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ADB:Kaltenborn von Stachau, Karl Freiherr

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Artikel „Kaltenborn von Stachau, Karl Baron“ von Albert Teichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 43–45, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kaltenborn_von_Stachau,_Karl_Freiherr&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:15 Uhr UTC)
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Kaltenborn: Karl Baron K. von Stachau, verdienter Rechtsgelehrter, geb. zu Halle am 21. Juni 1817, † am 19. April 1866 zu Kassel. Die Familie der K. gehört wahrscheinlich dem alten schlesischen Adel an (Gothaischer Taschen-Kalender der Freiherrl. Häuser, Jahrg. 1857, S. 361). Sein Vater Joh. Karl war preußischer Hauptmann a. D. († am 14. Febr. 1857), der als vielgewanderter Mann die Muße der späteren Jahre zur Abfassung von Memoiren benutzte, die der Sohn zu veröffentlichen beabsichtigte, da sie interessantes Material für die Geschichte einiger Höfe in Deutschland enthalten. Auf den trefflichen Schulen der Francke’schen Stiftungen erhielt K. eine gelehrte Vorbildung, widmete sich auf der Universität der Vaterstadt juristischen, staatswissenschaftlichen, historischen, philologischen und philosophischen Studien, wurde 1846 Privatdocent daselbst, nachdem er zu seiner Habilitation die Dissertation „De regalium generalium natura ac divisione“, Hal. 1845 herausgegeben hatte. Sehr schnell errang K. durch zwei größere Schriften den Ruf eines der gelehrtesten Kenner des Völkerrechts. In der ersten derselben – „Kritik des Völkerrechts nach dem jetzigen Standpunkte der Wissenschaft“, Leipzig 1847 – beabsichtigte er, Gagern’s Kritik des Völkerrechts weiter auszuführen. Doch hat er mehr geleistet. Mit der deutschen Philosophie sehr vertraut, war er voll größten Eifers für die Wissenschaft bestrebt, eine Revision der hauptsächlichsten Grundbegriffe unter Kritisirung der gerade in jener Zeit erschienenen, epochemachenden Arbeiten von Heffter, Oppenheim, Pütter u. A. zu geben. Dies führte ihn zur Erörterung der Litteratur früherer Zeiten. Freilich zeigt die Arbeit, daß er seinen Zweck nicht völlig erreichte. Denn die Verbindung der Litteraturkritik mit der Materialkritik schränkte ihn auf einzelne hervorragende Systeme ein und ließ einer eingehenden Kritik nicht den genügenden Raum. Sein als vollständig ausgearbeitet bezeichnetes System hat er uns leider später nicht gegeben. Jedenfalls hat aber das Werk in vielen Punkten bleibenden Werth. Schon im nächsten Jahre folgte die zweite verdienstliche literarhistorische Arbeit, welche die Leistungen einiger vergessener Schriftsteller eingehend besprach und die auf den Bibliotheken selten gewordenen, oft ganz fehlenden Drucke derselben zu ersetzen bestimmt war. Die Schrift ist betitelt „Zur Geschichte des Natur- und Völkerrechts, sowie der Politik“, Leipzig 1848, führt auch den Specialtitel „Die Vorläufer des Hugo Grotius auf dem Gebiete des Jus naturae et gentium sowie der Politik im Reformationszeitalter“. Nebenbei schrieb K. gediegene Recensionen über staats- und völkerrechtliche Arbeiten in verschiedene Zeitschriften (Jenaer Literaturzeitung, Berliner Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik), gab eine auf das [44] praktisch-politische Gebiet hinüberspielende Schrift „Staat, Gemeinde, Kirche, Schule, insbesondere Universitäten und ihre Reform“, Halle 1848 heraus und entfaltete als akademischer Lehrer eine erfolgreiche Wirksamkeit. Mit umfassenden Studien über das internationale Seerecht beschäftigt, veröffentlichte K. zwei Abhandlungen über Geschichte, Praxis und Reform der Kaperei im Seekriege (zuerst in Bülau’s Neuen Jahrbüchern der Geschichte und Politik, 1849, II., dann auch separat, Halle 1849). Ein interessanter völkerrechtlicher Fall gab ihm Anlaß zu Besprechung der Pflichten Neutraler gegenüber fremden, in territoriale Gewässer sich zurückziehenden fremden Kriegsschiffen. Es war dies die kleine Arbeit „Kriegsschiffe auf neutralem Gebiet“, Hamb. 1850. Die hierin enthaltene Kritik des Verhaltens Lübecks gegenüber dem Dampfschiff v. d. Tann rief eine Schutzschrift von K. von Duhn hervor (zuerst in Gersdorf’s Repertorium 1850. III. 298–312, dann separat, Leipzig 1850). Allgemeinen Beifall fand sein großes Werk „Grundsätze des praktischen europäischen Seerechts, besonders im Privatverkehr, mit Rücksicht auf alle wichtigeren Partikularrechte“, 2 Bde., Berlin 1851, worin das gesammte Völkerrecht, soweit es den Seehandel ordnet, mit größter Sachkenntniß und fleißigster Benutzung der Litteratur wissenschaftlich erörtert wird. Die Materialien dazu hatte er während eines siebenmonatlichen Aufenthaltes in Hamburg, wo er auch den Sitzungen des Handelgerichts beiwohnte, gesammelt. Die sehr bald erforderlich gewordene zweite Auflage hat er leider nicht besorgen können. Im J. 1852 folgte K. einem Rufe als außerordentlicher Professor für deutsches und öffentliches Recht an die Universität Königsberg, wo er 1861 zum ordentlichen Professor befördert wurde und die Schrift „De cambiis statuta Hamburgensia Ann. 1603 et 1605 in Germania prima legislationis cambialis vestigia“ 1862 erscheinen ließ. Am 11. April 1854 verheirathete er sich mit Hermine geb. Gronau, einer Enkelin des bekannten Staatsmannes v. Dohm. Er fand in ihr eine treffliche Gattin und für die aus der glücklichen Ehe hervorgehenden Kinder eine zärtliche Mutter. Ein Zeugniß seines lebendigen Interesses an der Politik liefert das größere Werk „Geschichte der deutschen Bundesverhältnisse und Einheitsbestrebungen von 1806 bis 1857 unter Berücksichtigung der Entwickelung der Landesverfassungen“, 2 Bde., Berlin 1857. In dieser Arbeit, für welche ihm, was sehr zu bedauern, keine geheimen Quellen offen standen, war sein Hauptziel „die Weiterbildung des Bundeslebens im nationalen Sinne, zur Befriedigung der Interessen und Bedürfnisse der gesammten Nation, nicht blos der Fürsten und Staaten aufzuweisen.“ Er wollte die vulgäre, ziemlich verbreitete politische Phantasterei wie Apathie überwinden und einen gesunden, nüchtern praktischen Sinn für politische Verhältnisse, wie er in England zu Haus, auch bei uns einbürgern helfen. Darauf zielte das Motto: „Mein deutsches Volk, im idealen Streben, verläugne nicht die Wirklichkeit, das Leben!“ Seine Ansichten und Vorschläge über Zusammenschließung der deutschen Staaten in gewisse Staatencomplexe, nach einigen socialpolitischen Andeutungen Riehl’s, haben durch den bedeutend abweichenden geschichtlichen Verlauf der Dinge an Interesse verloren und zeigt sich in dem Werk ein eigenthümliches Schwanken zwischen absprechenden Verdammungsurtheilen über abstrakte Einigungspläne und andererseits einer fast begeisterten Anerkennung des Wirkens des Frankfurter Parlaments. Theoretisch den Ideen des Liberalismus nicht fernstehend, neigte er sich allmählich immer mehr auf die conservative Seite, wobei er vor Allem reges Gerechtigkeitsgefühl und energische Wahrheitsliebe hochachtete. Diese conservativen Anschauungen treten namentlich auch hervor in seiner „Einleitung in das constitutionelle Verfassungsrecht“, Leipzig 1863 und in der auf die kurhessischen Zustände bezüglichen letzten Schrift „Die Volksvertretung und die Besetzung der Gerichte, besonders des Staatsgerichtshofes“, [45] Leipzig 1864. Werthvoll waren auch seine Arbeiten für das Bluntschli’sche Staatswörterbuch und Schletter’s Jahrbücher. Klimatische Verhältnisse veranlaßten ihn, 1864 einen Ruf nach Kassel als Referent im Ministerium des Aeußeren mit dem Titel als Legationsrath unter Vorbehalt einer Professur in Marburg anzunehmen. 1863 durch Verleihung des Ritterkreuzes des kurhessischen Wilhelmsordens, fast gleichzeitig auch des preußischen rothen Adlerordens vierter Klasse ausgezeichnet, erlag K., im rüstigsten Mannesalter, einer Unterleibsentzündung. Seine vielen Tugenden und hohen Verdienste hob in einem schönen Nachrufe Th. Muther hervor (Beilage zu 109 der Neuen Preußischen [Kreuz-]Zeitung v. J. 1866).

Mohl I, 222. 228. 230. 366. 370. 379. III, 559. – Mohl, Encycl. d. Staatswiss. (2) 1872. S. 409. 410. 411. – Bulmerincq, Praxis, Theorie und Codifikation des Völkerrechts, 1874. S. 92. 148. – Geyer, Ueber die neueste Gestaltung des Völkerrechtes, 1866. S. 15 ff.