ADB:Jahn, Gustav

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Artikel „Jahn, Gustav“ von Hermann Petrich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 626–627, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jahn,_Gustav&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 11:10 Uhr UTC)
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Jahn: Gustav J., Volksschriftsteller, Dichter und Arbeiter der Inneren Mission, geboren zu Sandersleben am 23. Februar 1818, † zu Züllchow bei Stettin am 29. März 1888. Vater wie Vorväter waren Ackerbürger und Weißgerbermeister in dem anhaltischen Städtchen Sandersleben. Nur der älteste Bruder Karl wurde nach außerhalb auf gelehrte Schulen geschickt (geb. am 8. Juni 1816, † am 15. Juni 1891 als Oberhofprediger in Schwerin), die übrigen Kinder, im ganzen fünf Söhne und zwei Töchter, mußten sich mit der heimischen Volksschule und einigen französischen und englischen Privatstunden begnügen. Gustav, der zweite Sohn, wurde trotz seines geweckten Geistes, wegen seines kräftigen Körpers für das väterliche Handwerk bestimmt, in das er 1833 als Lehrling eintrat, um es dann, da der Vater wegen Kränklichkeit sich aus der Arbeit zurückzog, bis 1846 selbständig zu treiben. Damals verkaufte er es, da es schlecht ging, und richtete eine größere Landwirthschaft ein, die er auch noch zwei Jahre fortsetzte, als er 1852 zum Bürgermeister seiner Vaterstadt ernannt ward. Seine schriftstellerische Neigung erhielt ihre erste Anregung und bleibende Richtung durch die frühzeitige Lectüre des Wandsbecker Boten. Eine herzliche, patriarchalische Frömmigkeit, die mit Humor und Derbheit gegen den anders gearteten Zeitgeist in Vertheidigung und Angriff die Waffen führt, gibt seinen besten Erzeugnissen das Gepräge. Daneben regt sich früh seine dichterische Begabung. So gab er 1842 unter dem Pseudonym „Gustav Frisch“ als Erstlingswerk „Vermischte Gedichte“ (Dessau) heraus. In demselben Jahre bereitete Pastor v. Tippelskirch in Giebichenstein die Herausgabe des (Halleschen) „Volksblattes für Stadt und Land“ vor, das zur Wiederaufrichtung des durch eine negative Litteratur gefährdeten Volksgeistes auf christlich-conservativer Grundlage wirken sollte und zu dessen zugkräftigsten Mitarbeitern J. von Anfang an gehörte. Seine gelungensten Sachen, die M. Claudius nachgebildeten Briefe des Schulzen Gottlieb an seinen Vetter über Preßfreiheit, Judenemancipation, Ehescheidung, Sonntagsheiligung, Volksvergnügungen und andere die Zeit bewegende Fragen des sittlichen Gemeinschaftslebens, traten darin vor eine zahlreiche gesinnungsverwandte Leserschaft und sind später in seine „Gesammelten Schriften“ (Stettin, Bd. I u. II 1847, Bd. III 1849) übergegangen. Friedrich Wilhelm IV. bewies ihm 1845 seine Theilnahme durch Uebersendung von 600 Thalern „zur Aufmunterung und Sicherstellung des künftigen Lebensberufes. In den Jahren 1845 und 1847 erschien sein poetisches Hauptwerk „Das Hohe Lied in Liedern“ (2. Ausgabe 1848), das sich nach Inhalt und Form den reifsten Früchten neuerer Mystik an die Seite stellt. Wiederholte Auflagen erlebten seine im Christlichen Verein für das nördliche Deutschland erschienenen geschichtlichen Volksschriften: „Geschichte der französischen Revolution“ (1849); „Geschichte der deutschen Befreiungskriege“ (1850); „Kamerad Hechel“ (1852). Wie er selbst mitten im thätigen Volksleben stand, so war ihm die Sprach- und Denkweise des Volkes angeboren. Später folgte „Der deutsche Krieg und Preußens Sieg im Jahre 1866“ und „Der Krieg von 1870 und 1871“ (Halle 1861 resp. 1872). Seine erste, am 21. Februar 1848 geschlossene Ehe mit Anna Wapler fand schon am 10. August 1854 durch den Tod der kränklichen kinderlosen Gattin ihr Ende. Am 26. August 1855 schloß er die zweite mit Dora v. Dieskau aus Magdeburg. Mit ihr und zwei Kindern zog er im Herbst 1858 nach Züllchow bei Stettin, wohin er als Hausvater des Rettungshauses und Vorsteher der Brüderanstalt gewählt war. Für diese dem Rauhen Hause nachgebildete Anstalt der Inneren Mission hat er von da ab seine ganze Kraft eingesetzt und besonders durch ausgedehnte industrielle Einrichtungen (Gärtnerei und Christbaumschmuck) bewirkt, daß sie von schwankenden Liebesgaben unabhängig wurde. Auch zu [627] einer eigenen Kirche hat er den Züllchowern verholfen. In allen christlichen Kreisen war er eine bekannte und wegen seiner geselligen Talente überall gern gesehene Persönlichkeit. Am 12. Juni 1871 wurde er zum zweiten Male Wittwer, nachdem ihm zehn Kinder geboren waren, von denen sieben heranwuchsen. Am 27. Januar 1872 schloß er die dritte Ehe mit Ulrike Strecker, einer pommerschen Pfarrerstochter. Am 29. März 1888 ist er selbst nach schwerer fünfvierteljähriger Krankheit (Herzleiden mit Brustwassersucht) verstorben.

(Von seinem gleichfalls als Dichter bekannt gewordenen Bruder Franz Jahn), Daheim 1888, S. 523—526. — Allgem. cons. Monatsschrift, März 1890, S. 225—237. — Bilder aus dem kirchl. Leben. Stettin. Bd. II, S. 1—42. — (Von seinem Sohne Fritz Jahn), Kurze Gesch. d. Züllchower Anstalten, S. 27—54. Stettin 1892. — Vgl. Barthel, Dtsche. Nationallitteratur, 8. Aufl., S. 241 u. 518. — Mündliche Mittheilungen.