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ADB:Escher, Hans Conrad

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Artikel „Escher (von der Linth), Hans Konrad“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 365–372, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Escher,_Hans_Conrad&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 05:00 Uhr UTC)
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Escher (von der Linth): Hans Konrad E. v. d. L., geb. 24. August 1767 in Zürich, † 9. März 1823, schweizerischer Staatsmann und hervorragend durch gemeinnützige Thätigkeit. – E. stammte in vierter Generation von dem Bürgermeister Heinrich E. (s. d. Art.) und war ein Bruderssohn des Statthalters Heinrich E. (s. d. Art.). Der Vater Escher’s war Mitglied der zürcherischen Regierung und betrieb daneben gemeinsam mit seinen Brüdern im „Seidenhof“ ein blühendes Geschäft; außerdem übernahm er 1777 nach dem Tode des Bruders Heinrich die von seinem Vater angekauften Gerichtsherrschaften Keffikon und Islikon. So wurde der junge Hans Konrad, von zwölf Kindern der zweite Sohn aus des Vaters zweiter Ehe, unter sehr günstigen äußeren Verhältnissen einer trefflichen Erziehung theilhaft, und obschon er für die Manufactur des Vaters bestimmt war, gestattete derselbe doch dem Sohne, nach einem Aufenthalte in Genf, 1786 noch eine größere Reise, vorzüglich zum Besuche einer deutschen Universität. Nach einem Aufenthalt in Paris und in England war E. 1787 [366] und 1788 während zwei Semestern in Göttingen, wo vorzüglich Heyne sehr anregend auf ihn einwirkte, während für die Naturwissenschaften, welchen E. schon in Genf sein Augenmerk zuzuwenden begonnen hatte, weniger Förderung gefunden wurde, als der eifrige Student erhofft hatte. Durch Oesterreich und Italien kam E. im Herbst 1788 nach der Heimath zurück. „Und nun auf immer dein, o Vaterland“: waren die Schlußworte seines Reisetagebuches. – Nahezu ein Jahrzehnt verlebte hierauf der junge Kaufmann, welcher 1789 auch seinen eigenen Hausstand begründete, bis zum Ausbruche der helvetischen Staatsumwälzung in fruchtbaren Anstrengungen für seine weitere Ausbildung, wofür er die reiche Muße neben seinem Geschäfte verwendete. Er vertiefte sich in die Kant’sche Philosophie und eröffnete gründliche Forschungen auf geologischem Gebiete, für welche er 1792 seine wissenschaftlichen Alpenwanderungen begann. Schon 1793 entstand dabei in ihm der Vorsatz, auf die 1792 in der helvetischen Gesellschaft durch den trefflichen Patrioten J. Rud. Meier (s. d. Art.) gemachte Anregung hin, die seit den Ueberschwemmungen der J. 1762 und 1764 durch fortgesetzte Vernachlässigung rapid angewachsene Gefahr der Versumpfung des Walenseeufers und des Linththales zum Gegenstande seiner besonderen Untersuchung zu machen. Regelmäßig wohnte E. den Jahresversammlungen der helvetischen Gesellschaft bei, wo er und sein Freund Paulus Usteri (s. d. Art.) mit Gleichgesinnten, besonders mit den Brüdern Rengger (s. d. Art.) von Brugg zusammentrafen; aber auch sonst betheiligte er sich an gemeinnützigen Bestrebungen und dahin zielenden Vereinigungen. Durch öffentliche Vorträge, die er seit 1793 über Politik und Staatswirthschaft hielt, suchte er seine Kenntniß für die reifere männliche Jugend fruchtbringend zu machen; gern übernahm er dann aber, als dieses Vorgehen weitere Nachahmung fand, seit 1796 für sich die naturwissenschaftlichen Vorlesungen, abermals mit besonderer Richtung auf genaue Erkenntniß der heimischen Hochgebirgswelt. Mit gespanntester Aufmerksamkeit verfolgte er daneben die weltgeschichtlichen Begebenheiten, deren weittragende Folgen für die Schweiz er richtig voraussah. Zwar konnte er 1796, wo er also Milizofficier, wie 1793 an der Basler, jetzt an der Schaffhauser Grenze bei den zum Schutze der Neutralität aufgebotenen Truppen stand, angesichts der Verwüstungen des Moreau’schen Rückzuges seiner Mannschaft noch vom Glücke des Vaterlandes und der Pflicht sprechen, dasselbe mit Gut und Blut zu schützen; aber ihn erfüllte die Ueberzeugung, es sei eine letzte Ruhe vor dem Sturme. Schon 1792 hatte ihm sein Studiengenosse Lavater, ein Sohn des berühmten Theologen, dringend über die Unbelehrbarkeit geschrieben, welche bei der Züricher Obrigkeit hervortrete, eine Unentschlossenheit, ein Haschen nach jeder Galgenfrist, eine Lauheit, die bei Ludwig XVI. die ganze Quelle des Unglücks war: „Möchte ein guter Genius ihr den Gedanken einhauchen, ihre Thore zu öffnen, ehe sie die aufbrausende Energie der Landleute zersprengt.“ Mit tiefem Schmerze hatte E. 1792 die thatsächliche Ausscheidung Genfs, wo ihm in Vaucher, seinem früheren Lehrer, ein treuer verständnißvoller Freund lebte, aus der Verbindung mit der Schweiz gesehen. Unfaßbar war ihm 1795 das Auftreten der Züricher Regierung gegen die Stäfner gewesen (s. d. Art. J. J. Bodmer). Als jetzt mit dem Frieden von Campo Formio den Nichtverblendeten das Schicksal der alten Eidgenossenschaft schon deutlich vor den Augen stand und das Zusammenstehen von Obrigkeit und Volk als das einzige vielleicht heilsame Mittel der Erhaltung erschien, suchte E. im November 1797 durch eine persönlich dem Bürgermeister überreichte Bittschrift für die Verurtheilten aus dem Stäfner Handel eine Amnestie zu erzielen. Auch dieses Mittel, die durch die bevorstehende französische Invasion drohenden Erschütterungen zu mildern, wurde abgewiesen, und noch im Januar 1798, zwölf Tage vor der einmüthig beschlossenen Amnestie, ein erneuertes Gesuch [367] Escher’s unfreundlich beantwortet. Allein als nun die Krisis da und „der Horizont so schwarz“ war, wie es die höchste Autorität dem unberufenen, wegen seiner bekannten Gesinnung mißtrauisch betrachteten Warner nicht hatte glauben wollen, richtete sich die Aufmerksamkeit der beiden einander entgegenstehenden Parteien auf den jungen Mann, der seit Jahren nicht den Freunden allein als der in Charakterfestigkeit reifste erschienen war, sondern auch den politischen Gegnern durch seine aufrichtige und aufopferungsfähige Vaterlandsliebe, seine Ueberzeugungstreue und klare Einsicht Achtung abgenöthigt hatte.

Als von der Züricher Regierung am 3. Februar beschlossen worden war, einer Commission aus ihrer Mitte Abgeordnete aus Stadt und Land „zur Erzielung eines bessern Einverständnisses“ beizuordnen, wurde E. durch die Genossen seiner städtischen Zunft in diese „Landesversammlung“ gewählt. Doch nicht nur der Anfang seiner politischen Thätigkeit, sondern auch der nun eine längere Zeit mit regem Eifer und nicht geringem Erfolge durchgeführten publicistischen Arbeit fällt für E. in dieses verhängnißvolle Jahr 1798. Mit seinem Freunde Usteri, den er in der Behörde traf, begründete er den „Schweizerischen Republikaner“, zuerst als Privatunternehmung, da die Mehrzahl noch vor der Oeffentlichkeit des Staatslebens sich fürchtete, bald als amtliche Mittheilung der Verhandlungen. Vergeblich hatte E. bei dem bevorstehenden Angriffe der Franzosen auf Bern wegen der Allen gemeinsamen Gefahr die Ergreifung gemeinsamer Maßregeln zur Abwehr in dieser zürcherischen Versammlung angerathen. Persönlich war er in die Urschweiz gegangen, hatte sich trotz der politischen Meinungsverschiedenheit dem aus Oesterreich angekommenen General Hotze (s. d. Art.) angeboten, falls derselbe eine Armee gegen die Franzosen bilden könne. Kopflosigkeit, Uneinigkeit, offene Hinneigung zum Gegner, der sich als Befreier darstellte, hinderten Alles. Dann ging E. nach dem Falle Berns als Wortführer einer Abordnung der Cantonsversammlung, zur Anknüpfung von Unterhandlungen für Zürich zum Sieger, wo der nackte Egoismus des Gesandten Mengaud, die freche Begehrlichkeit des Generals Brune ahnen ließen, was nach der Besetzung Zürichs eintreffen sollte. Inzwischen hatte im März 1798 die alte Obrigkeit von Zürich ihre Gewalt niedergelegt, und so war der Canton einem Bürgerkrieg entgangen. Die auf den französischen Bajonneten hereingebrachte, vom Sieger aufgenöthigte helvetische Einheitsverfassung, welche die Cantone zu willenlosen Verwaltungsbezirken des centralisirten Gesammtstaates machte, war widerstandslos auch in Zürich angenommen. Sehr gegen seinen Wunsch wurde E. nunmehr in den helvetischen Großen Rath erwählt – man müsse doch einen die französische Sprache verstehenden und höher gebildeten Mann von Zürich aus entsenden, war auf der Landschaft gesagt worden – und mit ihm traf der in den Senat gewählte Usteri am 9. April in Aarau, Helvetiens provisorischer Hauptstadt, ein.

E. und Usteri nehmen als hervorragendste Vertreter ihres Cantons, als Zierden der gesetzgebenden Räthe überhaupt, besonders aber auch wieder als Schilderer der Verhandlungen in dem von ihnen redigirten „Schweizerischen Republikaner“ gemeinsam eine sehr wichtige Stellung in der Geschichte der helvetischen Republik ein. Getragen von reiner Vaterlandsliebe, voll von hohem sittlichem Ernste, dem Parteitreiben ferne bleibend, gleichmäßig und gerecht, freimüthig und unerschrocken, dabei auf eine nicht geringe eigene Erfahrung sich stützend, so bewährte sich E. in den oft leidenschaftlich bewegten Verhandlungen des Großen Rathes als ein edler und tüchtiger Charakter. Muthig in der Verurtheilung der von den Franzosen verübten Gewaltthaten, seiner Ueberzeugung und seinem Rechtsgefühle folgend in der siegreichen Bekämpfung der in der Frage der „Patriotenentschädigung“ – einer Ersatzleistung an die seit 1789 Verfolgten [368] auf Unkosten der gewesenen Obrigkeitspersonen, der „Oligarchen“ – hervortretenden Rachsucht und nackten Begehrlichkeit, im Bewußtsein erfüllter Pflicht verdeckten Angriffen gegenüber das als das Rechte Erkannte festhaltend, so war E. eine von Allen, auch von den Gegnern geachtete Persönlichkeit geworden, und er stand als Präsident an der Spitze des Großen Rathes, als im September 1798 die Räthe nach Luzern übersiedelten. Außerdem war er als Commissionsmitglied und häufiger Berichterstatter noch mit einer Menge von Einzelarbeiten auf zahlreichen legislatorischen Gebieten beauftragt, stets dabei bemüht, auch den bisherigen Verhältnissen, soweit sie es nach seiner Auffassung verdienten, die Fortdauer zu sichern. Aber mit dem J. 1799, als der Coalitionskrieg ausbrach und Helvetien wegen des bei seinem Abschlusse umsonst auch von E. angegriffenen Schutzbündnisses an Frankreich gebunden war, trübten sich die Aussichten, wie denn auch die angesichts der nahenden Kriegsgefahr eingetretene abermalige Verlegung des helvetischen Hauptortes nach Bern E. persönlich unangenehm berührt hatte. Den steigenden terroristischen Maßregeln des helvetischen Directoriums zwar trat E. bei jeder Gelegenheit entgegen und geißelte die von den eigenen Verbündeten verübten Frevel. Wol nicht ohne persönliche Gefahr, falls es der Mehrheit des helvetischen Directoriums, vor allem Laharpe, gelungen wäre, Bonaparte’s Staatsstreich vom 18. Brumaire in der Schweiz nachzuahmen, fuhren E. und Usteri fort, gegen die Willkür aufzutreten, ihr viel gelesenes einflußreiches Blatt Vorschlägen zur Anbahnung einer Versöhnung der Parteien zu eröffnen. Aber am 7. Jan. 1800 vermochte die erstarkte Partei der gemäßigten Mitglieder der Räthe das Directorium selbst aufzulösen und durch einen Vollziehungsausschuß zu ersetzen (vgl. d. Art. Bay), eine Veränderung, welche freilich durch ihre verfassungswidrige Form Escher’s Billigung nicht völlig gewann. Er betonte auch im Großen Rathe, trotz seines Einverständnisses mit dem von Usteri vorgelegten Entwurfe einer neuen Verfassung, daß eine Erklärung an das Volk über den Staatsstreich vorangehen müsse, und die Rechtfertigungsschriften Laharpe’s und eines zweiten ohne Vertheidigung verurtheilten bisherigen Directors wurden in den „Republikaner“ aufgenommen. Indessen gestalteten sich die Verhältnisse der helvetischen Republik immer trostloser; das Gefühl der eigenen Unfähigkeit, der allgemeinen Unsicherheit lähmte die Verhandlungen des Großen Rathes, und E. regte in ernster Weise die aus dem Schoße des Volkes selbst als Wunsch entgegengebrachte Vertagung der unfruchtbar gewordenen gesetzgebenden Räthe an. Als dieselbe endlich im Herbst zu Stande kam, sah er sich jedoch, fast gegen seinen Wunsch, als Mitglied des provisorischen bis zur Annahme einer Verfassung bestellten gesetzgebenden Raths bezeichnet, in welchem er auch anfangs das Präsidium zu bekleiden hatte. Schärfer traten während der Verhandlungen dieser Behörde die Parteirichtungen, als Unitarier und als Föderalisten, auseinander, und zwischen E. und Usteri, welche zwar noch für 1801 ihren „Neuen Schweizerischen Republikaner“ gemeinsam fortzusetzen sich entschlossen hatten, stellte sich allmählich gleichfalls eine Entfremdung ein. Nach einigen in ihrem eigenen Blatte gewechselten Erklärungen über einen unitarisch gefärbten Ausfall Usteri’s gegen den Egoismus des „Städtepöbels“ trat E. am 27. März von der Redaction der Zeitung zurück, ohne daß die persönlichen Beziehungen der Freunde dadurch gestört wurden. Immerhin fühlte es E. als eine Erleichterung, als er mit der Mitte des Jahres seinen Wohnsitz in der Hauptsache wieder nach Zürich verlegen und dort seinen Geschäften leben konnte. Doch zu seinem Schrecken sah sich E. im Januar 1802 nochmals nach Bern, „in dieses Labyrinth der Leidenschaften, der Zerwürfnisse, der Intriguen und des Zufalls“, versetzt, indem er zur Verstärkung des liberalen Elementes in dem überwiegend föderalistischen Senate nebst anderen Gesinnungsgenossen [369] dem Kleinen Rathe beigegeben wurde. Allein auch dieser Versuch einer Vermittlung zwischen den Gegensätzen vermehrte nur die Gährung, welche in einem neuen Staatsstreiche vom 17. April ihren Ausdruck fand. Obschon derselbe von Escher’s Gesinnungsgenossen ausging, verhielt er sich demselben gegenüber ablehnend, und er trat auf längere Zeit vom politischen Leben völlig zurück. Denn auch in der 1803 beginnenden Periode der von Bonaparte auferlegten Mediationsverfassung war E. in keiner bedeutenderen öffentlichen Stellung; nur dem seinen Neigungen vorzüglich entsprechenden Erziehungswesen diente er in seiner Eigenschaft als Mitglied des zürcherischen Erziehungsrathes. Dabei trat er 1807 mit Vorlesungen über das Polizei- und Cameralwesen dem neu begründeten politischen Institute bei.

Gerade in diese Zwischenzeit der politischen Muße fällt jedoch der Anfang des letzten, des eigentlich monumentalen Lebenswerkes Escher’s. Mit erneuerter Lust wandte er sich den geognostischen Studien zu: – er hatte schon 1803 geschrieben: „All das Spectakel bestärkt mich nur in meinem Vorsatze, nie mehr zu ministern: also es leben die Steine!“ – und so weit es ihm seine kaufmännischen Geschäfte gestatteten, erweiterte er fortan durch Reisen seine Kenntniß der Alpen. Aber zugleich treffen in diese Jahre die ersten Arbeiten am Linthwerke.

Mit der Abhülfe gegen die wachsende Verwüstung, welche durch die rasch fortschreitende Erhöhung des Linthbettes, die dadurch verursachte Stauung des Abflusses des Walensees, der Maag, endlich durch die damit in Verbindung stehende Anschwellung dieses Seebeckens selbst herbeigeführt wurde, hatte sich zwar schon vor der schweizerischen Staatsumwälzung die Tagsatzung beschäftigt. Durch den Ingenieur Andreas Lanz aus dem Canton Bern (vgl. Wolf’s Biographien zur Culturgeschichte der Schweiz, 3. Cyclus, S. 357–372) hatte sie Pläne und Berechnungen ausarbeiten und sich 1784 vorlegen lassen: schon von Lanz wurde in erster Linie mit den wichtigsten Gründen jenes Project vorgeschlagen, welches allein helfen konnte und welches auch später durch seine Ausführung half, die Ableitung der Linth direct in den Walensee. Allein einerseits waren die Interessen der anstoßenden Staaten – in erster Linie litten gemeinschaftliche Unterthanenlande der Cantone – zu verschiedenartig, und es mangelte ein einheitlicher ausreichender Wille; andererseits schrak die Tagsatzung vor den Schwierigkeiten und Kosten zurück. So blieb es ungeachtet der sich vermehrenden Gefahr, der Leiden insbesondere der Städtchen Walenstad und Wesen, abgerechnet die schon erwähnten Anregungen der helvetischen Gesellschaft, beim Alten, und vollends die Wirren der Revolutionszeit, wo außerdem die Linthgegend fremden Heeren als Kriegsschauplatz gedient hatte (Gefecht bei Schännis, 25. Sept. 1799), ließen alle derartigen Gedanken ganz in den Hintergrund treten. Jetzt dagegen bestand in der Tagsatzung, wie sie die Vermittlungsacte geschaffen, eine angemessen ausgerüstete Centralgewalt und die Gebiete am Walensee und am rechten Linthufer waren als Bestandtheile des neuen Cantons St. Gallen einem auf frischen Einrichtungen beruhenden Staate einverleibt. Bereits 1803 erhielt die Tagsatzung zu Freiburg einen Plan zur Bildung eines Actienvereins zur Aufbringung der nöthigen Mittel vorgelegt, und zwar war es E., der denselben ausgearbeitet hatte. Im Mai 1804 kehrte E. von einer im Auftrage des Landammanns der Schweiz in Wesen veranstalteten ersten Conferenz schon mit dem bestimmten Vorsatze, an das Werk zu gehen, zurück: „Ich will lieber Sümpfe abgraben, als hier in Zürich regieren“ – schrieb er einem Freunde. Am darauf folgenden 28. Juli beschloß die Tagsatzung zu Bern „über die Austrocknung der Sümpfe im Walensee und der Linth“. Doch jetzt verschleppte sich die Sache von neuem bis 1807, wo erst der Züricher Reinhard (vgl. d. [370] Art.) als Landammann der Schweiz dieselbe wieder thatkräftig an die Hand nahm. Eine bleibende Aufsichtscommission mit E. an der Spitze – sein treuester Gehülfe war Rathsherr Schindler von Glarus – wurde gebildet, eine Schätzungscommission für die finanziellen Verhältnisse aus Angehörigen der drei betheiligten Cantone besetzt, eine „Aufruf an die schweizerische Nation“ erlassen. Unter Anhandnahme der mit Beihülfe Tulla’s (vgl. d. Art.) durchgeführten Vermessungen begannen noch im August und September 1807 die Arbeiten selbst. Sechs Jahre brachte E. von da an größten Theiles in den Linthgegenden zu, in mühsamem Ringen mit den unendlichen Schwierigkeiten, welche nicht blos in der Sache, sondern vielfach auch in der Unvernunft, ja der Böswilligkeit der Einwohner selbst lagen, jener Bevölkerung, um deren Rettung willen sich E. mit solcher Hingabe an die Unternehmung, kein Opfer jeglicher Art scheuend, in reiner Menschenliebe anstrengte. Aber die unendliche aufreibende Hingebung war dennoch von Erfolg gekrönt. Den Bericht einer 1810 an Ort und Stelle erschienenen Commission beantwortete die Tagsatzung mit Verfügungen für Erhöhung des Actiencapitales und mit vollster Anerkennung Escher’s, und am 8. Mai 1811 konnte die Eröffnung des Molliser Canales stattfinden. Fortan floß die Glarner Linth unschädlich in den Walensee. Zugleich schritt jedoch auch an den unteren Theilen des Werkes die Arbeit rüstig vorwärts, trotzdem daß gerade hier die Schwierigkeiten unübersteiglich zu sein schienen, besonders an dem unergründlichen Sumpfe an der Maag zunächst unterhalb Wesen und an der Ziegelbrücke, wo sich die Glarner Linth in ihren früheren Laufe mit der Maag vereinigt hatte, aber auch weiter abwärts bei der Windegg am Fuße des Schänniserberges und im Schänniser Sumpfe. Seit 1808 hatte E. unmittelbar zur eigenen Leitung auch die ganze technische Seite der Aufgabe übernommen. Freilich wurde in der Folge, 1814, durch den Eintritt der Restaurationszeit das Werk mehrfach in seiner Entwicklung gehemmt. Mit dem Umsturz der Mediationsverfassung war die bisherige Centralgewalt entfernt; die Staatsunterstützung mangelte zuweilen und andere widrige Umstände traten ein. Indessen konnte immerhin die Linth wieder in einen neuen Abschnitt des neu geschaffenen Canales eingelassen werden, in den das letzte Hauptstück gegen den Zürichsee hin bildenden Benkener Canal, und 1819 erfreuten Genfer Freunde E. durch den Ausruf aufrichtigen Entzückens: „Quel bonheur d’avoir exécuté une si belle chose!“ Sie hatten mit ihm den Weg durch den Canal von Wesen zum Schlosse Grinau, nahe der Einmündung in den Zürichsee, in 66 Minuten zu Schiffe zurückgelegt. Eine Conferenz der drei betheiligten Cantone – Schwyz, Glarus, St. Gallen – äußerte „das unbedingteste Lob“ über die Ausführung des Linthcanales: „Jeder, der den früheren traurigen Zustand dieser Gegenden kannte und ihn mit dem jetzigen vergleicht, wird erstaunen über die großen und glücklichen Veränderungen, welche zum Theil schon vorgegangen sind, zum Theil noch bevorstehen.“ E. hatte noch 1822 trotz seiner bereits erschütterten Gesundheit sein Auge über alle Einzelheiten des Werkes; aber die Uebergabe der sämmmtlichen Canäle durch die Tagsatzung an die drei Cantone, 14. August 1823, erlebte er nicht mehr. Schon nahezu ein halbes Jahr war er damals todt.

Indessen hatte E. im letzten Jahrzehnt seines Lebens auch wieder staatsmännisch gewirkt. Obschon er mit der 1814 eingetretenen Veränderung in der Schweiz im Allgemeinen und in den Cantonen im Einzelnen nicht einverstanden war und insbesondere das auch in Zürich zu entschiedenem Vortheile der Stadt veränderte Repräsentationsverhältniß im Großen Rathe mißbilligte, ließ er sich bestimmen, seine Kraft den neuen Behörden zu widmen. Im Juli 1814 wurde E. Mitglied des Kleinen Rathes, im December dann in den Staatsrath befördert. Auch in dieser Stellung blieb er seiner freisinnigen Denkart treu und hauptsächlich er verhinderte u. a., [371] im Sinne der Aufrechterhaltung der Handelsfreiheit sprechend, in seiner letzten Lebenszeit 1822 Zürichs Beitritt zum Retorsionsconcordate Berns und anderer westlicher Cantone. Im Auftrag der Tagsatzung verwaltete er 1817 bis 1821 den eidgenössischen Kriegsfond. Als Präsident der Commission für Abhülfe der Noth in den östlichen Gebirgsgegenden des Cantons Zürich, 1816 und 1817, rief er 1818 die landwirthschaftliche Armenschule auf dem Bläsihof bei Kiburg in das Leben, und in ähnlicher Weise wurde 1819 aus einem Theile der 100000 Rubel, welche Kaiser Alexander zumeist aus persönlicher Hochachtung vor dem Schöpfer des Linthwerkes für die Nothleidenden der Nordostschweiz bestimmt hatte, auf einem Landstücke des früheren Ueberschwemmungsgebietes ein ähnliches Institut in der Linthcolonie geschaffen. Schwierig war für E. die gleich anfangs nach seiner Wahl als Mitglied des Kleinen Rathes zugetheilte Aufgabe gewesen, als eidgenössischer Commissar mit dem Appenzeller Zellweger von Trogen zur Herstellung der Ruhe in verschiedenen theils von reactionären, theils von demagogischen Umtrieben unterwühlten Theilen des Cantons St. Gallen zu wirken. Insbesondere in Sargans, wo die Bewegung auf Abtrennung von St. Gallen hinzielte und von Glarus her, wie diejenige in Gaster und Uznach aus Schwyz, geschürt wurde, kam es am 8. Oct. 1814 zu sehr stürmischen Auftritten; doch gelang es schließlich, nicht zum geringsten durch Escher’s Einfluß auf die Linthgegend, ohne Gewaltanwendung die Ruhe wieder herzustellen.

Ganz abgesehen davon, daß Escher’s Ruf als Hydrotechniker infolge der segensreichen Erfolge an der Linth der Anstoß dazu wurde, daß er vielfach um Rathschläge, Denkschriften und Pläne in ähnlichen Angelegenheiten ersucht wurde – so hinsichtlich der Abwendung der Gefahr eines Durchbrechens des Rheines bei Sargans, für die Glattcorrection im Canton Zürich, wegen der Verwüstung des Bagnesthales im Canton Wallis u. s. f. –, war E. auch fortgesetzt wissenschaftlich thätig. 1813 und 1814 hatte er noch für Vorlesungen über Staatswirthschaft am politischen Institute Zeit gefunden, und 1819 war für ihn die würdige Veranstaltung der Säcularfeier der Reformation eine eigentliche Herzenssache. Vorzüglich vertiefte sich E. auf fortgesetzten Reisen – 1822 machte er, mit seinem 1807 geborenen einzigen Sohne Arnold (vgl. d. Art.) die letzte nach Wallis und in die nächsten italienischen Alpenthäler – immer mehr in seine Studien als Gebirgsforscher. Als ruhiger, umsichtiger Beobachter, dabei auf seinen Wanderungen durch eine ausgezeichnete Elasticität und ganz außerordentliche Leistungsfähigkeit als Fußgänger unterstützt, hat E. durch seine Ermittlungen, welche er in getreuen Zeichnungen fixirte, sehr viel zur Kenntniß der geologischen Structur der Schweizer Alpen beigetragen, welche, wie die Schweiz überhaupt, er wol unter allen seinen Zeitgenossen am gründlichsten kannte. Sehr anders, als sein von ihm übrigens sehr geschätzter Mitforscher Ebel (vgl. d. Art.), gegen dessen kühne und geistreiche naturphilosophische Theorien E. 1808 einen einläßlichen Artikel in die Zeitschrift Alpina, Bd. IV., einrückte, folgte E. dem Vorbilde Saussure’s. Trotz seiner unermüdlichen Anstrengungen, seiner reichen Sammlungen und Collectaneen dachte E. sehr bescheiden über seine Ergebnisse: „Ich weiß nur so viel von den Alpen, um allenfalls irrige Vorstellungen, die man sich von ihrer Zusammensetzung machte, berichtigen zu können.“ Aber – so urtheilt der vom Vater in die gleichen Studien eingeführte Sohn Escher’s – ihm verdankt nicht nur die Geologie der östlichen Schweiz fast ihre ganze erste Entwicklung; sondern die Wissenschaft als solche verdankt ihm auch die Entdeckung und klare Darlegung einer Reihe von Thatsachen, die Angelpunkte sind und bleiben werden bei der Frage über die Entstehungsweise der Gebirge.

Man darf sagen, daß Escher’s edle Persönlichkeit – als Sohn und Vater, als Freund, in der Fürsorge für seine Arbeiter am Linthwerke erscheint er gleichmäßig [372] überall als „der Geist der Weisheit“, wie ihm Usteri nachrief, „freundlich, gütig und mild“ – eine ihrer Art einzige Stellung in der Geschichte seines Vaterlandes einnimmt. In einer republikanischer Gewohnheit sonst nicht entsprechenden Weise haben auch die heimischen Behörden das Andenken dieses Mannes anerkannt, welchem geistige und körperliche Ueberanstrengung im Dienste des allgemeinen Besten das Leben verkürzt hatten, dadurch daß sie nach dem Rettungswerke für Tausende dem Verstorbenen und seinen männlichen Nachkommen den Namen „E. von der Linth“ ertheilten. Als die Tagsatzung 1832 dem „Lindemagicus paludibus siccatis de patria bene meritus“ an der Ziegelbrücke angesichts des Canales eine Inschrift anbringen ließ, schloß sie dieselbe mit dem Mahnrufe: „Ihm danken die Bewohner Gesundheit, der Fluß den geordneten Lauf; Natur und Vaterland hoben sein Gemüth. Eidgenossen! Euch sei er Vorbild!“

Vgl. das Hauptwerk von J. J. Hottinger, Hans Konrad Escher von der Linth, Charakterbild eines Republikaners (Zürich 1852), worin von Escher’s Sohn im Anhange eine Würdigung seiner wissenschaftlichen Arbeiten (hierüber auch Oswald Heer, im Festbericht über die VIII. Jahresversammlung des S. A. C. in Zürich, 1871 und Wolf’s Biographien, 4. Cyclus, S. 317–348). Für die Geschichte des Linthwerkes ist die Hauptquelle das „Officielle Notizblatt die Linthunternehmung betreffend“, 3 Bde., Zürich 1807–1824, worin Escher’s eigene Berichte. Daneben vgl. Weyrauch, Der Escher-Linth-Canal (Zürich 1868).