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ADB:Jahn, Johann

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Artikel „Jahn, Johann“ von Karl Werner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 665–667, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jahn,_Johann&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 21:20 Uhr UTC)
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Jahn: Johann J., katholischer Bibelgelehrter, geb. am 18. Juni 1750 zu Taswitz in Mähren, † am 16. August 1816 zu Wien, besuchte das Gymnasium zu Znaim, hörte sodann die dazumal vorgeschriebenen Fächer des sogenannten philosophischen Curses in Olmütz und trat hierauf in das Prämonstratenserstift Bruck (1772), in welchem er Theologie studirte; 1774 legte er die Ordensgelübde ab, im nächstfolgenden Jahre wurde er zum Priester geweiht. Nach kurzer Verwendung in der ländlichen Seelsorge wurde er in das Stift zurückgerufen, um daselbst die morgenländischen Sprachen und biblische Hermeneutik zu lehren; im J. 1782 promovirte er in Olmütz zum Doctor der Theologie und wurde ebendaselbst nach Aufhebung seines Stiftes als Professor derselben Fächer, die er in Bruck vorgetragen hatte, angestellt. Im J. 1789 wurde er als Professor der orientalischen Sprachen, der biblischen Archäologie und der Dogmatik an die Wiener Universität berufen, an welcher er bis zum J. 1806 wirkte, worauf seine Ernennung zum Domherrn bei St. Stephan in Wien erfolgte. Mit seiner Uebersiedelung nach Wien begann seine schriftstellerische Thätigkeit, die er mit der Herausgabe einer hebräischen Elementargrammatik (1792) eröffnete. Er unterzog diese Arbeit in zwei folgenden erweiternden Ueberarbeitungen (1799 und 1809) durchgreifenden Umgestaltungen, und bedauerte, durch Kränklichkeit gehindert, nicht an eine letzte Ueberarbeitung gehen zu können, beruhigte sich aber damit, daß das von ihm Angestrebte mittlerweile durch Gesenius verwirklicht worden sei. Der hebräischen Elementargrammatik folgte eine gleichfalls für Anfänger bestimmte Chaldäische und Syrische Sprachlehre (1798) sammt Chrestomathie (1800); ferner eine arabische Sprachlehre (1796) sammt Chrestomathie und Wörterbuch (1802); das Wörterbuch ließ er durch den ihm befreundeten Syrer Aryda, der aus seinem Vaterlande vertrieben in Wien lebte und gleichfalls an der Universität lehrte, prüfen und verbessern, einige schriftliche Dialoge mit Aryda sind der Chrestomathie eingeschaltet. – Vom J. 1793 angefangen ließ er eine Einleitung in die alttestamentlichen Schriften erscheinen (1793–1802, in 5 Abtheilungen), welche von 1802 an in einer neuen Auflage erschien; daraus ein lateinischer Auszug in zwei Auflagen 1804 und 1815. Im J. 1797 begann die Veröffentlichung seiner biblischen Archäologie (3 Theile in 5 Bänden 1797–1805; zweite Auflage 1807–1815); davon abermals ein lateinischer Auszug in zwei Auflagen (1805 und 1814). Auch eine neue Handausgabe des hebräischen Bibeltextes nahm J. in Angriff; sie erschien in 4 Bänden [666] (1806), die Kosten der Edition wurden vom Stifte Klosterneuburg bestritten. Diese mit einer Auswahl von Varianten versehene Ausgabe hat das Eigenthümliche, daß sie von der herkömmlichen Aufeinanderfolge der Bücher abgeht, und die Bücher der Chronik zerstückelt, um die einzelnen Abschnitte derselben als Parallelstellen den entsprechenden Abschnitten anderer biblischer Bücher gegenüberzustellen. – Schließlich wendete sich J. auch noch der Bearbeitung der biblischen Hermeneutik zu; er ließ ein „Enchiridion hermeneuticae generalis tabularum utriusque foederis“erscheinen (1812), sammt einem Nachtrage, der die Theorie an einzelnen biblischen Abschnitten speciell erproben sollte (Exercitationes exegeticae, 1813, Fascic. 1 und 2). Seine hermeneutischen Grundsätze sind im Ganzen jene Ernesti’s, an welche sich auch Jahn’s College Arigler (Bd. I S. 527) hielt. Dieser Grundton seiner hermeneutischen Anschauungen erklärt nun auch zum Theil die Conflicte, in welche er trotz der entschieden conservativen Richtung, die er auf dem Gebiete der biblischen Kritik einhielt und mit bedeutendem wissenschaftlichen Erfolge vertrat, verwickelt wurde. Schon 1793, unmittelbar nach Herausgabe des ersten Theiles seiner Einleitung in die Bücher des Alten Testamentes wendete sich der Cardinalerzbischof mit einer Beschwerdeschrift an Kaiser Franz und klagte über Jahn’s willkürliche Abweichungen von den herkömmlichen kirchlichen Anschauungen; J. erkläre die Bücher Job, Jonas, Tobias und Judith für bloße Lehrgedichte und erkenne in den Daemoniacis des Neuen Testamentes keine Besessenen, sondern gefährlich Kranke. Die zur Prüfung niedergesetzte Commission urtheilte, daß zwar die von J. angeregten Fragen in einer wissenschaftlichen Exegese und Hermeneutik nicht zu umgehen seien und auch seine Meinungen nicht als geradezu heterodox bezeichnet werden könnten, er wäre jedoch schuldig gewesen, die unter den Theologen der deutschen katholischen Kirche bestehenden Ansichten mehr zu respectiren, die Collision mit seinem Bischofe zu vermeiden und auch die Entstehung ärgerlicher Zweifel bei seinen Zuhörern zu verhüten. Ueberdies sei für die Erklärung der Sache nichts gewonnen, wenn J. z. B. seine Ansicht von den Daemoniacis auf die evangelische Erzählung von den Dämonen anwenden wolle, welche aus den von ihnen Besessenen in die Schweine der Gerasenischen Hirten fuhren. J. wurde demzufolge beauftragt, die vom Cardinalerzbischofe beanstandeten Sätze sowol in seinen Schriften als auch in seinen mündlichen Vorträgen so zu modificiren, daß sie lediglich die Gestalt einer historisch-problematischen Mittheilung annähmen; nebstbei behielt sich die Regierung vor, künftighin vor Zulassung und Einführung eines theologischen Lehrbuches das Gutachten der Bischöfe einzuholen. Die Regierung benahm sich, wie man sieht, in dieser Sache maßvoll und schonend gegen J.; der Zwiespalt der Geister, der Conflict zwischen traditioneller und semirationalisirender Auffassungsweise war aber damit freilich nicht beglichen und konnte auf dem Boden einer vorwiegend empiristisch-historischen Anschauungsweise, auf welchem sowol J. als auch seine Gegner standen, nicht beglichen werden. In Folge dessen kam es, daß die oben erwähnten lateinischen Lehrbücher Jahn’s über die alttestamentliche Einleitung und die biblische Archäologie dennoch später von einem Verbote der Regierung betroffen wurden (1805); die Beförderung Jahn’s zum Domherrn hatte vornehmlich den Zweck, ihn einer Stellung zu entrücken, welche er ohne ernstliche Gefahren für die Ruhe seines Lebens und anderweitige schwerere Verwickelungen kaum lebenslänglich würde haben behaupten können. Uebrigens blieb J. bis zum Ende seines Lebens unausgesetzt litterarisch thätig; noch ein Jahr vor seinem Tode veröffentlichte er einen Commentar über die messianischen Vaticinien; einer seiner Freunde im Auslande veröffentlichte mehrere Jahre nach seinem Tode „Nachträge zu Jahn’s theologischen Werken“ (Tübingen 1821). Die zweite Auflage seines lateinischen Compendiums der biblischen Archäologie behauptete [667] sich als Unterrichtsbuch in den theologischen Lehranstalten Oesterreichs bis in die Mitte dieses Jahrhunderts herab; sein lateinisches Compendium der alttestamentlichen Einleitung wurde durch seinen Amtsnachfolger Ackermann theilweise umgestaltet. Außer den von J. selbstständig veröffentlichten Schriften sind noch einige in Bengel’s Archiv für Theologie abgedruckte Arbeiten zu erwähnen, welche auf wichtige Gegenstände der biblischen Einleitungswissenschaft Bezug haben. Die Verdienstlichkeit der wissenschaftlichen Leistungen Jahns läßt sich in den Satz zusammenfassen, daß er für seine Zeit der bedeutendste katholische Vertreter der alttestamentlichen Bibelwissenschaft war. Als solcher wird er gewürdiget in dem ihn betreffenden Artikel der Halle’schen Encyklopädie, woselbst auch die genaueren litterarischen Nachweisungen über die seine Leistungen betreffenden Urtheile zeitgenössischer Fachgenossen sich finden.

Vgl. außerdem Wurzbach’s Lexikon und die daselbst angeführte Litteratur.