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ADB:Henrici, Christian Friedrich

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Artikel „Henrici, Christian Friedrich“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 784–785, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Henrici,_Christian_Friedrich&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 14:18 Uhr UTC)
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Henrici: Christian Friedrich H. (genannt Picander), Dichter, wurde den 14. Januar 1700 zu Stolpen bei Dresden geboren, wo sein Vater Posamentirer war. Nachdem er die Stadtschule besucht, bezog er 1719–1720 die Universitäten Wittenberg und Leipzig, wo er zwar die Rechte studirte, dabei aber den größten Theil seiner Zeit auf die Verfertigung von Gedichten der verschiedensten Art verwendete und darin eine solche Uebung sich erwarb, daß sie ihm nicht allein seinen Unterhalt, sondern bald darauf auch verschiedene Aemter mit ansehnlichen Einkünften verschaffte. Durch mehrere den Königen August II. und III. von Polen überreichte Gedichte nämlich hatte er sich deren Gunst und Gnade erworben, so daß er schon 1727 Actuar bei dem Oberpostamte zu Leipzig, dann Postsecretär und endlich Oberpostcommissarius wurde. Dazu wurde ihm 1740 noch die Kreis-Landsteuer- und die Stadt-Tranksteuereinnahme zu Leipzig nebst der Weininspection ertheilt. Zu allen diesen Aemtern war ihm lediglich die Dichtkunst behilflich gewesen, und als Inhaber derselben starb er auch in dieser Stadt den 10. Mai 1764. Seinen Beinamen „Picander“ (vom lat. pica Elster und dem griech. ἀνήρ Mann) soll er deswegen angenommen haben, weil er im J. 1722 als Student auf dem Dorfe Niederglaucha bei Düben nach einer Elster geschossen, statt dieser aber einen Landmann, der ein Elsternnest ausnehmen wollte, getroffen und stark beschädigt hatte. Unter mehreren von ihm veröffentlichten Sammlungen von Gedichten und Gelegenheitspoesien ist sein Hauptwerk „Ernst-schertzhafte und satyrische Gedichte“, das in mehreren Auflagen zu Leipzig 1727–1737 erschien, nachdem er bereits ein Jahr zuvor (Berlin 1726) seine „Deutsche Schauspiele“ (akademischer Schlendrian, Erzsäufer, Weiberprobe) herausgegeben hatte. Als ein posthumes Werk erschien noch 1768 (Klotz, deutsche Bibliothek, 733) „Sammlung vermischter Gedichte“. Unter allen diesen Dichtungen sind blos seine Schauspiele von bleibendem Werthe, weil sie nicht blos mit komischer Kraft und Lebendigkeit des Dialogs ausgestattet sind, sondern auch weil er in denselben, wie früher (1697) Schoch in seiner „Comödie vom Studentenleben“, die Lebensweise der Studenten auf den deutschen Universitäten seiner Zeit und namentlich zu Leipzig sowie die verderbten Sitten des damals herrschenden Geistes überhaupt auf eine anziehende und drastische Weise schildert. Seine übrigen Gedichte sind mehr als Reimereien zu bezeichnen, mit denen er schon in seinem 14. Lebensjahre begonnen hatte. Obgleich nicht ohne Talent zur Poesie hatte H. dasselbe doch eben so wenig als der schlesische Dichter Günther ausgebildet und es eben so übel wie dieser oder der berüchtigte Menantes angewendet. Vielmehr suchte er durch geschmacklosen Witz und grobe höchst unsittliche Scherze, wodurch besonders seine „Quodlibete“ berüchtigt sind, rohere Seelen zu vergnügen und dieß ist ihm denn auch vortrefflich gelungen. Dafür aber ward ihm die Verachtung des feineren Theiles seiner Zeitgenossen sowol als der Nachwelt zum verdientesten Lohne. Dagegen verdankt ihm in anderer Beziehung die Sprichwörterkunde und deren Lexicographie sehr schätzbare noch ungewürdigte Beiträge, da alle seine Gedichte von Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten und mitunter den seltensten strotzen, die allerdings sehr oft obscönster Natur sind und aus sehr groben Unfläthereien herausgelesen werden müssen; die „satyrischen Gedichte“ allein weisen 309 proverbiale Ausdrücke auf, darunter 15 Priameln. Nicht minder auch ist ihm die geistliche Liederpoesie zu Dank verpflichtet für 68 sehr wohlgelungene Lieder, die größtentheils[1] in Gesangbücher übergegangen sind und unter denen besonders „Liebster Jesu, wilstu scheiden“, „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt“ und „Wer weiß, wie nahe mir mein Ende“[1] hervorzuheben sind. Auch ist er (Zeitschrift „Daheim“ 1872, 306–7) der Verfasser vieler Texte zu seines Freundes Sebast. Bach [785] Compositionen und unter diesen auch zu des letzteren berühmter Passionsmusik (vgl. Bd. I. S. 734).

Wolff, Encyklopädie III, 39–43. Hirsching, Handbuch VII, 2. 233. Goedeke, Gr. II, 939. Laube, Gesch. d. Lit. I, 322. Vilmar, Literaturgesch. S. 601. Wetzel, geistl. Liederdichter IV, 225.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. a b c S. 784. Z. 4 v. u.: Statt „größtentheils“ muß es richtiger heißen: „nur zu einem geringen Theile“. Das Z. 3 v. u. angeführte Lied ist: „Wer weiß wie nahe mir mein Ende, ob heute nicht mein jüngster Tag“; nicht zu verwechseln mit dem berühmteren Liede gleichen Einganges der Gräfin Aemilie Juliane v. Schwarzburg (s. A. D. B. I, 127): „Wer weiß wie nahe mir mein Ende, hin geht die Zeit, her kommt der Tod“. – Zur Litteratur für Henrici ist noch hinzuzufügen: Jördens, Lexicon Bd. 2, S. 349 ff. [Bd. 25, S. 795]