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ADB:Hodenberg, Wilhelm Freiherr von

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Artikel „Hodenberg, Wilhelm von“ von Bodo von Hodenberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 537–540, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hodenberg,_Wilhelm_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 16. Dezember 2024, 08:04 Uhr UTC)
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Band 12 (1880), S. 537–540 (Quelle).
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Hodenberg: Wilhelm Iwan August Benedict v. H., Freiherr, geb. in Hameln am 7. Mai 1786, gest. in Celle 1861. Sein Leben und Wirken gehörte in erster Linie seinem Geburtslande Hannover an, dem er auf den verschiedenen Stufen der Dienstleiter stets mit gleichem Eifer gedient hat. Er huldigte in der Staats- und Gemeindeverwaltung, als Geschichtsforscher und in der Landwirthschaft derjenigen Richtung, welche den Aufschwung des deutschen Volkes nach der napoleonischen Fremdherrschaft gegen die Theorien des büreaukratischen Absolutismus und doctrinären Liberalismus, in der Entwicklung des eignen Volksgeistes und der vorhandenen Organe des öffentlichen Lebens erstrebte. Im unermüdeten Kampfe gegen jene beiden Richtungen, die er als undeutsch und das Volksleben gewaltsam auflösend erkannte, hat er Saaten gestreut und Felder urbar gemacht, deren Früchte noch reifen. Der Druck der französischen Fremdherrschaft, der auf seiner Jugend lastete, – nachdem zwei Brüder bei Talavera gefallen, blieb er alleiniger Ernährer der elterlichen Familie – und die ungebrochene Treue des hannoverschen Volkes, sowie darnach der Freudenrausch der Befreiung des Vaterlandes bestimmten die bis an sein Ende bewährten Charakterzüge: Treue, ungefälschtes Rechtsgefühl mit versöhnlicher Vorsicht, geduldiger Ausdauer, aber auch unerschrockenem Widerstande gegen Gewalt, Unrecht und Trug und andererseits enthusiastisches, fast optimistisches Streben für den geistigen und materiellen Aufschwung seines Vaterlandes. Im Eifer der Wiederherstellung und des Neubaues der Staats- und Gemeindeverwaltung bewährte H. Jahrzehnte lang praktisch und gesetzgeberisch seine schöpferische Begabung. An den bekannten Vorzügen der hannoverschen Gesetzgebung in Umwandlung der Feudalverhältnisse hat er verdienstlichen Antheil. Seine eigenthümliche Organisation des Amts Lilienthal (1821–1838) hat er als Muster einer Katasterordnung und ständischen Gemeindeverwaltung in der Schrift: „Abhandlungen über Staats- und Gemeindeverwaltung“, [538] Hannover 1832, geschildert. In der Einleitung zeichnete er auf Grund bewährter Erfahrungen die Regeln einer richtigen Staatsverwaltung im Gegensatze zu der das Vorhandene willkürlich umstürzenden Centralisation, ein Selfgovernment, nicht wie in England, durch bloßes Erhalten und Sichselbstüberlassen alter Zustände, sondern durch organische, den wechselnden Bedürfnissen entsprechende Einfügung in die Centralverwaltung. Er forderte den Aufbau der Staatsverfassung von unten auf, durch Schonung, Schutz und Belebung der unteren Organe, Freiheit der Mannichfaltigkeit ohne Gleichmacherei in organischer Verbindung mit dem Ganzen, mit Hülfe gründlicher Statistik, unter beständiger Mitwirkung der Gemeinden und Stände; eine „ständische Mitwirkung, welche sich auf die Stufen der Verwaltung – Central-, Provinzial- und Gemeinde-Verwaltung – gleichmäßig verbreite, Unabhängigkeit der unteren Verwaltungen, deren Controlle mehr durch die ständische Einwirkung der Gemeinden selbst, als durch das Einschreiten der Oberbehörden geübt werde“. Diese Grundsätze waren im Kleinen in jener Amtsorganisation durchgeführt, welche zwar von dem büreaukratischen Geiste der Oberbehörden unbeachtet blieb, aber sich so sehr bewährte, daß, als die späteren politischen Bewegungen den nivellirenden Doctrinarismus mit seiner alles organische Leben zerstörenden Gesetzmacherei zur Herrschaft brachten, sie auf Verlangen der Eingesessenen ausnahmsweise erhalten blieb und sogar auf Antrag der benachbarten Gegend auf diese ausgedehnt wurde. Dieses das Vorhandene schonende, pflegende und sorgsam entfaltende, auf Erfahrung gründende legislatorische Talent, welches auch die Vorzüge des französischen Verwaltungsmechanismus verwerthete, die H. als junger Beamter zu schätzen gelernt hatte, erwuchs aus dem liebevollen Verständnisse des deutschen Volkslebens in seiner Mannichfaltigkeit, mit welchem er drei Jahrzehnte lang als Beamter (1814 Drost in Burgdorf, 1815 in Ahlden, 1819 in Siedenburg, 1821 in Lilienthal, 1838 bis 1843 in Harburg) in unmittelbarem Verkehr blieb und sich überall unbestrittene Hochachtung und volles Vertrauen, auch bei den politischen Gegnern erwarb. Die strengen Ansprüche, welche er bei eigner beispielloser Thätigkeit bis in sein höchstes Alter an den Beamten stellte, sowie sein Gegensatz zu dem centralisirenden Büreaukratismus, auch seine uneigennützige Bescheidenheit, mochten die Gründe sein, daß er, obgleich sein Rath und Beihülfe beständig in wichtigsten Commissionen benutzt war, in die höhere Verwaltung erst so spät (1843 zum Landdrost in Lüneburg) berufen wurde, als er dazu nicht mehr Kräfte und Neigung verspürte und der Wahl zum lüneburgischen Landschaftdirector und Abt des Kloster St. Michaelis den Vorzug gab. In der ständischen Vertretung fiel seine langjährige Thätigkeit mit dem Kampfe gegen den Geist der Julirevolution bis 1848 zusammen. Er war schon 1818 Mitglied der zweiten, 1832–1848 der ersten (hannöverschen) Kammer, lange Jahre Generalsyndicus, später Präsident der letzteren. Mit den Koryphäen der deutschen Rechtswissenschaft und den echtfreisinnigen Staatsmännern jener Zeit war sich H., im Gegensatze zum büreaukratischen Absolutismus, des Unterschiedes der obrigkeitlichen Rechtsverwaltung, deren Aufgabe der Rechtsschutz ist, von der Staatsverwaltung, die für das materielle Gemeinwohl sorgt, stets bewußt. Aber zur klaren Formulirung dieses Unterschiedes gelangte jene Zeit nicht; daher kämpfte auch er erfolglos gegen den doctrinären Constitutionalismus, – und sah mit Schmerz, wie man 1848, mit einer formalen Trennung von Justiz und Verwaltung sich begnügend, die Alles umwälzende Gesetzgebungs- und Reglementirkunst zum Triumphe brachte. In dem Widerstande gegen diese Richtung, auf Grund seiner Kenntniß des Volkslebens und seiner Erfahrungen hatte er, gleich anderen Patrioten jener Zeit, die Legitimität – nicht blos dynastischer Rechte, sondern aller Organe der Rechts- und Staatsverwaltung – vertheidigt. Scheinbar dem revolutionären Zuge der Zeit unterliegend, haben [539] sie doch das Programm der deutschen Zukunft vorgezeichnet, aber auch in den Kämpfen selbst dessen Gedanken und Grundsätze vielfach retten können. In der Ueberzeugung, daß die Staatsverfassung von unten auf sich gliedern und erbauen müsse, durch Belebung der vorhandenen berechtigten Organe in ihrer Mannichfaltigkeit und Besonderheit, wie er es im kleinen Kreise geschaffen, aber zugleich in der Einigung für das gemeinschaftliche Staatsinteresse, bekämpfte er vorzugsweise den Irrthum, als ob in den Wahlen erfahrungsloser, dem Parteigeiste folgender Vertreter zu centralisirenden und von obenher reglementirenden Körpern eine freiheitliche Selbstverwaltung des Volks möglich gemacht werden könne. Er verlangte, daß diese sich in unabhängiger Selbstthätigkeit und Controlle bethätige, in wohlverstandener Geltendmachung der Sonderinteressen und Vereinigung mit den allgemeinen Staatsinteressen entfalte und dazu in Gemeinden, Ständen und Provinzen mit der Centralvertretung und Verwaltung organisch verbunden werde. Die Geltendmachung dieses Gedankens scheiterte auch in Hannover an der herrschenden Richtung, welche den Provinzialständen überhaupt keine Befugnisse, der Gemeinde keine Unabhängigkeit und Besonderheit gönnte. Dennoch rettete Hannover in Verfassung und Verwaltung noch mehr als anderswo von solcher Selbstverwaltung. Es war dies vorzugsweise das Verdienst des althannoverschen Beamtenstandes, der, wie H. in seiner Schrift verlangte und mit eignem Beispiel bewährte, in der ständischen Vertretung wie in der Verwaltung sich zugleich als unabhängiger Vertreter des Rechtsschwertes und als ausführendes Organ der Selbstverwaltung in gewissenhafter Vereinigung der besonderen und allgemeinen Interessen wissen sollte. Ungeachtet der patriarchalischen Schwerfälligkeit und Schwäche eines theilweise veralteten Mechanismus hat die hannoversche Verwaltung auf das Schlagendste jenen historischen Irrthum widerlegt, als ob der erst seit Ludwig XIV. in Europa und verschiedenen deutschen Staaten sich erhebende Absolutismus eine altdeutsche Staatsform sei. Denn nicht nur an dem unabhängigen Sinne des Adels und der Städte, sondern – bis 1848 und bis zu dem Borries’schen Regimente – auch an der verständigen, freisinnigen und unermüdlichen Charakterfestigkeit der Beamten, selbst in der ständischen Vertretung, fanden der Absolutismus und dessen Vorläufer, die büreaukratische Willkür, ihre Schranken. Obgleich daher seit Aufhebung des Staatsgrundgesetzes die wachsende Heftigkeit des politischen Parteistreits es dem Staatsdiener immer schwerer machte, eine gewissenhafte, aufrichtige und unabhängige Stellung einzuhalten, wußte H. doch durch seine freisinnige und ehrenhafte Gesinnung in freimüthiger Sprache, verbunden mit besonders liebenswürdigen und versöhnlichen Formen und unparteischer Besonnenheit sich die Achtung und das Vertrauen der Regierung, wie der Opposition zu erwerben, wodurch ihm immer von Neuem die Aufgabe zufiel, die streitenden Gegensätze zu einem heilsamen Ausgleich zu bringen. Die Bewegungen von 1848 bestimmten ihn, sich vom parlamentarischen Kampfe zurückzuziehen, aber noch einmal seine Ansichten in der Broschüre: „Gedanken in Anlaß der hannoverschen Organisationspläne“, 1851, zu veröffentlichen, auch an der erfolgreichen Vertheidigung der Provinziallandschaften gegen die Centralisation sich lebhaft zu betheiligen. Sein reicher für alles Schöne und Nützliche, namentlich für Landwirthschaft, Geschichte und Kunst empfänglicher und schaffender Geist konnte sich, da er die besten Jahre auf dem platten Lande oder in kleinen Städten verlsbte, die sich im Anfange des Jahrhunderts nur schwer und langsam von dem aussaugenden Drucke der Kriegsjahre erholten, erst in späteren Jahren wirksam entfalten. Seit 1850 Director der königlichen Landwirthschaftsgesellschaft, war er es, der die organische Verbindung derselben mit sämmtlichen landwirthschaftlichen Vereinen des Landes zum Muster für ganz Deutschland zu Stande brachte. Die vorhin gezeichnete Grundrichtung: das Einzelne und Besondere sorgsam zu achten [540] und organisch mit dem Ganzen zu verbinden, brachte er also auch hier in Anwendung, mehr noch in der Geschichtsforschung, welcher er bis an sein Lebensende vorzugsweise sich widmete. Er strebte einerseits für eine erschöpfende, allenthalben gleichmäßig nach einem bestimmten Plane arbeitende Veröffentlichung aller Geschichtsquellen des Mittelalters; ein Plan, für dessen Ausführung er seiner Zeit noch zu wenig Anklang fand, den er selbst aber durch Herausgabe zahlreicher Urkundensammlungen zu verwirklichen begann. Ferner verfolgte er den – später von seinem Mitarbeiter Böttger ausgeführten – Plan, für die mittelalterliche Geschichte die nothwendige Grundlage in einer genauen Ethnographie und Geographie der alten Gau- und Stammesgrenzen auf Grund der damit zusammenfallenden kirchlichen Grenzbeschreibungen aufzustellen und hat er auch dazu verschiedene Vorarbeiten veröffentlicht. Manches Andere noch, was er, der echte Sohn einer patriotisch begeisterten Zeit friedlichen und fröhlichen Schaffens, angeregt hat, wird vielleicht bei einstiger Wiederkehr solcher Zeiten von der Geschichtsforschung wieder aufgenommen werden.