ADB:Kühnast, Ludwig Christoph Franz
Savigny das römische Recht behandelte, hatte er bereits den Entschluß gefaßt, als juristischer Docent an der Universität sich zu versuchen, als der Tod seines Stiefgroßvaters, der bisher für ihn gesorgt hatte, ihn nöthigte, eine andere Richtung einzuschlagen. Er wandte sich der Philologie zu und schloß sich nun besonders an K. Lachmann an. Schon 1835 übernahm er ein Lehramt in Bromberg, kam dann 1838 als Oberlehrer nach Thorn, wo er schon 1840 den Titel Professor erhielt, wurde später (1862) Professor in Rastenburg, endlich (1865) Conrector in Marienwerder, wo er nach kurzer Krankheit einem typhösen Fieber erlag. – Seine schriftstellerische Thätigkeit begann er mit Beiträgen zur polnischen Geschichte. Dann sind von ihm, außer einer Reihe philologischer und pädagogischer Beiträge zu Mützell’s Zeitschrift für das Gymnasialwesen und zu Langbein’s Pädagogischem Archiv folgende Schriften erschienen: „Nachträge zu Forcellini’s Lexikon“ (Voces Latinae), 1844, „Ueber die Repräsentation des sogenannten apotelestischen Conjunctiv“, 1851, „Vereinigung der prinzipiellen Gegensätze in unserem altklassischen Schulunterricht“, 1856, „Blick auf die Verdienste der Hohenzollern um Westpreußen“, 1869; seine bedeutendste wissenschaftliche Leistung aber bildet die Schrift: „Die Hauptpunkte der Livianischen Syntax“, Berlin 1872. Uebrigens hatte er auch der realen Seite der Alterthumsstudien fortwährend große Theilnahme geschenkt, vor allem der römischen Geschichte, auf welchem Gebiete Niebuhr früh sein Führer gewesen war. – Unter seinen zahlreichen Schülern war der begabte und entschiedene Mann mit außerordentlichem Fleiße thätig, auch in Privatstunden, die er unentgeltlich ertheilte. Indem er den Unterschied zwischen der Wissenschaft der Philologie und den klassischen Studien als bestem Bildungsmittel für die Schulen im Unterrichte streng festhielt, bewahrte er sich vor manchen Einseitigkeiten, denen sehr strebsame Philologen noch immer verfallen. Seiner eigentlichen Berufsthätigkeit schien es fern zu liegen, daß er längere Zeit der von ihm begründeten Idiotenanstalt in Rastenburg besondere Aufmerksamkeit widmete, wie er noch gegen Ende des J. 1865 die ähnlichen Anstalten im nördlichen Deutschland besuchte; aber er bewies auch hier einen ächt humanen Sinn. In politischer Beziehung war er preußischer Conservativer von festen Grundsätzen; nach seiner religiösen Stellung konnte er als positiver Christ gelten, „der sich überzeugt hielt, daß nur die dogmatische Form des Christenthums die Gnosis geben könne, daß aber auch heute ein Gebildeter kaum anders als durch die Gnosis zum Christenthum gelange“.
Kühnast: Ludwig Christoph Franz K., Philolog und Schulmann, geb. den 1. März 1813 zu Fordon in der Provinz Posen, † den 30. August 1872 in Marienwerder. Er gewann seine wissenschaftliche Vorbildung auf dem Gymnasium in Thorn und bezog hierauf die Universität Berlin um Jura zu studiren. Hier mächtig angeregt durch die geistvolle Art, in welcher- S. bes. Langbein im Pädag. Archiv XV (1873) 142 ff.