ADB:Heinrich XIV.
Stephans I. von Niederbaiern und der Herzogin Juta (Judith) von Schlesien, übernahm nach dem Tode seines Vaters (21. December 1310) nominell die Regierung Niederbaierns in Gemeinschaft mit seinem jüngeren Bruder Otto IV. und seinem Oheime Otto III. Nach dem Tode des letzteren am 9. September 1312 herrschten er, sein Bruder Otto und ihr Vetter gemeinsam. Dieser, Heinrich XV. (der III. von Niederbaiern), von der Burg an der Donau, wo er erzogen ward, auch der Natternberger genannt, war am 26. April 1312 als Kind Herzog Otto’s III. von Niederbaiern und der Herzogin Agnes von Glogau geboren. Ueber die Vormundschaft der drei Kinder brachen verwickelte Streitigkeiten aus, zuerst zwischen den beiden oberbairischen Herzogen, Rudolf und Ludwig, dem späteren Kaiser, dann zwischen diesen und den Herzogen von Oesterreich. Nachdem Rudolf Landshut, Straubing und andere feste Plätze Niederbaierns besetzt hatte, nahm Ludwig den älteren Heinrich im Sommer 1313 mit sich nach Wien und ließ denselben vor Herzog Friedrich Klage gegen Rudolf erheben. Wenn nicht schon früher, ward damals Heinrichs Verlobung mit Juta, der Schwester der österreichischen Herzoge eingeleitet. Bald aber schlossen Rudolf und Ludwig Freundschaft und übernahmen vereint die Regierung Niederbaierns. Als dagegen die Wittwen der niederbairischen Herzoge und ein großer Theil des dortigen Adels Friedrich den Schönen ins Land riefen, kam es zur Schlacht bei Gammelsdorf, in der Ludwig Sieger blieb. Statt der Oesterreicherin führte H. der ältere [471] am 12. August 1322 Margarethe, die Tochter König Johanns von Böhmen, als Braut heim, und im Kriege gegen Habsburg unterstützten die drei niederbairischen Herzoge ihren oberbairischen Vetter. H. der ältere soll 1319, als Baiern und Oesterreicher bei Mühldorf sich gegenüber lagerten, als der erste die Flucht ergriffen haben. Drei Jahre später aber nahm er ebendort, nachdem er am Vorabende der Schlacht den Ritterschlag empfangen, an dem entscheidenden Siege seines Vetters theil. Das gute Verhältniß zu Oesterreich ward von den niederbairischen Herzogen durch einen Friedensvertrag vom 13. December 1323 wiederhergestellt. H. der ältere hatte die selbständige Regierung im Januar 1322 angetreten und im selben Monat hatten die drei Herzoge gegen Bestätigung des von Herzog Otto den Landständen ertheilten Freiheitsbriefes, der sogenannten ottonischen Handfeste, von ihrem Adel und ihren Städten die Ermächtigung erwirkt, eine allgemeine Viehsteuer zu erheben. Dieselbe sollte auch vom Klerus eingetrieben werden, aber die Mehrzahl der hohen Prälaten widersetzte sich und nachdem Erzbischof Friedrich von Salzburg den Kirchenbann über die Herzoge, das Interdict über ihre Lande verhängt hatte, sahen diese das Jahr darauf sich genöthigt, auf die Besteuerung ihres Klerus zu verzichten. Das gemeinsame Regiment der drei jungen Herzoge ward sogleich mit dem bereits traditionellen wittelsbachischen Familienhader eröffnet. Schon waren sie sich mit den Waffen gegenübergetreten, als am 4. October 1324 ein Schiedsgericht die Einigkeit herstellte. Die beschränkenden Bestimmungen, welche die Herzoge sich hiebei gefallen lassen mußten, zeigen, wie sehr unter der Herrschaft der unreifen und uneinigen Fürsten der Einfluß ihres adelichen Rathes gewachsen war. Zur Zeit, als Ludwig nach der Trausniter Sühne sich eng an Friedrich den Schönen angeschlossen hatte, vermittelte er eine Heirath Heinrichs des jüngeren mit Anna, Tochter Friedrich des Schönen. Wie sein Vetter in die lützelburgischen, ward der Natternberger seitdem in die habsburgischen Interessen hineingezogen. Da aber sein Vater die ungarische Königskrone getragen, besorgte nun König Karl von Ungarn, H. möchte, gestützt auf die habsburgische Bundesgenossenschaft, Ansprüche auf Ungarn erheben. In dem Frieden zu Bruck (21. September 1328) ließ er sich von den österreichischen Herzogen versprechen, H. hiezu nie behilflich zu sein. Neue Zwietracht der niederbairischen Herzoge ward 1329 beigelegt. Beide Heinriche fochten das Jahr darauf eine Fehde mit den Grafen von Hals durch und zerstörten denselben sieben Burgen. Mit Kaiser Ludwig hatte H. der ältere am 20. März ein Bündniß geschlossen, wobei er jedoch seinen Schwiegervater, den Papst Johann und Balduin von Trier ausnahm. Unter Vermittlung des Kaisers und Johanns von Böhmen trat dann am 7. August 1331 eine Theilung der niederbairischen Lande ins Leben. H. der ältere erhielt Landshut, Straubing, Schärding, Pfarrkirchen und nahm seinen Wohnsitz zu Landshut; H. der jüngere bekam Deggendorf, Landau, Dingolfing, Vilshofen, Natternberg mit dem Wohnsitze Deggendorf; Otto IV. den südöstlichen Theil mit Burghausen. Trotz der Theilung brach wieder Streit zwischen H. dem älteren und den beiden anderen Herzogen aus. Daß diese gegenüber dem älteren zusammenstanden, hatte schon vor der Theilung ihr Vertrag vom 1. Juli 1331 gezeigt, durch den sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten. Kaiser Ludwig unterstützte sie und belagerte, nachdem eine von König Johann zwischen ihm und H. dem älteren vermittelte Sühne vom 12. April 1332 ohne Erfolg geblieben war, vom 4. Juli bis 20. August Straubing. Mittlerweile (17. August) hatten Johann von Böhmen und Balduin von Trier zu Nürnberg eine neue Sühne verabredet, wonach es bei der Theilung von 1331 bleiben sollte. Schon am 6. November 1332 aber ward dieser Beschluß wieder umgestoßen, indem die beiden Heinriche ihre Landestheile zu gemeinsamer Regierung zusammenwarfen. Wenn H. eine Zeit lang die deutsche Königs- und die Kaiserkrone zugedacht [472] war, so verdankte er diese Ehre viel weniger persönlichen Vorzügen als seiner Verwandtschaft mit Ludwig einerseits, mit Johann von Böhmen anderseits. Was wir von seinem Auftreten bei dieser Gelegenheit erfahren, verräth nur Unklugheit und Mangel an Selbstbeherrschung. Als nämlich Kaiser Ludwig seine Aussöhnung mit Papst Johann trotz aller Zugeständnisse nicht durchsetzen konnte, tauchte der Plan auf, daß er zu Gunsten seines niederbairischen Vetters auf das Reich verzichten solle. Indem er so die päpstliche Absolution erlangte, die an seinen Rücktritt vom Reiche geknüpft war, sollte die Krone gleichwol dem wittelsbachischen Hause erhalten bleiben. Ausgeheckt aber war der Plan wol nicht von Ludwig selbst, sondern von Heinrichs Schwiegervater, dem Böhmenkönige, der sich dadurch beherrschenden Einfluß im Reiche zu sichern gedachte. Im November 1333 ward zu Rothenburg an der Tauber über die Sache verhandelt. Schon stellte Ludwig seinem Vetter einen förmlichen Verzicht aus (derselbe ist in seinem Wortlaute nicht bekannt, auch kaum erhalten, da ihn der Kaiser nach der Erwerbung Niederbaierns an sich gezogen haben wird), ließ sich aber von H. am 19. November 1333 versprechen, daß er denselben nicht vorzeigen, noch daß er Kraft haben solle, ehe die volle Versöhnung zwischen Papst und Kaiser eingetreten sei. Im December wurden die Verhandlungen in Gegenwart Ludwigs, Heinrichs, König Johanns und Rudolfs von Sachsen zu Frankfurt fortgesetzt. Die Mehrzahl der Kurfürsten gab ihre Zustimmung. Der französische Hof sollte dadurch gewonnen werden, daß Ludwig wie H. die Abtretung alles Landes von der Franchecomté bis nach Marseille, von der Rhone und Saone bis an die Grenzen der Lombardei an Frankreich gewährleisteten. Eine in der französischen Kanzlei bereits vorbereitete Urkunde hierüber ward von H. am 7. December ausgefertigt. Johann von Böhmen sollte, wie es scheint, einen Theil von Italien als Königreich erhalten. Die Curie war anfangs wol mit dem Plane einverstanden. H. hatte nicht versäumt, auch seinerseits eine Gesandtschaft nach Avignon abzuordnen. Als aber die Dinge soweit gediehen waren, setzte er sich über den Revers hinweg, den er Ludwig ausgestellt hatte. Noch ehe des Kaisers Lossprechung vom Banne erfolgt war, ging er in die rheinischen Gegenden und suchte unter Entfaltung prunkenden Aufwandes die Reichsstädte, namentlich Aachen zur Huldigung zu bewegen. Eben bei dieser Gelegenheit aber trat, wie es scheint, eine Anhänglichkeit der Städte an Ludwig zu Tage, welche in Verbindung mit seinem Aerger über Heinrichs Voreiligkeit und mit einem neuen Aufschwunge der theologischen Opposition gegen Papst Johann den Wankelmüthigen bestimmte, den ganzen Plan fallen zu lassen und sich zur Behauptung der Krone zu ermannen. Auch war das Project auf heftigen Widerspruch der Könige von Ungarn und Neapel und der italienischen Welfen und Gibellinen gestoßen; Robert von Anjou und die italienische Liga hatten durch eine Gesandtschaft beim Papste dagegen Vorstellungen erhoben. H., in seinen Hoffnungen kläglich getäuscht, mochte die Schuld des Mißlingens wol mehr im Kaiser als in sich und in den Verhältnissen suchen. Er machte seinem Unmuthe in kleinen Einfällen in Ludwigs Lande Luft. Indessen ward bei einem Besuche, den ihm Ludwig im October 1334 in seinem Lande abstattete, das gute Verhältniß zwischen beiden wol wiederhergestellt. Bald aber erhielt es durch andere Vorfälle einen klaffenden Riß. Nachdem am 18. Juni 1333 Heinrich der Natternberger, ohne Kinder zu hinterlassen, gestorben war, hatte sich H. der ältere mit seinem Bruder Otto über dessen Erbe überworfen. Mit Uebergehung des Bruders hatte Otto am 11. October 1333 zu Eßlingen seinen Landestheil für den Fall seines und seiner Gemahlin Reichgard kinderlosen Todes dem Kaiser vermacht. Am 21. April 1334 überließ Otto auch die Entscheidung über das Erbe des Natternbergers dem Kaiser. Ehe jedoch eine solche erfolgte – wenigstens ist nichts davon bekannt – starb auch Otto söhnelos am 14. December 1334. Seine Wittwe [473] Reichgard wiederholte darauf zu Wasserburg zu Gunsten des Kaisers das Vermächtniß ihres Gemahls für den Fall ihres Todes und erklärte, ohne Ludwigs Zustimmung sich nie mit ihrem Schwager verständigen zu wollen. Dieser aber erkannte die einseitigen Verfügungen des Bruders und der Schwägerin nicht an, ging nach Burghausen und zog die Regierung des ottonischen Landestheils an sich. Dazu kam der schroffe Zwiespalt, der damals zwischen Heinrichs Schwiegervater und dem Kaiser aus dem kärntisch-tirolischen Erbschaftshandel erwuchs. Ein Waffenstillstand zwischen beiden Parteien, dem auch H. beitrat (15. Sept. 1335), hielt den Ausbruch des Krieges noch mehrere Monate auf. Im Juli 1336 aber brach der Kaiser mit einem sehr starken Heere bei Kelheim in Niederbaiern ein, durchzog verwüstend das ganze Land bis Schärding und vereinigte sich mit Otto von Oesterreich. Dagegen kam König Johann seinem Schwiegersohn zu Hilfe. Bei Landau lagen sich beide Heere zwölf Tage gegenüber, ohne daß es zu einer Schlacht kam. Dann zog der Kaiser gegen Osten ab, um Böhmen anzugreifen; König Johann folgte ihm, sein Land zu vertheidigen. H. blieb zurück und da der Kaiser bald umkehrte und an der Donau bis Passau, dann am Inn und an der Salzach heraufzog, suchte er ihm, doch ohne Erfolg, den Uebergang über den letzteren Fluß zu wehren. Er rühmt die guten Dienste, welche ihm die Stadt Landshut in diesem Kriege geleistet. Unter Scharmützeln zogen die Gegner an die Isar, wo etwa zu Ende September die Feindseligkeiten eingestellt wurden. Ein Frieden oder doch Waffenstillstand scheint damals geschlossen worden zu sein, dessen Beurkundung jedoch nicht vorliegt. Schon am 8. October soll der Kaiser dem Papste mitgetheilt haben, daß er den Herzog H. neben dem Grafen von Jülich zu seinem Prokurator bei der Curie ernannt habe; indessen steht Heinrichs Name in dieser Nachricht nicht ganz fest und bald darauf (28. Oct.) begegnet nicht H., sondern Ruprecht von der Pfalz neben dem Jülicher als des Kaisers Gesandter an die Curie. H. soll 1337 durch eine Gesandtschaft in Avignon wegen seiner früheren Verbindung mit Ludwig Absolution erbeten und dieselbe erhalten haben. Daß er von Seite des Kaisers damals wenigstens nichts befürchtete, wird dadurch sichergestellt, daß er im Januar 1337, um sich das Verdienst der Heidenbekämpfung zu erwerben, mit seinem Schwiegervater gegen die Litthauer zog. Größere Waffenthaten hinderte dort die Ungunst der Witterung, aber als Stützpunkt für künftige Unternehmungen erbaute und armirte der Herzog auf dem linken Ufer der Memel zwischen Tilsit und Kowno die Baierburg. Der Kaiser aber hatte seine Absicht auf Niederbaiern-Burghausen noch nicht aufgegeben und vereinbarte am 10. Januar 1339 in Nürnberg mit Bevollmächtigten der Herzoge Albrecht und Otto von Oesterreich ein Angriffsbündniß gegen seinen niederbairischen Vetter und Theilung der etwaigen Eroberungen. Gegenüber dieser Gefahr, von zwei Gegnern in die Mitte genommen zu werden, fand H. eine Annäherung an den Kaiser gerathen. In dem Ingolstädter Frieden vom 18. Februar 1339 verabredete er mit diesem, daß sein einziger Sohn Johann des Kaisers Tochter Anna heirathen sollte. Zugleich ward er vom Kaiser beauftragt, einen Ausgleich zwischen diesem und der Stadt Regensburg zu vermitteln. Die Hochzeit der beiden Kinder ward schon am 18. April 1339 zu München gefeiert. Erst kurz vor seinem Ende entzog sich so H. dem Einflusse und den Wünschen seines Schwiegervaters, der ihn seit dem Hochzeitstage beherrscht hatte. Der Herzog starb am Aussatze, am 1. oder 2. September 1339, nachdem er die Vormundschaft über seinen erst zehnjährigen Sohn und die Verwaltung Niederbaierns dem Kaiser übertragen hatte. Seine Wittwe Margarethe kehrte nach Prag zurück, wo sie am 11. Juli 1341 starb. Der junge Herzog Johann aber folgte seinem Vater schon am 20. December 1340 im Tode, worauf Ludwig Niederbaiern an sich zog und [474] nach fünfundachtzigjähriger Trennung die beiden Landeshälften wieder vereinigt wurden.
Heinrich XIV., Herzog von Baiern (oder der II. von Niederbaiern), geboren wahrscheinlich am 29. September 1305 als Sohn Herzog- Eine Uebersicht der Quellen bieten Böhmers Wittelsbachische Regesten, S. 105–128. S. ferner Quellen und Erörterungen zur bairischen und deutschen Geschichte, VI. Bd. v. Weech, K. Ludwig und König Johann. C. Müller, der Kampf Ludwig d. B. mit der römischen Curie, bes. Bd. I S. 393. Riezler, Geschichte Baierns, II. Bd. Preger, Beiträge u. Erörterungen z. Gesch. d. deutschen Reichs i. d. J. 1330–1334.