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ADB:Josenhans, Joseph

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Artikel „Josenhans, Joseph“ von Paul Steiner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 701–703, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Josenhans,_Joseph&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:17 Uhr UTC)
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Josenhans: Joseph J., Inspector der Basler Mission 1849–1879; geboren am 9. Februar 1812 zu Stuttgart, † am 25. December 1884 zu Leonberg, Württemberg. Joseph J. war ein Sohn Schwabens, das elfte Kind einer Kaufmannsfamilie in Leonberg, in deren pietistischem Kreis die Basler Mission schon in ihren frühesten Anfängen einen ihrer bedeutendsten Herde Württembergs hatte. Der Sohn durchlief von 1825–1829 die Klosterschule zu Blaubeuren und bezog im Herbst 1829 die Universität Tübingen, wo er mit seinen Studienfreunden W. Hofacker, Kapff, Knapp, Oehler, Gundert u. a. im theologischen Stift einen pietistischen Kreis mit regelmäßigen Erbauungsstunden und lebhaften Missionsinteressen bildete, zur Zeit, als David Friedrich Strauß als Repetent am Stift wirkte. Nach seiner theologischen Prüfung wurde J. Lehrer an einer Privaterziehungsanstalt zu Stetten, wo er als Pädagog mit kraftvoller Hand die Disciplin zu heben und das religiöse Leben neu zu entflammen suchte. Hierauf unternahm er 1836 eine halbjährige Studienreise durch Deutschland, wodurch er aus der bisherigen Einseitigkeit und Subjectivität des Pietismus heraus zu einem entschiedeneren kirchlichen Bewußtsein geführt wurde. Nach seiner Rückkehr war er kurze Zeit als Hilfsprediger in Stuttgart, dann als Vicar in Backnang thätig, wo er seine spätere Gattin Marie Geß, die Schwester des bekannten Theologen, kennen lernte. 1838 wurde er neben Landerer, Palmer, Lechler und Oehler Repetent am Tübinger Stift und von 1839–1849 Oberhelfer in Winnenden, wo er zugleich die dortige unter Dr. Zeller stehende Irrenanstalt bediente. Während dieser Amtsperiode, in welcher er sich 1840 verehelichte, veröffentlichte er eine „Sammlung biblischer Betrachtungen“, eine Schrift über „Die psychischen Bedürfnisse [702] einer Irrengemeinde“ und eine solche über „Frauenvereine zu leiblicher und geistiger Versorgung armer, verlassener und berufsloser Jungfrauen und Wittwen“.

Sein Lebenswerk fand J. indes als Leiter des Basler Missionswerks, dem er als Regent und Organisator während seines 30jährigen Inspectorats seine innere feste Gestalt sowie sein äußeres Gepräge gegeben hat. Er wurde zunächst als Mitarbeiter des bisherigen Inspectors Wilhelm Hoffmann nach Basel berufen, dem er im März 1849 zur Seite trat, und übernahm nach dessen Abgang nach Tübingen (1850) die alleinige Leitung der Basler Mission mit ihren damaligen Arbeitsfeldern auf der Goldküste (Westafrika), in Südindien und in der chinesischen Kanton-Provinz. Diesem seinem Amt brachte er von Anfang an sein ganzes Herz entgegen und opferte ihm jede andere Thätigkeit und Liebhaberei. Mit scharfem Blicke erkannte er, worauf es beim Missionsbetrieb vor allem ankam, besonders in der indischen Mission, die sich damals in einer ernsten Krisis befand; durch unbeugsame Willenskraft und weise Maßregeln verstand er es, das vielseitige Werk in geordnete, gedeihliche Bahnen zu lenken.

Zu diesem Behuf begab er sich im Herbst 1851 als Visitator auf das indische Missionsgebiet, wodurch er eine auf eigener Anschauung und Prüfung beruhende allseitige Kenntniß des Missionsbetriebs gewann, persönliche Beziehungen zu den dortigen Missionaren anknüpfte und sich ein Verständniß für ihre Auffassungen, Bedürfnisse und Wünsche erwarb. Durch seine indische Missionsreise wurde aber auch der Grund zu seiner ganzen Wirksamkeit gelegt und die dabei gemachten Erfahrungen und Ergebnisse wurden ihm im wesentlichen zu Richtlinien auch für die übrigen Missionsgebiete in Westafrika und China. Er schuf demzufolge im Lauf der Jahre die auf den verschiedenen Missionsgebieten geltenden „Ordnungen“ und gab dem ganzen Missionsorganismus daheim und draußen eine auf stricten Verordnungen beruhende Verfassung, wobei er mit weitsichtigem Blick bereits die Phasen künftiger Entwicklung berücksichtigte. So hat er z. B. das Verhältniß der einzelnen Missionare, Stationen und Missionsdistricte zu einander wie auch zum Comité der Gesellschaft aufs weiseste geregelt, Liturgie und Gemeindeordnung eingeführt, das Schulwesen stufenmäßig organisirt, die Erziehung eingeborener Prediger systematisch in die Hand genommen, eine Kirchensteuer angeordnet, das Rechnungswesen bis ins kleinste hinein geregelt, Oekonomie, Handel und Industrie sowie überhaupt die Erziehung der eingeborenen Christen zur Arbeit und ihre ökonomische Hebung oder Versorgung eingeführt und nach festen Grundsätzen geordnet, auch in der Heimath alles zu festem Abschluß und zur Concentration gebracht. Für die Kinder der Missionare errichtete er in Basel zwei Kinderheime, gründete eine Invaliden- und Wittwenkasse, stellte zur Belebung des Missionsinteresses in der Heimath Reiseprediger an und rief Conferenzen ins Leben, die seitdem von der Missionsgesellschaft regelmäßig beschickt wurden. Die Missionsanstalt in Basel erhielt unter ihm dadurch eine nennenswerthe Erweiterung, daß im Jahr 1860 ein neues, zur Aufnahme von 100 Zöglingen berechnetes Missionshaus erbaut wurde. – Das alles geschah zwar unter der officiellen Controlle und im Einverständniß des Comités, aber J. war dessen treibende und ausschlaggebende Kraft, wie er denn auch mit Recht der Gesetzgeber und Organisator der Basler Mission genannt worden ist.

Seine kraftvolle, stets auf ein bestimmtes Ziel hinwirkende Persönlichkeit kam auch im engeren Kreise der Missionsanstalt auf dem Gebiet der Erziehung und Ausbildung der angehenden Missionare zum deutlichen Ausdruck. Es mögen im ganzen etwa 700 junge Männer während seiner Amtsperiode durch [703] seine Hände gegangen sein, bei deren Erziehung ihm vor allem daran lag, völlige Drangabe des eigenen Willens, unweigerlichen Gehorsam gegen die Vorgesetzten, Hintansetzen aller persönlichen Interessen hinter die Berufspflicht, mannhaftes Verhalten in den schwierigsten Verhältnissen, treues Aushalten auf dem angewiesenen Posten zu erzielen. Bei der Behandlung seiner vielen Zöglinge, die nach Nationalität, Charakter und Begabung außerordentlich verschieden waren und vielfach ein schwieriges Problem für seine pädagogische Aufgabe bildeten, kam ihm in den meisten Fällen eine wunderbare, durchdringende Menschenkenntniß zu Hilfe, die ihn selten täuschte. Freilich hatte auch seine gebietende Herrschernatur für seine Untergebenen nicht selten etwas Einschüchterndes und Niederdrückendes, aber nichtsdestoweniger wurde ihm allseitig die höchste Achtung und Liebe gezollt. Noch mehr aber als seine Zeitgenossen wird die Nachwelt die Bedeutung dieses Mannes und seiner Wirksamkeit auf dem Gebiet der Basler Mission im vollen Umfang erkennen.

Da ihm vor allem am gründlichen Ausbau und an der organischen Entwicklung des bestehenden Missionswerkes in Indien, China und Westafrika lag, so enthielt er sich aller neuen Unternehmungen, die etwa sonst der Missionsgesellschaft nahe gelegen hätten. Dafür war aber auch der Erfolg seiner zielbewußten Leitung ein stetiges Wachsthum und eine schrittweise vor sich gehende gleichmäßige Ausdehnung des gesammten Werkes, ohne daß dasselbe je durch schwere Krisen oder Rückschläge gefährdet und geschädigt worden wäre. Wie ein kundiger, kriegsgeübter Feldherr, und im Bewußtsein der ihm von Gott gestellten Aufgabe und verliehenen Autorität entwarf er seine Operationspläne und führte sie unbeirrt mit voller Energie und Beharrlichkeit aus. Am 17. März 1874 war es ihm vergönnt, sein 25jähriges Amtsjubiläum im Kreise der Missionsfamilie zu feiern. Aber schon neigte sich seine Kraft zu Ende. Zwar wäre er gern bis zu seinem Abschiede von dieser Welt in seinem Amte geblieben, aber im Gefühl seiner abnehmenden geistigen Frische und gemüthlichen Tragkraft hielt er 1879 seinen Rücktritt für nöthig. Am 1. Juni 1879 siedelte er nach Stuttgart über, wo er bis Frühling 1884 als Invalide lebte und sich dann in seiner Vaterstadt Leonberg niederließ. Hier hat er, von mehreren Schlaganfällen betroffen, am 25. December 1884 sein arbeitsreiches Leben beschlossen. Unter den fünf Missionsinspectoren, die die Basler Mission seit ihrem Bestand (1815) bis jetzt gehabt hat, ist er unstreitig der Größte gewesen.

Hesse, Joseph Josenhans, Ein Lebensbild. – D. W. Bornemann, Einführung in die evang. Missionskunde. – Eigene Erinnerungen.