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ADB:Suchenwirt, Peter

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Artikel „Suchenwirt, Peter (der)“ von Wilhelm Uhl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 774–780, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Suchenwirt,_Peter&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 19:15 Uhr UTC)
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Suchenwirt *): Peter (der) S., ein österreichischer Wappendichter aus dem 14. Jahrhundert. Er gehörte zu jener Classe von berufsmäßigen Poeten, die im späteren Mittelalter das Erbe des Spielmannes antrat: zu den „Persefanten“ (Poursuivants). Das waren Knappen aus niederem Stande, die nach längerer Dienstzeit im Gefolge eines Ritters zu Herolden avancirten, ohne jedoch auf die Ritterwürde selbst Anspruch erheben zu können. Ihre Obliegenheiten bestanden ursprünglich aus Verrichtungen der geringsten Art; sie erfüllten die Pflichten eines Läufers und Boten. Unzweifelhaft mußten sie daneben etwas vom Waffenhandwerk verstehen; aber nicht sowol vom Kriege, als vielmehr vom Turnier. Dort hatten sie den Namen und die Devise ihres Herrn auszurufen, weshalb man sie auch „Croyrer“ nannte (Crieurs). Dieses öffentliche Auftreten hängt zusammen mit ihrer Eigenschaft als Spruchsprecher, die sie mit den Fahrenden gemein haben. Suchenwirt’s Specialität sind die sogenannten „Ehrenreden“, deren jede einzelne dem Lobe irgend eines allzufrüh dahingeschiedenen Ritters gewidmet ist. Jene altgermanische Sitte, die Tugenden Verstorbener beim festlichen Mahle zu preisen, tritt hier noch hervor. Die Ueberlieferung dieser Ehrenreden erfolgte zuerst mündlich. Der Verfasser recitirte sein Werk vor den Nachkommen oder Freunden des gefallenen Helden, also in einer größeren Versammlung; ganz nach Art der Spielleute. Auf einen Spielmannsbrauch geht denn auch der Name unseres Dichters zurück; dergleichen imperativische Bildungen sind in der Nomenclatur der Gehrenden keine Seltenheit (vgl. Wackernagel, Germ. 5, 300). Als einen erblichen Familiennamen – deren gab es damals überhaupt noch nicht viele! – haben wir das Epitheton auf keinen Fall anzusehen. Der Dichter fühlt selber noch die prädicative Kraft dieses Beiwortes, indem er sich zuweilen auch „der S.“ nennt neben: „Peter S.“; einmal sogar: „ich Peter tumber S.“ Auch in einer Urkunde, wo es doch jedesfalls auf die officielle Fassung ankam, erscheint sein Name in der Form: „Peter der S.“ Die „Wirthe“, die unser Dichter aufsuchte, waren Ritter aus alten, meist erbangesessenen Geschlechtern, fast durchweg Mitglieder des hohen und höchsten österreichischen Adels. Auf ihren Burgen sammelte er aus authentischer Quelle das Material zu seinen Ehrenreden, wenn es ihm nicht schon dadurch geläufig war, daß er persönlich an ihren Kriegszügen theilgenommen hatte. Leider können wir seinen Lebensweg nicht von Anfang bis zu Ende verfolgen. Auch über die sonstigen Verhältnisse des Dichters sind wir schlecht unterrichtet; bei ihm selbst fließen die Angaben nur spärlich. Daß er um seiner Nahrung willen den biderben Herren nachreite und Gut durch Ehre nehme, meldet er uns zwar an mehreren Stellen. Aber von seiner Heimath und seinen Eltern, von seinem Geburtsjahr und seiner Jugend erfahren wir gar nichts. Ebenso wenig ist uns bekannt, ob er verheirathet war und Familie besaß, wann er starb und wo er begraben wurde. Zum Glück können wir aber die meisten seiner Gedichte [775] datiren. Danach erscheint die poetische Thätigkeit Suchenwirt’s begrenzt durch die Jahre 1356 und 1395. Nehmen wir an, er habe erst im reifen Mannesalter zu dichten begonnen – denn auch seine ältesten Producte zeugen schon von einer nicht zu verachtenden Lebensklugheit! – so kommen wir zu dem Schlusse, daß er etwa im dritten Decennium des 14. Jahrhunderts geboren war. Andererseits hat er Herzog Albrecht III., seinen verehrten Herrn, dem er noch einen warm empfundenen Nachruf widmen konnte (das letzte von ihm erhaltene Gedicht), wohl nicht lange mehr überlebt. Albrecht starb 1395; an der Schwelle des neuen Säculums mag dann auch S., hochbetagt, vom Schauplatze abgetreten sein. Von Geburt war er sicher ein Oesterreicher; Sprache, Anschauungen und Sympathieen weisen deutlich darauf hin. Das schließt nicht aus, daß er namentlich in jüngeren Jahren dem ubi bene ibi patria nachgelebt habe. Vielleicht unterhielt er einst gewisse Beziehungen zum Hofe Ludwig’s von Ungarn; wenigstens hat er diesem kriegerischen König, dessen Thaten er auch später noch oft erwähnt, eine seiner ersten Ehrenreden gewidmet. Bald aber sehen wir den Dichter als Gast des Wiener Hoflagers aufs engste verknüpft mit den Schicksalen der Herzöge von Oesterreich. Schon unter Albrecht II., dem Lahmen, der 1358 starb, hat sein dortiger Aufenthalt begonnen. Im J. 1377 nimmt er theil an jener großen Preußenfahrt Albrecht’s III., auf der auch Hugo v. Montfort und Oswald v. Wolkenstein mitziehen; jener als zwanzigjähriger Jüngling, dieser als zehnjähriger Knabe; jener als reicher Erbe mit Roß und Reisigen, dieser als flüchtiger Abenteurer in bettelhaftem Elend. Die Preußenfahrt scheint in Suchenwirt’s Schicksalen der Wendepunkt gewesen zu sein, denn wir können ihn für die Folgezeit als Hauseigenthümer in der Residenz nachweisen. Sein Grundstück fiel dann vor 1386, wahrscheinlich durch Kauf, an den Herzog, der es in diesem Jahre nebst anderen Gebäuden dem Orden der Karmeliter zum Bau eines Klosters schenkte. Das Unglück von Sempach hat S. noch erlebt und besungen, wenn auch nicht mehr als Augenzeuge. Dann verlieren wir ihn langsam aus dem Gesichtskreis und behalten nur noch die freundlichen Eindrücke, die er zurückläßt. Eine vorwiegend ernste Natur, die jedoch maßvollem Scherze keineswegs verschlossen ist; ein freimüthiger Geist, der, weit entfernt von Lobhudelei, auch den Mächtigen dieser Erde gegenüber vor herbem Tadel nicht zurückschreckt; ein ehrenfester Charakter, der sich seines Werthes voll bewußt ist, ohne dabei jemals die eigene Persönlichkeit in den Vordergrund zu drängen: – so tritt uns das Bild des Dichters aus seinen Werken entgegen, die sich ungezwungen in vier Gruppen sondern.

Die Ehrenreden sind voranzustellen; nach ihrer Anzahl wie nach der Bedeutung ihres Inhaltes. Es ist in diesen poetischen Nekrologen viel, ja recht viel historisches Material verarbeitet worden, das jedoch hier unbedenklich bei Seite gelassen werden kann, da wir nur den Dichter zu würdigen haben. Auf allen Schlachtfeldern Europa’s nicht nur: – nein, fast in der ganzen damals bekannten Welt fechten und bluten die Helden Suchenwirt’s. Wir verfolgen ihre Spuren von Granada bis Memel, von Stockholm bis Rom, von Calais bis Krakau. Ja selbst bis nach Tunis und Babylon dringt einer vor; es ist Friedrich der Kreußpeck (v. Krebsbach), der auch, wie Burggraf Albrecht I. von Nürnberg, zu Jerusalem am heiligen Grabe kniet und auf dem Berge Sinai das ewige Oel der Jungfrau Katharina bewundert. Die äußere Anordnung des Stoffes ist in diesen Ehrenreden fast immer die gleiche; sie folgen sämmtlich einer scharfen Disposition. die jedesfalls traditionell war. Zuerst ein stereotyper Eingang: die Kunst, der göttliche Geist oder der „Herr Sinn“ wird angerufen, das mangelnde Dichtertalent zu ersetzen. Dann folgen in breiter Fülle die biographischen Notizen, an die sich das Lob des tugendreichen Ritters anschließt, [776] dem die Rede gilt. Sein Tod wird beklagt, seine Seele der Gnade Gottes oder dem Schutze der Jungfrau Maria empfohlen, womit das Gedicht schließt. Vorher aber finden wir regelmäßig noch das Wappen des Verstorbenen fachmännisch beschrieben und erläutert, und dieser heraldische Theil, die „Blasonirung“ oder „Visirung“ der Helm- und Schildzier, war gewiß für die adligen Zuhörer, die solche Untersuchungen mit sportsmännischem Eifer betrieben, das Interessanteste an der ganzen Sache. Eingeleitet ist dieser Abschnitt meist wieder durch eine Betheuerung der Unfähigkeit des Dichters. Während aber S. im Eingang der Ehrenreden von seinem poetischen Epigonenthum wirklich überzeugt ist und das auch ehrlich eingesteht, hat man diese zweite Selbstdemüthigung lediglich als eine conventionelle Phrase aufzufassen. Das Wappenschild eines Ritters vom Adel war in den Augen des Standes ein so hehres Mysterium, daß ein gewöhnlicher Sterblicher kaum wagen durfte, es zu deuten. Somit gehört jene Wendung wol zu dem altüberlieferten Schema dieser Reden, dem S. auch sonst noch Concessionen zu machen scheint. Zugegeben, daß er in manchem panegyrischen Ergusse den Mund etwas voll nimmt: – seine Schwärmerei für den Ritterstand kommt dennoch aus dem Herzen! Wie später Hermann v. Sachsenheim und Jacob Püterich v. Reicherzhausen, die allerdings an Geburt ihn hoch überragten, so trauert auch S. schon um die entschwundene alte gute Zeit, da noch redlich turnirt wurde. Gelegentlich läßt er einen längeren Excurs einfließen über den praktischen und moralischen Werth der Turniere. Den Verfall ritterlicher Sitten beklagt er mehrfach in bewegten Worten. Nicht selten durchbricht er den herkömmlichen Ton der Ehrenreden und bringt eine tiefe Empfindung in einer vollendeten Form zum Ausdruck. Hauptsächlich ist das der Fall im Anfang der Klage um den Tod Friedrich’s des Kreußpecks, der überhaupt sein Liebling ist; dann zweitens am Schluß der Rede auf Herrn Puppely v. Ellerbach den Jüngeren, gefallen im J. 1356 bei der Eroberung von Zara. In diesen beiden Stellen haben wir die schönsten Beispiele für die ganze Gattung. An Umfang sind die Ehrenreden einander sehr ungleich; die längste (von Herrn Hansen dem Trauner) hat gegen 600, die kürzeste noch nicht 100 Verse. Das ist jener herzliche Nachruf, der Heinrich dem Teichner gewidmet ist, dem Zeitgenossen und Landsmann. Sicher hat damals die Mitwelt die Bedeutung des Umstandes gewürdigt, daß hier der bürgerliche Dichter von seinem jüngeren Freunde fast genau nach derselben Disposition gepriesen wurde wie die hochadligen Herren, ja sagar die Herzöge von Oesterreich. (Albrecht II. und III. Auf Herzog Leopold, der bei Sempach fiel, den Bruder Albrecht’s III., ist seltsamer Weise keine Rede von S. vorhanden.) –

Wir wenden uns zur zweiten Gruppe, zu den politischen Gelegenheitsgedichten, die meist an irgend ein geschichtliches Ereigniß anknüpfen. Das bemerkenswertheste Stück dieser Art führt den Titel: „Von Herzog Albrecht’s Ritterschaft“; es ist fast unsere einzige Quelle für die Kenntniß des Preußenzuges vom Jahre 1377. Die zweifelhaften Heldenthaten der wilden Ordensritter werden hier zwar nach Gebühr gerühmt, aber das Ganze läuft doch mehr hinaus auf die Schilderung, wie „mit tugendhaften Sitten ward viel gehoft und wohl gelebt“. Nichts weiß S. höher zu preisen als die „Milde“ seines Herrn und der übrigen Fürsten. Nach Spielmannsart nennt er die Zahl der Gänge und die Namen der Weine, die man beim Hochmahl aufträgt. An besonderen Ehrentischen, wie es eine alte Ordenssitte gebot, wurden die Tapfersten des Heeres bewirthet und mit Silber und Gold beschenkt, wobei auch die gehrenden Leute nicht leer ausgingen. Zu Marienburg unter Winrich v. Kniprode, dem gewaltigen Deutschmeister, und namentlich zu Königsberg „auf dem Saale“ war es, wo die verschwenderische Pracht der schon halb sagenhaften Mäcenatenhöfe wieder [777] auflebte. Wenn Walther v. d. Vogelweide einst vom Herzog Leopold singen konnte: ‚man sach den jungen fürsten geben, als er niht lenger wolte leben,‘ so berichtet hier S. ganz ähnlich: ‚ein herr für den andern dar die seck des schatzes raumte; ieglicher wânt er saumte sich ze lang und eilte drât‘. Der Dichter gesteht denn auch, daß er dieser Fahrt seinen Wohlstand verdankt. Dann wurde wieder gegen die Heiden gewüthet. Endlich schlägt Graf Hermann v. Cilli den Herzog Albrecht zum Ritter, worauf dieser selbst 74 Anderen den ehrenreichen Schlag ertheilt. ‚Pezzer ritter wenne knecht!‘, das ist die Loosung, mit der das Gedicht ausklingt. – Bei dem Stoffe, der hier behandelt ist, ließ es sich kaum vermeiden, daß nach Art der Ehrenreden auch etwas Weihrauch gestreut wurde. Sonst ist das aber nicht der Fall in Suchenwirt’s gereimten Betrachtungen zur Zeitgeschichte. Mit sachlichem Ernst bespricht er die Kirchenspaltung des Jahres 1378, die Unzweckmäßigkeit des Weinzolles, die Ursachen der Sempacher Niederlage. Oder er tadelt ganz allgemein den Rückgang höfischer Zucht. In drolliger Rede wird z. B. die Trägheit der „heimgezogenen“ Kinder geschildert, die zu Hause „verliegen wie ein Ochsenkalb“, anstatt sich draußen den Wind um die Nase wehen zu lassen. Daran trägt nichts Anderes die Schuld als ihrer Väter Geiz; nach Spielmannsbegriffen die schlimmste Todsünde. Ueberkommen sie dann das Gut, so bleiben sie erst recht daheim und nehmen womöglich, auf Anrathen guter Freunde, noch eine alte reiche Wittwe zur Ehe; in der Hoffnung, sie werde bald sterben. Aber die verjüngt sich nun durch die Liebe des Knaben, den sie nicht mehr von ihrer Seite läßt. „Also verzehrt er seine Zeit und verschleißt seine Jahre ohne Kinder“. – Oder endlich der Dichter ertheilt den jungen Herren bei Hofe gutgemeinte Rathschläge über Lebensklugheit und weltmännisches Benehmen. Eine Rede, die er den „Brief“ nennt, ist solcher Lehren voll. Ja, er geht noch weiter und giebt den österreichischen Fürstenkindern diplomatische Winke. Die Söhne Albrecht’s II. hat er mit beredten Worten vor der verderblichen Zwietracht gewarnt; leider vergeblich, wie uns die Geschichte lehrt. Eine derartige Rede führt den Titel: „Das ist der getreue Rath“. Darin werden die jungen Herzöge angeredet: „Ihr Püpplein!“ Eine andere heißt: „Von der Fürsten Theilung“. Sie behandelt das auch in anderer Fassung bekannte Gleichniß von dem Holz, das nur zerbrochen werden kann, wenn man es zuvor spaltet. Der gabenheischende Wappenherold und Spielmann gewinnt hier ein ganz anderes Aussehen. Er präsentirt sich als eine Art von Inventarstück des Hauses Habsburg, als ein alter treuer Diener, der schon ein freies Wörtlein wagen durfte. In dieser Eigenschaft unterzog er denn auch den Antimachiavelli des Mittelalters einer Bearbeitung; wir meinen die damals weitverbreiteten sog. Lehren des Aristoteles für Alexander.

Drittens verfaßte S. moralische Allegorieen und geistliche Lehrgedichte. Walther’s klôsenære hat viele Nachfolger gehabt. Im 14. und 15. Jahrhundert bedient sich fast jeder Dichter einmal der beliebten Fiction, er habe im Walde einen Einsiedel getroffen und sich mit diesem in ein Gespräch über der Welt Lauf eingelassen. S. thut es ebenfalls, und wenig Erfreuliches kommt dabei zu Tage. Ferner zeigen sich ihm die bekannten allegorischen Damen jener Zeit, die er auch einmal in einer Ehrenrede am Sarge des Grafen Ulrich v. Pfannberg trauern läßt. Aber es ist schlimm bestellt um die hohen Frauen. Zucht und Scham sind krank, der Wahrheit thut die Zunge weh, der Treue ist der Fuß zerspalten, der Stäte ist das Herz unmaßen krank; Gerechtigkeit fiel eine Stiege hinab, die Milde ist an beiden Armen lahm. Frau Minne erwacht aus zehnjährigem Schlafe und findet Alles verändert; sie lacht über die enge Kleidung der modernen Ritter. Um alte Sitte wieder einzuführen, beschließt sie, ein Turnier ausrufen zu lassen in die Freudenau; Frau Ehre empfiehlt ihr [778] dazu als Herold den S. Ein anderes Mal unterhalten sich Frau Stäte und Frau Minne über die Eigenschaften der Herren aus der höfischen Gesellschaft. Da entwirft jene das Bild eines christlichen Ritters, wie es dem Dichter als Ideal vorschwebte; diese schildert in einer und derselben Gestalt einen Gottesverräther, Feigling, Prahlhans, Don Juan und Trunkenbold. Hier trägt die Stäte ein blaues, die Minne ein buntscheckiges Gewand; das einzige Mal, wo S. auf die damals schon recht beliebte Farben-Allegorie (man denke nur an Meister Altswert!) kurz einzugehen scheint. Seltsam genug das; die Erklärung der Farben gehörte ja eigentlich zu seinem Handwerk! – Auch der Pfennig wird personificirt. Er vertritt die Alles bezwingende Macht des Geldes in der Gestalt eines alten Mannes, der den Dichter unterwegs antrifft und aus dem Schatze seiner Erfahrung belehrt. Durch ganz Deutschland, ja noch darüber hinaus führt ihn der Pfennig und scheidet dabei sorgfältig die kargen Fürsten von den milden. Man könnte das Gedichtchen ansehen als eine Art Wegweiser für die Kollegen Suchenwirt’s. – In der Manier des Hadamar v. Laber versucht sich unser Dichter einmal in einer kurzen, aber dafür um so dunkleren Allegorie: Daz gejaid. – Von didaktischen Sachen endlich haben wir außer einer Betrachtung über die bösen Folgen des Würfelspiels und neben zwei gereimten Tractaten über die zehn Gebote und die sieben Todsünden hauptsächlich zu nennen die „Rede vom jüngsten Gericht“ und die „sieben Freuden Mariä“. Jene Rede bietet in der That eine packende Schilderung der letzten Dinge, wie sie sich das Mittelalter nach der Apokalypse dachte, und gehört zu dem Besten, was der Dichter geschaffen. Besonders ergreifend wirkt die Darstellung der Vergänglichkeit alles Irdischen; ferner die Trennung der Blutsverwandten und das Auftreten des Richters. Die sieben Todsünden, ein Lobgedicht von 1540 Versen auf die Mutter Gottes, sind im großen Stile gehalten und wollen als Nachahmung angesehen sein von Konrad’s v. Würzburg „goldener Schmiede“, die S. nicht genug rühmen kann. Neben der blumenreichen Sprache und den mystischen Symbolen Konrad’s prangt auch hier scholastische Weisheit; ja bei Besprechung der neun Engelchöre werden sogar Dionysius (Areopagita) und Isidorus (Hispalensis) citirt.

An vierter Stelle müssen wir die Scherzgedichte, Reimkünste und sonstigen Spielereien wenigstens kurz erwähnen. Eine Rede wird genannt: „Der Freundsinn“. An Stelle der Reime sind hier immer zwei Wörter gesetzt, von denen das zweite, rückwärts gelesen, das erste ergiebt, und umgekehrt. Der Inhalt ist ohne Zusammenhang. Schon eher läßt sich ein Sinn herausbringen aus dem „Equivocum“, einer aus 59 rührenden Reimen bestehenden Rede. Hier folgen deutlich auf einander: Anrufung des heiligen Geistes, Sündenklage, Ermahnung der thörichten Menschheit, Bitte an Gott um Erbarmung und an Maria um Fürbitte. Auch dem uralten Genus der Lügendichtung ist S. nicht fern geblieben. In 114 Zeilen häuft er einmal allerlei unmögliche Dinge. Vielleicht wird hierbei auf den zünftigen Meistergesang ein Seitenhieb ausgetheilt in den Versen: ‚des sanc sô hell ein tôter hunt in seiner kalten weise‘. Sehr ergötzlich ist endlich des Dichters eigene Parodie auf seine Ehrenreden; sie trägt die Ueberschrift: ‚Von hern Ginnolf Lappen von Ernwicht‘. (Die Handschriften haben Gumolf und Sumolf.) Das ist ein Held, dessen Herz sich nach Ehren sehnt wie die Maus nach der Katze. Wenn er den Frauen dienen soll, hat er so viel Semmeln und Milch verzehrt, daß er kaum gehen kann. Einst verbrannte er sich die Finger an einer gebratenen Birne, da trug er die Hand in der Binde. Auch gen Preußen ist er gezogen, aber schon vor Vesperzeit wieder heimgekommen. Am Schluß wird gar sein Wappen blasonirt: Leberwürste, Haberstroh, ein Futtersack und „ein großer Hafen Sauerkoch“. Wir constatiren hier [779] einen gesunden Rückschlag gegen die traditionellen Phrasen der ursprünglichen Gattung.

Suchenwirt’s Bildung war eine tüchtige, wenn auch natürlich keine gelehrte. Er konnte lesen und schreiben, verstand aber kein Latein und vom Französischen nur wenige Brocken. Auf Reisen hat er sich Vieles angeeignet, was dem beschränkten Gesichtskreis eines Laien sonst fremd blieb. In der Bibel und den Kirchenvätern zeigt er sich fast ebenso beschlagen wie in den Kunstausdrücken der Jagd und des Turniers. Wahrscheinlich kannte er das Nibelungenlied, jedesfalls viele höfische Epen. In einer merkwürdigen Stelle scheint er zu betonen, daß Wolfram Analphabet war, was neuerdings wieder bezweifelt wird; doch kann die Stelle auch anders ausgelegt werden. Das weibliche Schönheitsideal finden wir einmal entworfen mit wörtlichen Citaten aus dem Wigamur. Der Vorliebe für Konrad v. Würzburg wurde bereits gedacht. – Die Sprache des Dichters gleitet leicht dahin, ohne monoton zu werden. Einfluß der Volksepik kann es sein, wenn er den Rittern stehende Epitheta giebt: ‚der hôch genendig, der muotes frech, der wandels freie, der eren fruot, der hôchgeteuert, der stolze degen auserwelt, der hôchgemuot‘ u. s. w. Seine Helden verfolgen ihr Ziel ‚durch hôhen preis, durch abenteure, durch ritterschaft, durch preisbejag‘. Das deutet eher auf die höfische Epik hin, ebenso Kunstausdrücke wie crey, tjost, schumpfeuteure (sein Lieblingswort, von dem er sogar ein Verbum bildet!), scharmützel, sturm u. a. m. Häufig werden – ein lyrisches Motiv! – die „roten Münde“ (die anwesenden jungen Damen) aufgefordert, den todten Helden zu beklagen. Bemerkenswerth sind endlich auch schon bei S. jene kühnen Bilder, die wohl im letzten Grunde auf alttestamentliche oder mystische Symbolisirungen zurückgehen, und deren Anwendung später bei Hans Rosenplüt vollends zur barocken Manier ausartet. Der brave Ritter fürtet der Ehren Grund wie ein williger Jagdhund. Die Ehre des bösen Ritters dagegen rümpft zusammen wie der Leim, der unter einer Rinne liegt; ja, ein solcher Ritter bindet der Schanden Pflaster auf der Ehren Bein. U. s. w. Derartiges muß damals sehr gefallen haben, denn auch S. erfreute sich großer Beliebtheit bei seinen Zeitgenossen. Hugo v. Monfort preist ihn einmal halb neidisch als weit überlegenen Meister und zeigt dabei durch ein Citat, daß er seine Werke wohl kannte. – Metrisch bindet sich der Dichter fast überall noch an das mittelhochdeutsche Princip der dreihebig klingenden und der vierhebig stumpfen Reime. Die Ehrenreden sind durchweg in Reimpaaren gehalten; sonst finden sich auch schon gekreuzte Reime, einmal sogar der Dreireim in einem ganzen Gedichte durchgeführt. Eine große Formgewandtheit ist nicht zu verkennen. – Die Ueberlieferung betreffend, so kennen wir 21 Handschriften, die zusammen 52 verschiedene Gedichte Suchenwirt’s enthalten. Die beste, 252 Octavblätter umfassende Handschrift, gehörte im Anfange dieses Jahrhunderts dem Fürsten Prosper von Zinzendorf, wurde dann später dessen einzigem Erben, dem Grafen Georg von Thurn, gestohlen und kam nach abenteuerlichen Schicksalen endlich im J. 1846 an die Wiener Hofbibliothek, wo sie sich jetzt noch befindet. Nicht weniger als zwanzig Schreiber, die aber zum Glück fast sämmtlich den heimischen Dialekt beherrschten, sind an dieser kostbaren Handschrift thätig gewesen, deren Entstehung wohl noch in das 14. Jahrhundert fällt. Sie ist besonders werthvoll durch die chronologische Anordnung der Gedichte. Eine kritische Ausgabe wäre sehr zu wünschen. –

Leop. Fischer, [brevis] notitia veteris urbis Vindobonae. Wien 1767. [64] 1, 117. – Scriptores rerum Prussicarum 2, 155–169. – Ottokar Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter 1 3 (1886), 237–240. (S. kein Oesterreicher!) – Alois Primisser, Suchenwirt’s Werke aus dem vierzehnten Jahrhunderte u. s. w. Wien 1827. (Zu Grunde gelegt ist dieser [780] Ausgabe die Zinzendorfische Handschrift; doch änderte Pr. die Reihenfolge der Gedichte und ordnete sie nach den verschiedenen Arten. Von ihm stammt der Ausdruck: „Ehrenreden“ her. Die Anmerkungen werthvoll, das Ganze eine sehr fleißige Arbeit. Recensirt in den Gött. Gel. Anz. 1827. St. 85. S. 841; Realregister dazu im Anz. f. K. d. d. M.-A. 1832, Sp. 90.) – G. E. Frieß, fünf unedirte Ehrenreden Peter S.’s Wiener Sitz.-Ber. 88 (1878), S. 99–126. Auch separat. Darin die Parodie. – Laßberg’s Liedersaal 2, 321 ff. (= v. d. Hagen’s Minnes. 4, 93 ff.) noch eine Ehrenrede, die jedoch schwerlich v. S. herrührt. – Liederbuch der Clara Hätzlerin (ed. Haltaus), S. 203 ff.: die Warnung vor dem Würfelspiel. – Franz Kratochwil, der österreichische Didaktiker P. S., sein Leben und seine Werke. Jahresbericht des k. k. Obergymnasiums in Krems. 1871. (Leider ein Torso!) – Derselbe, über den gegenwärtigen Stand der Suchenwirt-Handschriften. Germ. 34, 203–244, 303–345, 431–487. (Mit Ergänzungen zu Suchenwirt’s Gedichten. Die beste Vorarbeit zu einer kritischen Ausgabe.) – Aug. Koberstein, über die Sprache d. österr. Dichters P. S. I. Lautlehre. Pförtner Programm. Naumburg 1828. – Derselbe, Quaestiones Suchenwirtianae (Specimen II, enth. d. Deklin.) Pf. Pr. Naumburg 1842. – Derselbe, über die Betonung mehrsilbiger Wörter in Suchenwirt’s Versen. (In der lat. Pförtner Säcularschrift). Naumb. 1843. – Derselbe, über d. Spr. d. ö. D. P. S. III: Abhandlung d. Conjugation. Pf. Pr. Naumburg 1852. – Joh. Schmidt, zur Gesch. d. indogerm. Vokalismus 2, 380 ff. (über die Reime Suchenwirt’s.)

[774] *) Zu S. 104.