ADB:Hugo VIII. von Montfort
Hadamar’s, Teichner’s, Suchenwirt’s und anderer Zeitgenossen. Das Beispiel der ritterlichen Buchhelden blieb nicht ohne Einfluß auf sein Jugendleben. Bereits in seinem 14. Jahre suchte und gewann er die Minne einer holdseligen Frau und wanderte in deren Dienst in die Welt, um Ritterspiele zu üben und Abenteuer zu erleben. Ueber Jahr und Tag (1371–1372) ritt er wohlgemuth herum und erwarb sich „ritterschaft ein michel teil“, denn er besaß außergewöhnliche Körperkraft. Heimgekehrt, wurde der Sechzehnjährige von seinem Vater (Wilhelm III.) mit der verwittweten Erbgräfin Margaretha von Pfannberg verheirathet. Es war eine Interessenehe; denn mit der Hand der jungen Wittwe erhielt M. die reichen Güter der Pfannberger in Steiermark, Oesterreich und Kärnthen, wurde Mitglied des steirischen und österreichischen Herrenstandes, trat zu den Herzögen aus dem habsburgischen Hause, mit welchen die Grafen von Montfort-Bregenz ohnehin verwandt und in gutem Einvernehmen waren, in noch nähere Beziehungen, erlangte eine Macht, welche die aller anderen Montforter weit überflügelte, und wurde der Stammherr einer neuen Linie (Bregenz-Pfannberg), welche erst im vergangenen Jahrhundert [191] (mit Anton, † 1787) erlosch. M. kümmerte sich anfangs wenig um Ehe und Regierung; die letztere führte der Vater, während der Sohn die Gunst anderer „frôwen und töchterlîn“ suchte, denselben Lieder dichtete und zwischendurch wieder Excursionen in die weite Welt unternahm. Von einer derselben erzählt Suchenwirt: vom Kreuzzug, den er 1377 unter Herzog Albrecht ins Preußenland machte, wo er wahrscheinlich mit 73 anderen jungen Edlen den Ritterschlag erhielt. Mitten in diesen Wander- und Flegeljahren traf ihn der Tod seines Vaters (1378). Was weder Heirath noch Kreuzfahrt in ihm bewirkt, das that nun der Ernst des Lebens: Mit Kraft, Umsicht und Ausdauer übernahm er seine Aufgabe, theilte mit seinem älteren Bruder Konrad die Bregenzergrafschaft, erließ Verordnungen für die Stadt und Burg Bregenz, welche gemeinschaftlich regiert wurden, bestellte sein Haus im Westen und im fernen Osten, vergab und empfing Lehen, ernannte Vögte, vertheidigte seine Besitzungen gegen verschiedene Angriffe, knüpfte gute Beziehungen mit den umliegenden Adelsgeschlechtern an, warf die jugendlichen Minnethorheiten über Bord, erkannte die Zuneigung und den Werth seiner treuen Gemahlin, der er von jetzt an seine Gedichte widmete, und betrat bald auch eine größere Bühne. Zunächst nahm er im Dienste Herzog Leopolds III. an der Eroberung von Treviso im Venetianischen theil (1381). Während des Feldzuges ernannte ihn der Herzog zu seinem Kriegshauptmann. Als solcher vertheidigte er tapfer Treviso und schädigte den Feind durch Streifzüge. Hierauf folgte er Leopold zu seinen weitaussehenden Unternehmungen gegen die Schweizer, und als dessen Pläne mit der Schlacht bei Sempach, an welcher auch die Unterthanen Hugo’s betheiligt waren, scheiterten und der Herzog selbst fiel, erhielt er von Albrecht III. die schwere Aufgabe als österreichischer Landvogt im Aargau, Thurgau und auf dem Schwarzwald weitern Schaden zu wenden. Letzteres gelang auf dieser Seite glücklich, bis Friede mit den Schweizern geschlossen wurde. M. kehrte auf seine Bregenzer Güter zurück, setzte sich hier mit dem Sohne (Wilhelm) seines inzwischen gestorbenen Bruders friedlich auseinander und freute sich seines ehelichen Glückes. Aber bereits 1391 (1392?) starb Margaretha, nachdem sie ihm mehrere Kinder, darunter den Sohn Ulrich, geboren hatte. Die Gedichte dieser Zeit offenbaren seinen Schmerz über den Verlust, klagen über Täuschung der Welt, über Unbestand und Tod. Mehrere Jahre tritt er nicht mehr öffentlich auf. Aber die heilende Zeit und die schöne Gräfin Clementia von Toggenburg, welche seine zweite Gemahlin wurde, führten ihn wieder ins Leben zurück. 1395 steht er wieder auf dem politischen Schauplatz und zwar als Hofmeister Herzog Leopolds IV. in mannigfaltigen Beziehungen. Um das Jahr 1400 wirft der Tod neuerdings düstere Schatten in Montfort’s Leben und Dichten, indem er die junge Clementia hinwegrafft. Erst seine dritte Gemahlin, Anna v. Neuhaus, welche ihm noch 1413 einen Sohn (Stephan) gebar, hat ihn überlebt. Sie war die Wittwe des letzten Stadeckers (Hans, † 1399), der nur eine Tochter Guta hinterlassen hatte, welche sich gleichzeitig mit Montfort’s Sohn Ulrich vermählte. Dadurch kam auch die Stadecker Herrschaft nach einigen Streitigkeiten mit den Herren von Cilli und anderen an die Montforter. Kaum waren diese Erbangelegenheiten geregelt (1404), als M. zu den Waffen greifen mußte. Im Westen verheerten die Schweizer Land und Burgen (Appenzellerkrieg). M. rettete die belagerte Veste Neuburg durch einen vortheilhaften Vertrag, überließ die Bregenzer Streitmacht seinem kriegstüchtigen Neffen Wilhelm und seinem Sohn Ulrich und eilte nach Osten, wo seine Besitzungen und ganz Steiermark von den böhmischen und mährischen Schaaren Johann Sokols bedroht waren. Hier wurde er zum „campiductor“ ernannt und traf den Feind bei Laa (1407). Darauf eilte er wieder nach Bregenz zurück, wo die Schweizer 1408 in die Flucht geschlagen wurden. [192] In den folgenden Jahren beendet er einige kleinere Fehden im Westen und Osten. 1413–1416 wird er Landeshauptmann von Steiermark, Rath Herzog Ernst des Eisernen, Vorsitzender des Landesgerichts und Inhaber des österreichischen Drachenordens. 1414 erscheint er, wahrscheinlich im Auftrage Ernsts, auch auf dem Concil zu Konstanz. Seit 1416 zieht sich M. von den öffentlichen Aemtern und Angelegenheiten auf die Verwaltung seiner Besitzungen zurück, schlichtet Streite, bestraft ungehorsame Lehensmänner, erläßt eine Malefizordnung für Bregenz, macht fromme Stiftungen (darunter das Dominicanerkloster auf dem Hirschberg) und stirbt am 4. April 1423, nachdem ihm schon 1419 sein ältester Sohn Ulrich im Tode vorangegangen war. Noch heute nennt das Volk den Gebhardsberg hinter Bregenz den Pfannberg nach M., dem Stammherrn des Geschlechtes Montfort-Bregenz-Pfannberg. Montfort’s Leben war also, wenn wir von seiner kurzen Jugend absehen, reich an bedeutenden Arbeiten und Würden. Drei Dinge empfahlen ihn besonders dazu: seine für einen damaligen Grafen seltene Bildung, seine große Hausmacht, mit welcher er seinen Verfügungen den nöthigen Nachdruck geben konnte, und vor Allem sein energischer ehrenfester Charakter. Er selbst konnte in jener raubsüchtigen Zeit offen von sich sagen: „Ich sah nie ein Gut, um das ich hätte missethun mögen.“ – M. war nicht ein Dichter von Profession, sondern nur aus innerem Drange. Er dichtete (nach eigener Aussage) oft hoch zu Roß, auf seinen weiten Fahrten durch Wald und Au; denn zu Hause hatte er „gross sachen ze schaffen“ und „teten seine ret in straffen“ ob solcher Zeitversäumniß. In den meisten Fällen ist er daher selbst, sind die eigenen Zustände und Verhältnisse Gegenstand seiner Dichtung; außerdem eröffnet er aber auch weitere, allgemeinere Gesichtspunkte: meditirt über den Weltlauf, über Menschenschicksal und Menschenschuld, über die damaligen Verhältnisse in Kirche, Staat und Gesellschaft, führt eine heftige Sprache gegen den unfähigen „Künig von Pehemlant“ (Wenzel), gegen das Schisma, gegen die Entartung der Mönchsorden, gegen Beginen und andere religiöse Secten, nimmt Stellung zu jenen tiefgehenden religiösen Strömungen vor dem Basler Concil und zwar auf Seite der gemäßigten Reformpartei. Der Form nach scheiden sich seine Gedichte in Lieder, Briefe und Reden. Die Lieder sind zum Theile „minneliedli“, noch nach altem Schnitte, mit dreitheiligen Strophen und ritterlichem Frauencultus, zu Musik und Tanz bestimmt. Die anderen sind schon moralisirend oder gelten seiner Gattin; auch treten an Stelle der Dreitheiligkeit einfache Gesätze nach Art der Volkslieder. Die Melodien zu den Liedern machte M. nicht selbst, sondern überließ sie seinem Knappen Bürk Mangolt und zeigt so bereits das moderne Verhältniß zwischen Ton- und Dichtkunst. Die Briefe, durchweg in vierzeiligen Strophen, sind Liebesgrüße aus der Ferne und haben daher einen großen Theil ihres Inhaltes und Ausdruckes mit den Minneliedern gemeinsam. Nur der älteste ist an eine Jugendgeliebte, die anderen sind an seine Gattinnen Clementia und Anna gerichtet. Zu den Reden gehört der größte Theil von Montfort’s Producten. Sie sind gewöhnlich in Reimpaaren oder vierzeiligen Strophen abgefaßt und haben sich durch Erweiterung des didactischen und epischen Elements aus den mittelhochdeutschen Sprüchen herausgebildet, bewegen sich daher meist auf ethischem oder politischem Boden oder betreten das Gebiet der Memoirendichtung. Aber auch lyrische Partien begegnen darin nicht selten, wie denn überhaupt die einzelnen Dichtungsgattungen bei M. und anderen Zeitgenossen vielfach ineinander fließen: epischer Ton mischt sich in die Lyrik und umgekehrt; die Didaxis überwuchert beide. Auch die alte einheitliche Schriftsprache ist bei M. bereits ganz aus den Fugen gegangen: der Dialect (hier der alemannische) steht in vollster Blüthe. Stil und Metrik sind reich an Laxismen und zeigen vielfach schon den Einfluß der Volkspoesie: M. steht auf der äußersten Grenze der ritterlichen [193] Kunstdichter und weist schon zu jenem Geschlechte von Natursöhnen, Wanderern, Kriegsleuten und Jägern hinab, bei denen das Empfinden tiefer, das Denken weiter geht als die Kunst der Darstellung.
Montfort: Hugo v. M., Dichter und Staatsmann, aus dem mächtigen und angesehenen Geschlechte der Grafen von Montfort-Bregenz, wurde 1357 geboren. Als der jüngere Sohn erhielt er neben dem Unterricht in ritterlichen Dingen auch eine gelehrte Bildung. Daher war er in Theologicis bewandert, kannte die (lateinische) Bibel, aber auch die alten volks- und kunstmäßigen Ritterepen, den Minnesang, die Dichtungen- J. N. v. Vanotti, Geschichte der Grafen von Montfort u. Werdenberg, 1845. J. Bergmann, Ueber die Grafen von Montfort-Bregenz-Pfannberg, Sitzungsber. d. Wiener Akad. IX. K. Weinhold, Ueber Graf Hugo v. Montfort, Mittheil. des histor. Vereins für Steiermark, 1856. K. Bartsch, Hugo v. M. herausgegeben 1879 (Stuttg. litt. Verein Nr. 143). J. E. Wackernell, Hugo v. M. mit Abhandlungen zur Geschichte der deutschen Litteratur, Sprache u. Metrik im 14. und 15. Jahrhundert herausgegeben, Innsbruck 1881.