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ADB:Heim, Ignaz

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Artikel „Heim, Ignaz“ von Nicht angegeben in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 133–135, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heim,_Ignaz&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 13:43 Uhr UTC)
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Heim: Ignaz H., Musiker, geboren zu Renchen (im Großherzogthum Baden) am 7. März 1818, † zu Zürich am 3. December 1880. H. stammt aus der bis zu den Ereignissen der Revolutionszeit vorderösterreichischen Stadt Laufenburg am Rhein, von der sein Vater als Knabe in die Prämonstratenserabtei Allerheiligen im unteren Schwarzwald gekommen war, wo er seine Erziehung erhielt und nachher als Arzt und Apotheker thätig war. Im benachbarten Renchen setzte er sich später als Apotheker fest. Den Kindern wandte er eine gute Bildung zu; Ignaz empfing die seinige am Gymnasium in Donaueschingen. Nach einer Lehrzeit in der väterlichen Apotheke widmete er sich in München dem Studium der Medicin, bis ihn der Tod des Vaters nach Renchen zurückberief. Aber schon nach einem Jahre verkaufte er das väterliche Geschäft und siedelte nach Freiburg über. Denn schon seit seinem Aufenthalt in Donaueschingen hatte er sich immer eifriger der Musik zugewandt. Kalliwoda (A. D. B. XV, 39 u. 40), der Kapellmeister des Orchesters des Fürsten Karl Egon von Fürstenberg, hatte dort auf H. förderlichen Einfluß gewonnen, und in München war durch die ihm dargebotene Anregung die Vorbereitung auf den ärztlichen Beruf durch die Neigung zur Tonkunst stark zurückgedrängt worden. So geschah die Uebersiedelung nach Freiburg mit dem bestimmten Entschlusse, ganz der Musik zu leben. Mit dem nachherigen Bibliothekar in München Julius Maier begründete H. die Freiburger Liedertafel, einen Männergesangverein, der unter seiner Direction sich äußerst glücklich entfaltete, und ein dauernder günstiger Einfluß auf das musikalische Leben der Hauptstadt des Breisgaus ging von dieser Vereinigung aus; denn H. übernahm daneben noch die Leitung des akademischen Vereins und eines gemischten Chores Caecilienverein. Auch die Anlage der Liederhalle ging von ihm aus. Dadurch, daß H. nach der Revolution von 1849 mit der Schweiz, deren Bürgerrecht sein Vater nach dem Anschluß Laufenbergs an den Kanton Aargau beibehalten hatte, in steter Verbindung blieb – 1851 vermählte er sich mit der Tochter des Obergerichtspräsidenten Müller in Rheinfelden –, gerieth er, weil zahlreiche [134] politische Flüchtlinge über die Schweizergrenze gezogen waren, bei dem Anschwellen der Reaction in Verdacht, so daß er im Herbst des Jahres 1850 aus Freiburg ausgewiesen wurde. Zwar verlegte er jetzt, um zu zeigen, daß er keinen Grund zur Flucht habe, seinen Wohnsitz nach Karlsruhe, und das Ausweisungsdecret wurde nachher aufgehoben. Aber H. hatte danach keine Lust, länger im Großherzogthum Baden zu bleiben, und so nahm er 1852 den aus Zürich an ihn ergehenden Ruf, als Nachfolger Abt’s (A. D. B. XLV, 686 u. 687), der nach Braunschweig übersiedelte, die Leitung des Zürcher Männergesangvereins Harmonie anzutreten, mit Bereitwilligkeit an. Bald trat H. auch in die Direction des Gesangvereins im Limmatthal, später noch an die Spitze des Vereins der Sänger am Zürichsee, und auch der Kirchengesangverein von der Predigerkirche in Zürich stand unter seiner Führung. H. hatte in Freiburg, unterstützt durch den Dichter und Forscher Zuccalmaglio – Wilhelm von Waldbrühl (A. D. B. XLV, 467–469) –, seine Aufmerksamkeit der Litteratur und dem Volksliede zuzuwenden begonnen, und in dieser Ueberzeugung vom hohen Werthe der Volkslieder betonte er von Anbeginn diese Gattung von Gesängen in seiner neuen Stellung in Zürich, nicht ohne anfangs Widerspruch zu finden. Ein Mitglied der Harmonie schrieb: „Heim’s Auftreten war zwar äußerst leutselig, bescheiden und gewandt, und seine von der ersten Stunde an bewiesene Tüchtigkeit verschaffte ihm bald die aufrichtige Zuneigung und Hochachtung. Doch gab es auch solche, besonders unter den alten Sängern, die sich durch sein selbstständiges Urtheil, seine rücksichtslose Energie, seine mitunter derbe Ausdrucksweise, sowie Geringschätzung gegen übertriebene Düftelei und Säuselei verstimmt fühlten“ – und eben Heim’s Zumuthung: „Ehe Ihr das Volkslied schön zu singen imstande seid, kann ich nicht an größere Aufgaben gehen“ vermehrte die Unzufriedenheit. Allein das nächstfolgende eidgenössische Sängerfest, aus dem der Verein preisgekrönt hervorging, sicherte gänzlich die Stellung des Dirigenten. Auch mit Richard Wagner, der zur Zeit der Ankunft Heim’s die Vorführung aus seinen Werken auf den Mai 1853 vorbereitete, befreundete sich H., und Wagner blieb mit ihm in dauernd freundschaftlicher Verbindung; nach Heim’s Tode schrieb er über ihn nach Zürich: „H. war gut, echt und treu; ich habe nicht Viele seines Gleichen kennen gelernt“. Zwar urtheilt der Verfasser der werthvollen Charakteristik: „Richard Wagner in Zürich“ über H., daß bei seiner durch und durch conservativen Natur das Anpassungsvermögen bei Mendelssohn Halt machte und schon bei Schumann schwankte, daß er aber an Wagner doch den kühnen Neuerer bewunderte. Dazu fand Wagner in Frau Emilie H., „die prädestinirte dramatische Sängerin“, die in jenen Concerten die Ballade der Senta vortrug. Heim’s großes Verdienst als Gesangsleiter bestand nun darin, daß er, in Hans Georg Nägeli’s (A. D. B. XXII, 221–223) Bahnen weiterschreitend, den schweizerischen Volksgesang, ganz vorzüglich in der Pflege des Volksliedes, hob und veredelte, damit jedoch auch weit hinaus im ganzen deutschen Sprachgebiete förderlichst wirkte. Seine Liederbücher für Männer-, Frauen-, gemischte Chöre, besonders das erste 1862 erschienene: „Sammlung von Volksgesängen für den Männerchor“, fanden die bereitwilligste Aufnahme, sind in immer wiederholten Auflagen in ungezählten Tausenden von Exemplaren verbreitet. Nach diesen als Publicationen der Liederbuchcommission der Zürcher Schulsynode erschienenen Sammlungen folgten noch im Selbstverlag Heim’s veröffentlichte Bücher, zuerst, von 1863 an, fünf Bändchen für Männerchor: „Neue Volksgesänge“, hernach solche für gemischten Chor und ein „Zweites Volksgesangbuch für Knaben, Mädchen und Frauen“. Hier ist nun H. auch als Componist mit 312 Schöpfungen vertreten, und manche dieser Lieder [135] wurden ein hochgeschätztes, echtes Eigenthum des Volkes. Vincenz Lachner pries H. den Tondichter als „einen begabten Naturalisten, dessen Lieder sich durch Wohllaut, populären Ausdruck und natürliche Ungezwungenheit auszeichnen“. Daneben wirkte H. als Leiter von zürcherischen Gesangsdirectorencursen 1865 und 1868 mit großem Erfolge, ferner im Musikcomité des eidgenössischen Sängervereins als Redactor der Festhefte und Inspector des Vereins, als Kampfrichter bei großen Wettgesängen bei Festen. Nach Anzeichen einer zu befürchtenden Erblindung trat er 1872 von der Direction der Harmonie zurück; doch gelang 1879 die Operation, und er nahm freudig die Arbeit, vorzüglich für den Schulgesang, wieder auf. Aber einem schlagähnlichen Anfall erlag er im folgenden Jahre nach wenigen Tagen. Die Liebe und Verehrung weitester Kreise für „Papa H.“, der auch im Leben sich stets als ein warmempfindender, aufopferungsfähiger, uneigennütziger Charakter erwiesen hatte, traten nach dem Tode greifbar hervor, zuerst am 6. März 1881, wofür Konrad Ferdinand Meyer zu der großen musikalischen Gedächtnißfeier das schöne Weihegedicht „Das Lied“ geschaffen hatte, dann als am 4. November 1883 die lebenswahre Büste des Verstorbenen, von Bildhauer Hörbst, feierlich enthüllt wurde.

Vergl. E. Schönenberger: Ignaz Heim, biographische Skizze (Zürich 1881), Badische Biographien, Theil IV, S. 171 u. 172, sowie A. Steiner-Schweizer: Richard Wagner in Zürich, II. Theil (XC. Neujahrsblatt der Allgemeinen Musik-Gesellschaft in Zürich auf das Jahr 1902, S. 9 u. 10 – zum III. Theil Bilder von Ignaz und Emilie Heim).