ADB:Hirzel, Heinrich (reformierter Theologe)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hirzel, Heinrich“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 373–375, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hirzel,_Heinrich_(reformierter_Theologe)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 20:56 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Hirt, Johann
Band 50 (1905), S. 373–375 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand August 2016, suchen)
Heinrich Hirzel in Wikidata
GND-Nummer 11691632X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|50|373|375|Hirzel, Heinrich|Gerold Meyer von Knonau|ADB:Hirzel, Heinrich (reformierter Theologe)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11691632X}}    

Hirzel: Heinrich H., schweizerischer Theologe und Träger gemeinnütziger Bestrebungen, geboren am 17. August 1818 zu Zürich, † ebendaselbst am 29. April 1871. Sohn des 1792 geborenen, 1851 verstorbenen Johann Kaspar H., der in seiner Schrift: „Wanderungen in weniger besuchte Alpengegenden der Schweiz“ (1829) und als Sammler von Mineralien sich vortheilhaft bekannt gemacht hatte, auch im Jahr 1831 für kurze Zeit Mitglied des Regierungsrathes geworden war, stammte H. durch seine Mutter als Enkel von Hans Konrad Escher von der Linth (s. A. D. B. VI, 365–372), von dessen thatkräftigem Geiste vieles auf ihn übergegangen ist. Schon in der Jugend zeigte H. seine Willenskraft, indem er den Namen des Spielgefährten, durch dessen Unachtsamkeit beim Spiele der Knaben er auf einem Auge die Sehkraft verloren hatte, niemals verrieth. Die in Zürich begonnenen theologischen Studien setzte er insbesondere in Tübingen in der Baur’schen Schule fort. Nach einem Vicariat bei dem wohl erfahrenen, als Tacitus-Kenner geschätzten Pfarrer Gutmann in Meilen, am Zürichsee, kam H. 1847 in die sehr schwierige Stellung eines Pfarrverwesers in der Berggemeinde Sternenberg, an der Ostgrenze des Kantons Zürich. Durch Vernachlässigung von Seite der Gemeindevorsteherschaft, durch ökonomische Belastung und Theuerung der Lebensmittel war eine außerordentliche Ueberwachung für Sternenberg nothwendig geworden, und der Regierungsrath beauftragte damit, neben einem Commissar, eben den jungen Verweser des Pfarramtes. Die Reorganisation war hauptsächlich sein Verdienst, indem er, wo es nothwendig war, auch mit Strenge eingriff. Er suchte die Einwohner moralisch zu heben, die Thätigkeit fruchtbringend zu beleben, die Ausgaben zu regeln, und als der Commissar den übergroßen Anstrengungen erlag, war nun vollends nach dessen Tode H. der Träger aller dieser Arbeit. So stiftete er auch einen Armenverein, der [374] selbst rathend und helfend eingriff, aus Jünglingen aller Theile der weitverzweigten Gemeinde. Doch 1850 folgte er einem Rufe an die Kirche von Höngg, einem Dorfe bei Zürich. Im gleichen Jahre trat er auch als Mitglied des Großen Rathes in das politische Leben ein. Von Höngg wurde er 1857 als Diakon an die St. Peters-Kirche der Hauptstadt Zürich gewählt, zu deren Pfarramte er 1870, kurz vor seinem Tode, vorrückte; sein Amtsgenosse an der Kirche war zuletzt sein gleichgesinnter Freund Lang (s. A. D. B. XVII, 598–600). – Blösch nennt – in seiner „Geschichte der schweizerisch-reformirten Kirchen“ – den „warmherzigen und edel denkenden Pfarrer zu. St. Peter“, „der, wie kaum ein zweiter, mit persönlich aufopferndem Wirken die praktisch-socialen Aufgaben des kirchlichen Amtes zu lösen unternommen hat“, „das Ideal eines Reformers“. Der Thatendrang Hirzel’s konnte sich da in Zürich alsbald auch in der Neugestaltung des städtischen Schulwesens darthun; er selbst hielt am 7. Mai 1861 in seiner Kirche bei Eröffnung der neu organisirten Stadtschulen die Eröffnungsrede; und ebenso entsprach es im gleichen Jahre seiner regen Theilnahme an der Hülfsthätigkeit für das abgebrannte Glarus (s. A. D. B. XLVII, 27), daß er auf dem dortigen Landgemeindeplatz am Rande der großen Brandstätte seine ergreifende Predigt: „Gott hilft“ hielt. Ueberhaupt war sein gemeinnütziges Wirken, sowol in den dafür bestehenden Vereinigungen, als in seiner eigenen Kraft, ganz umfassend, in vollster Hingebung, die er persönlich muthvoll bei der gefährlichen Cholera-Epidemie 1867 in Zürich bewährte. Dabei bestand für H. keine Differenz in Glaubensansichten, und so zählte er zu den wärmsten Förderern Gustav Werner’s (s. A. D. B. XLII, 50–56), der in seinen eine Zeit hindurch großen ökonomischen Verlegenheiten auf Hirzel’s Antrieb hauptsächlich aus Zürich Hülfe empfing; ebenso hatte es ganz der Sinnesart Hirzel’s entsprochen, daß eine an Wärme des Gefühls ihm gleichstehende Schwester, ohne ihren Angehörigen ein Wort zu sagen – erst nach ihrem Tode fanden sie den abschlägigen Antwortbrief aus Stuttgart –, sich an die höchsten kirchlichen Behörden Württembergs gewandt hatte, um – freilich vergeblich – die Bitte für Zurücknahme der Streichung Werner’s aus den Dienern der Kirche des Königreichs auszusprechen. Zu Hirzel’s Thaten zählt auch die Entdeckung des Bauerndichters Franz Michael Felder, zu Schopernau im Bregenzer Walde, für weitere Kreise, dessen Empfehlung an den Verleger Salomon Hirzel in Leipzig. Im übrigen freilich gehörte H. als Theologe völlig der Richtung der durch Lang redigirten „Zeitstimmen aus der reformirten Kirche der Schweiz“ an; diese brachte er auch 1860 gegenüber Tholuck bei allem Wunsche, das Gemeinsame gegenüber dem ihm 1859 in der Versammlung der Schweizer Predigergesellschaft bekannt gewordenen Vertreter des entgegengesetzten Lagers zu betonen, in der in weiteren Kreisen Aufmerksamkeit erregenden „Rechenschaft von unserem Glauben“ zum Ausdruck. Hatte Tholuck in seiner auf Hirzel’s „Gruß in die Ferne“ gegebenen Antwort dessen Hingabe an das Amt, die begeisterte Beredsamkeit und seelsorgerische Thätigkeit, wie solche einem jeden im Dienste der Kirche Stehenden nur zu wünschen sei, ganz anerkannt, aber an Hirzel’s Theologie Kritik geübt, so war Hirzel’s Gegenrede „schwungvoll und begeistert“, „ein Einsetzen der ganzen Persönlichkeit“, so daß Finsler (s. A. D. B. XLVIII, 558) in seiner streng objectiven „Geschichte der theologisch-kirchlichen Entwicklung in der deutsch-reformirten Schweiz seit den dreißiger Jahren“ geradezu urtheilte: „Ich weiß nicht, ob im ganzen Verlaufe unseres theologischen Streites etwas Besseres zu Gunsten der neueren Theologie geschrieben worden ist“. So war H. in seinem ganzen öffentlichen Auftreten, thatkräftig, im Kampfe auch zuweilen rücksichtslos und [375] gewaltsam eingreifend, aber als Mensch gewinnend und nach Versöhnung strebend. Diese Gesinnung bewies er auch in dem schweren körperlichen Leiden, das dem muthig erwarteten Tode vorausging.

Nekrologe erschienen nach dem Tode in der Neuen Zürcher Zeitung, Lang’s Zeitstimmen aus der reformirten Kirche der Schweiz, bes. Altheer’s Religiösem Volksblatt, der Schweizerischen Zeitschrift für Gemeinnützigkeit (1871: S. 290–306). – Vgl. weiter G. Schönholzer, Pfarrer Heinrich Hirzel von St. Peter genannt „der Helfer“ (Zürich-Enge 1894) (als Mscr. für Freunde gedruckt). Dazu persönliche Erinnerung.