ADB:Heinrich von Freiberg
Ulrichs von Türheim Vorgange auf Wunsch eines böhmischen Magnaten Reinmund von Leuchtenburg oder Lichtenburg (die Handschrift schreibt Luchtenburc) Fortsetzung und Schluß zu Gottfrieds unvollendetem Tristan. Diese Dichtung Heinrichs, nach Sprache und Versbau der jüngeren Zeit, etwa dem Anfang des 14. Jahrhunderts angehörend, aber doch in der Weise der älteren classischen Erzählungskunst gehalten, gehört zu den besseren Erzeugnissen der Gottfried’schen Schule. Heinrich beruft sich wie einst Gottfried auf einen Thomas von Britannie als Gewährsmann, doch das ist nur eine Anlehnung an des Meisters Worte, denn Heinrichs Quelle ist der andern sogenannten Eilhartischen, durch das deutsche Volksbuch vertretenen Tradition verwandt. Ob Heinrich wirklich nach einer Vorlage in lampartischer, d. i. italienischer Sprache arbeitete, wird noch zu untersuchen sein. – Geringer an dichterischem Werthe und darum wohl vor dem Tristan verfaßt sind die beiden anderen Schöpfungen Heinrichs: das Gedicht vom heiligen Kreuz und die Ritterfahrt des böhmischen Ritters Johann von Michelsberg nach Frankreich. Vielleicht darf dem Dichter auch die bekannte hübsche Erzählung vom Schrätel und vom Wasserbären zugeschrieben werden. Heinrichs Dichtersprache scheint auf jüngere Dichter, namentlich aber auf den Oesterreicher Peter Suchenwirt nicht ohne Einfluß geblieben zu sein. Directe historische oder urkundliche Nachrichten besitzen wir nicht über Heinrich, ebensowenig litterarische Zeugnisse. Seine Heimath ist wegen mannigfacher mitteldeutscher Elemente in seinem Dialecte zunächst in Mitteldeutschland zu suchen, und da würde sich die Stadt Freiberg als Heimathort oder mindestens als Stammort seiner Familie von selbst darbieten. Aber Heinrichs Dialect ist keineswegs specifisch mitteldeutsch, ja er weist selbst oberdeutsche Elemente auf. Diese gemischte, gewissermaßen einen Compromiß zwischen Mittel- und Oberdeutsch erstrebende Sprache ließe sich recht gut mit einem längeren Aufenthalte eines geborenen Mitteldeutschen in Böhmen [336] erklären. Ueberdies liegt die Stadt Freiberg schon an der Grenze des mitteldeutschen Sprachgebietes. Fedor Bech hat aus obersächsischen Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts ein Geschlecht „von Freiberg“ nachgewiesen; namentlich begegnet ein Heinrich von F. zu Anfang des 14. Jahrhunderts in Halle an der Saale als begüterter und in städtischen Angelegenheiten einflußreicher Mann. Der Zeit und vielleicht auch der Heimath nach könnte dieser der Dichter sein, aber innere Gründe sprechen doch dagegen. Eher dürfte Heinrichs Heimath mit Wendelin Toischer auf den Besitzungen der böhmischen Lichtenburger zu suchen sein. Vielleicht gelingt es noch, Heinrich in böhmischen Urkunden nachzuweisen.
Freiberg: Heinrich von F., höfischer Dichter des 13./14. Jahrhunderts, wahrscheinlich von dem obersächsischen Freiberg genannt, lieferte nach- Quellen und Litteratur in der Einleitung zu: Heinrichs von Freiberg Tristan. Herausgegeben von Reinhold Bechstein. Leipzig 1877 (in der Sammlung: Deutsche Dichtungen des Mittelalters, herausgegeben von Karl Bartsch, 5. Bd.). Zur ästhetischen Würdigung des Tristangedichts von H. vgl. Tristan und Isolt in den Deutschen Dichtungen der Neuzeit von Reinhold Bechstein. Leipzig 1876, S. 85 ff. – Die kleineren Dichtungen Heinrichs sollen in der von Ernst Martin herausgegebenen Bibliothek der mittelhochdeutschen Litteratur in Böhmen durch Alois Hruschka in kritischer Bearbeitung veröffentlicht werden.