Zum Inhalt springen

ADB:Türheim, Ulrich von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Türheim, Ulrich von“ von Reinhold Bechstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 9–10, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:T%C3%BCrheim,_Ulrich_von&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 20:13 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Türckis, Damian
Nächster>>>
Turin, Ernst Xaver
Band 39 (1895), S. 9–10 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ulrich von Türheim in der Wikipedia
Ulrich von Türheim in Wikidata
GND-Nummer 118625330
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|39|9|10|Türheim, Ulrich von|Reinhold Bechstein|ADB:Türheim, Ulrich von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118625330}}    

Türheim: Ulrich v. T., epischer Dichter des 13. Jahrhunderts, Sproße eines alten schwäbischen Adelsgeschlechtes, das im 17. Jahrhundert nach Oesterreich auswanderte und da in den Reichsgrafenstand erhoben wurde. T., in Augsburger Urkunden 1236, 1244 und 1246 erscheinend und in den litterarischen Stellen in Rudolf’s von Ems Wilhelm und Alexander erwähnt und gepriesen, im übrigen historisch unbekannt, ist vornehmlich als der erste Fortsetzer des von Gottfried v. Straßburg unvollendet zurückgelassenen „Tristan“ bemerkenswerth (s. A. D. B. XXXVI, 503, 505). Diesen „Tristan“ dichtete T. um 1240 auf Wunsch Konrad’s des Schenken von Winterstetten, des bekannten Dichterfreundes, der auch Rudolf v. Ems zu seinem Wilhelm veranlaßte (s. A. D. B. VI, 95). T. bediente sich für seine Forschung nicht der von Meister Gottfried gewählten Version und Fassung, sondern der andern Sagentradition, der populäreren, der einst Eilhart v. Oberge gefolgt war, dessen Dichtwerk T. auch gekannt und stellenweise benutzt haben wird. Türheim’s Darstellung ist einfach und schlicht, selbst [10] trocken im Vergleich zu des Vorgängers blühender und glänzender Sprache; doch bemüht er sich offenbar, hie und da durch Nachahmung des spielenden Stils Gottfried’s seine Rede aufzuputzen. Vier Handschriften von Türheim’s „Tristan“ sind auf uns gekommen. Hieraus darf geschlossen werden, daß dieser Versuch einer abschließenden Ergänzung zwar nicht unbeachtet geblieben ist, sich aber doch keines allgemeinen Beifalls zu erfreuen hatte. Bei weitem mehr Anklang fand eine andere Fortsetzung Türheim’s zu einem unvollendeten Gedichte eines großen Meisters: zu Wolfram’s v. Eschenbach „Willehalm“, die nach dem Haupthelden der Erzählung gemeinhin „der starke Rennewart“ genannt wird. Türheim’s Quelle ist ein welsches Buch, das ihm ein anderer Gönner, Otto der Bozener zu Augsburg mitgebracht hatte. Die Abfassungszeit wird um das Jahr 1250 zu setzen sein. Wer der König Heinrich ist, dessen Tod T. in seinem „Willehalm“ beklagt, läßt sich nicht bestimmt sagen. Wahrscheinlich ist darunter der zum deutschen Könige gewählte und 1247 gestorbene Landgraf Heinrich Raspe von Thüringen verstanden. Im Einklange mit der überaus reichen handschriftlichen Ueberlieferung von Wolfram’s Werken steht auch die ungemein hohe Zahl von Handschriften des „Willehalm“ Türheim’s, die sich mit Einrechnung mehrerer für sich bestehender Bruchstücke über 30 belauft. Ueber den Werth des sehr umfangreichen Gedichtes wird erst dann ein bestimmtes Urtheil möglich sein, wenn es vollständig oder wenigstens in größeren Abschnitten und kritisch herausgegeben ist. – Nach dem Zeugnisse Rudolf’s von Ems im „Wilhelm“ muß T. auch eine Erzählung von „Clies“ gedichtet haben, die aber nicht erhalten ist. Die frühere Annahme, dieser „Clies“ Türheim’s sei auch eine Fortsetzung und zwar zu dem ebenfalls verlorenen „Clies“ Konrad Fleck’s (s. A. D. B. VII, 111), hat Goedeke einer Andeutung Franz Pfeiffer’s folgend, in Zweifel gezogen, weil sie auf einer fehlerhaften und deshalb falsch gedeuteten Stelle in Rudolf’s von Ems „Alexander“ beruhe. Rudolf scheine hier nicht Konrad Fleck, sondern U. v. T. im Sinne zu haben. Ist jenes Bedenken und diese neue Annahme gesichert, dann würde ein „Clies“ Türheim’s doppelt bezeugt sein.

W. Wackernagel’s Geschichte der deutschen Litteratur. 2. Aufl. von Ernst Martin. 1. Bd. (1879), 227 f., 238. 247. 249. – Koberstein’s Geschichte d. d. Nationallitteratur, 6. Aufl. von Karl Bartsch, 1. Bd. (1884), 177, 182, 189; – Goedeke’s Grundriß I. Bd.² (1884), 115–118. – Türheim’s Tristan mit Gotfried’s von Straßburg Tristan in den Ausgaben von E. v. Groote[WS 1]. Berlin 1821 und H. F. Maßmann. Leipzig 1843. S. ferner A. D. B. XXXVI, 506. – Zur ästhetischen Würdigung des Tristangedichtes von Türheim vgl. Tristan und Isolde in deutschen Dichtungen der Neuzeit von Reinhold Bechstein, Leipzig 1875, S. 82–85. – Ueber Türheim’s Verhältniß zu Eilhart s. Eilhart v. Oberge, herausgegeben von Franz Lichtenstein. Straßburg 1877, Einl. S. CXCIX fg. – Proben aus dem noch unveröffentlichten Willehalm (Rennewart) in Eduard Lohmeyer’s Schrift: die Handschriften des Willehalm Ulrich v. Türheim. Halle 1882, S. 24–58.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: C. v. Groote