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ADB:Henrici, Georg Heinrich

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Artikel „Henrici, Georg Heinrich“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 785–786, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Henrici,_Georg_Heinrich&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 13:58 Uhr UTC)
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Henrici: Georg Heinrich H., geb. in Goslar am 17. März 1770. † ebendas. am 10. September 1851, Sohn eines Pastors, besuchte die Studienanstalten seiner Vaterstadt und bezog im J. 1788, bereits mit einiger Kenntniß der Schriften Kants ausgerüstet, die Universität Jena, wo er Philosophie und Theologie studirte; außer den Vorlesungen K. L. Reinholds hatte auch Schillers Antrittsrede (1789) so mächtig auf ihn gewirkt, daß er die Philosophie als Lebensberuf zu wählen gedachte. Seine in Gesprächsform verfaßte Erstlingsschrift „Fordern große Tugenden oder große Verbrechen mehr Geisteskraft?“ (1795) wendete sich gegen die Meinung, daß in hervorragenden Verbrechern sich eine bedeutende Stärke des Geistes kundgebe. Nachdem er am 28. Octbr. 1797 mit einer „Dissertatio de Wollastonis principio morali“ promovirt und zugleich sich habilitirt hatte, las er über Ethik und über Naturphilosophie. In diese Zeit fällt sein „Kritischer Versuch über den obersten Grundsatz der Sittenlehre“ (erster und einziger Theil, 1799), sowie eine philosophische Erzählung „Charlotte Sampson oder Geschichte eines jüdischen Hausvaters, der mit s. Familie dem Glauben s. Väter entsagte“ (1800) und außerdem eine Uebersetzung zweier französischer Romane. Nach der Schlacht bei Jena (1806) kehrte er nach Goslar zurück, wo er als Privatgelehrter seine rechtsphilosophischen Ansichten zu veröffentlichen begann; es erschien: „Grundzüge zu einer Theorie der Polizeiwissenschaft“ (1808) und hiezu „Nachtrag“ (1810, zugleich eine Antikritik), sodann das Hauptwerk „Ueber den Begriff und die letzten Gründe des Rechts“ (2 Bde., 1810, 2. Aufl. 1822). Auf Grund dieser Leistung sollte er als Professor der praktischen Philosophie nach Wittenberg berufen werden, es erfolgte jedoch zur selben Zeit die Aufhebung dieser Universität, und so verblieb er in Goslar. Ueber die mißlichere Lage des Schriftstellererwerbes wurde er hinausgehoben, indem er zunächst Predigtaushilfe leistete und hierauf (1817) die zweite Pfarrstelle an der Marktkirche zu Goslar erhielt, worauf später (1828) die Anstellung als städtischer Superintendent folgte. Wie sehr er als Prediger und Seelsorger beliebt und geachtet gewesen, konnte er durch das thatkräftige Auftreten der Bürgerschaft erfahren, als sich (1831) das unbegründete Gerücht verbreitete, daß ihm in Folge einer freisinnigen Neujahrspredigt Gefangennehmung drohe. Außer einem Gedichte „die Rettung des Vaterlandes“ (1820) und einer Sammlung von Predigten und religiösen Gelegenheitsreden (1831) veröffentlichte er: „Ueber die Unzulänglichkeit eines einfachen Strafrechtsprincips nebst einem Anhange über die Todesstrafe“ (1839, 4. Aufl. 1851). Die freiere Richtung, welche er überhaupt als Theologe vertrat, bethätigte er in zwei anonymen Schriften: „Ueber die Bedeutung der Worte Geist, Geist Gottes und Heil. Geist in der Bibel" (1845, 2. Aufl. 1847), worin er, ohne gerade mit philologischer Genauigkeit die Geschichte des Wortes πνεῦμα zu verfolgen, den Nachweis versuchte, daß das Dogma betreffs der dritten Person nicht in der Bibel begründet ist, und „Ueber das Bedürfniß einer verbesserten Bibelübersetzung statt der lutherischen und über das, was der protestantischen Kirche jetzt vorzüglich Noth thut“ (1849), wobei er sich gegen den Symbolzwang der Orthodoxie erklärte. Gleichzeitig veröffentlichte er „Ueber das zunehmende Bedürfniß einer Reinigung der deutschen Sprache von Fremdwörtern“ (1848), woselbst der Grundgedanke betreffs der Forderung nationaler Einheit sicher achtungswerth ist, aber doch im Anschlusse an Campe viele Uebertreibung mit unterläuft; ferner: „Die Buchdruckerkunst nach ihrem Einflusse auf Wissenschaft, Religion, Gesittung und bürgerlichen [786] Verkehr“ (3. Aufl. 1849); ja auch in die Naturwissenschaften griff er ein durch „Ideen zu einer philosophischen Begründung der Heilwissenschaft“ (1847), indem er grundsätzlich eine Theorie des Nervensystems durchzuführen versuchte. – Das Bedeutendere in der schriftstellerischen Thätigkeit Henrici’s liegt auf dem Gebiete der Rechtsphilosophie, in welchem er eine ausgedehnte Belesenheit zeigt, so daß er auch betreffs der Geschichte dieser Disciplin trotz mancher eckigen Manieren immerhin Verdienste beanspruchen darf; in philosophischer Beziehung vertritt er mit Absicht und Bewußtsein einen Rationalismus des sog. gesunden Menschenverstandes und verhält sich somit spröd nicht nur gegen Fichte, Schelling und Hegel, sondern auch gegen Kant, dessen Rechtsprincip er als ein nur formalistisches verwirft. Er selbst begründet in einer an Krause erinnernden Weise die Rechtsordnung auf die Idee der Unverletzbarkeit der unveräußerlichen Menschengüter oder der Urbedingungen des menschlichen Gesammtwohles, woneben er dann das Recht im subjectiven Sinne lediglich als Zwangsbefugniß, d. h. als Ermächtigung zur Verpflichtung Anderer faßt. Vom Rechtsgebiete scheidet er die Polizei, welche den Staatszweck nicht nach rechtlichen Grundsätzen, sondern nach den Gesetzen des physischen Causalzusammenhanges fördere und in solcher Weise auch das Finanzwesen und alle Zweige der Verwaltung umfasse. Was das Princip des Strafrechts betrifft, fordert er eine durchdringende Vereinigung des Abwehrungs- oder Abschreckungs- und des Vergeltungssystemes, d. h. der sog. absoluten und relativen Theorien; die Todestrafe will er ausschließlich auf den Mord beschränkt wissen.

Wilh. Henrici, Lebensbeschreibung des weiland Superintendenten Georg Heinrich Henrici. Goslar 1852.