärts!“ Beide haben mit demselben Großes geleistet, wie Blücher war H. muthig und entschlossen, liebte wie er hohes Spiel. Und wie Tilly wegen der Verwüstung Magdeburgs, so ward H. wegen der Züchtigung Brescia’s von der öffentlichen Meinung schwer gescholten. Ein geschworener Feind der Revolution, setzte er ihr als Sieger unerbittlich den Fuß auf den Nacken. Die Geschichte wird darüber richten, ob und wie weit seine Strenge über das von der Gerechtigkeit und Noth gebotene Maß hinausging.

Biographie des kaiserl. königl. Feldzeugmeister Haynau von einem seiner Waffengefährten (Schönhals) gezeichnet, Graz 1853.