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ADB:Kapff, Sixt Carl von

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Artikel „Kapff, Sixt Carl von“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 99–102, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kapff,_Sixt_Carl_von&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 09:49 Uhr UTC)
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Kapff: Sixt Karl K., geb. 22. Octbr. 1805 zu Güglingen O. A. Brackenheim (Würtemberg), † am 1. Septbr. 1879 in Stuttgart, von 1850 an bis zu seinem Tode einer der bedeutendsten und einflußreichsten evangelischen Geistlichen. Er stammte von der seit mehreren Jahrhunderten in Würtemberg ansässigen Familie von Kapff, deren jetzt zerstörtes Stammhaus bei Alfdorf im Oberamt [100] Gaildorf liegt, und deren ältestes urkundlich erwähntes Glied Peter von Kapff zwischen 1431 und 1481 lebte. Nachkommen derselben wanderten nach Bremen und Danzig aus, die würtembergischen Linien stammen alle von dem 1693 gestorbenen Sixt von K., Pfarrer in Urbach ab und ist aus denselben eine große Zahl von tüchtigen, zum Theil bedeutenden Beamten und Geistlichen hervorgegangen. – Seine Eltern Karl Friedrich K., gestorben als Decan in Tuttlingen und Sophie g. Landolt von Neuveville (Kanton Bern) sowie ein angeborener tiefer religiöser Trieb bestimmten ihn schon in frühester Jugend zum Geistlichen, welchen Beruf er stets neben dem eines Jugenderziehers als den höchsten und seligsten auffaßte und pries. Sein Bildungsgang war der gewöhnliche der würtembergischen Theologen, er bestand das Landexamen, wurde Zögling des niederen Seminars in Maulbronn und dann des theologischen Seminars in Tübingen (1823–1828). Man kann sagen, daß seine theologische und religiöse Entwickelung schon damals eine in sich abgeschlossene und fertige war, sie hat sich später wohl erweitert und vertieft, in ihren Grundanschauungen änderte sich jedoch nichts. Eine ernste religiöse Natur mit einem starken Zug nach der ewigen Heimath hatte er das entschiedene Streben, ein Leben nach dem Worte Gottes zu führen, die fortwährende Gemeinschaft mit seinem Heiland war seiner Seele das erste und nothwendigste Bedürfniß, daher ein ungemein häufiges Beten, das ihm, wie er selbst es schildert, ein seliges Bewußtsein des innern Friedens und geistige Erhebung brachte. Mit großer Energie wachte er über sein Leben, daß er seinen Weg unsträflich wandle, und wie er mit ungemeiner Consequenz seinen Körper abhärtete, so daß die tüchtige Gesundheit desselben der größten Arbeitslast bis in ein hohes Alter hinauf gewachsen war, so trug auch sein beharrlicher Fleiß dazu bei, dem gut aber nicht hervorragend Begabten eine Fülle von Kenntnissen verschiedenster Art zuzuführen, seine rastlose Thätigkeit und Regsamkeit endlich machte ihn schon sehr frühe einflußreich in verschiedenen Kreisen. In theologischer Hinsicht stand er auf entschieden biblisch-orthodoxem Standpunkte, der Supranaturalismus der Tübinger Storrschen Schule durchdrungen von würtembergischem Pietismus sammt dessen chiliastistischen Anschauungen bildete den Inhalt seiner theologischen Anschauung. Schleiermacher übte wenig Einfluß auf ihn aus, zu der Hegel’schen Philosophie und der neuen Tübinger Schule (von Baur und Strauß) stellte er sich von Anfang an in bestimmten Gegensatz. Seine Hauptstärke lag indessen nicht in wissenschaftlicher Thätigkeit (bezeichnend ist übrigens, daß seine einzige wissenschaftliche Arbeit eine Abhandlung über den St. Simonismus ist. Tübinger Zeitschrift für Theologie, 1832), sondern in der Praxis; seine eigenthümliche Begabung für die Gründung, Belebung und Leitung für Vereine zeigte sich schon im Seminar und auf der Universität. Als Prediger bekam er bald einen ziemlichen Ruf, hielt auf Verlangen seiner Studiengenossen die Abschiedspredigt. Vom October 1828 bis April 1829 war er Vicar bei seinem Vater, machte auch sein philophisches Doctorexamen, dann nahm er die Stelle eines Religionslehrers an dem damals von Fellenberg geleiteten stark besuchten Institute Hofwyl (Kanton Bern) an und blieb trotz mancher Differenzen, in welche er wegen seiner streng religiösen Anschauung mit Fellenberg kam, von ihm geachtet, von den Zöglingen geliebt, bis Mai 1830 dort, worauf er bis Februar 1833 Repetent in Tübingen wurde. Die aus würtembergischen Pietisten bestehende separirte Gemeinde Kornthal wählte ihn zu ihrem Geistlichen. Bis Frühjahr 1843 blieb er dort, dann trat er als Dekan in Münsingen wieder in den vaterländischen Kirchendienst zurück, welche Stelle er Ende Juli 1847 mit der Dekanatsstelle in Herrenberg vertauschte. Durch sein Dringen auf lebendiges positives Christenthum, durch seine Bekämpfung des Hegelianismus und Rationalisms genoß er unter den kirchlich gesinnten Kreisen Würtembergs schon [101] damals eines großen Ansehens, wie er auch zum Zusammengehen der pietistischen Gemeinschaften mit der Landeskirche wesentlich beitrug und im Verein mit seinen Freunden L. und W. Hofacker, Knapp, Barth u. a. die pietistische Richtung in der Geistlichkeit Würtembergs eifrig beförderte; 1848 wurde er von seinen Freunden im Wahlkreis Herrenberg, Horb, Nagold zum Abgeordneten in die Nationalversammlung nach Frankfurt vorgeschlagen, erlag aber gegen den demokratischen Candidaten, dagegen wurde er 1849 in die constituirende württemb. Landesversammlung, 1850 wieder in den Landtag vom Bezirk Leonberg gewählt. Die Unerschrockenheit, mit welcher er seine Ansichten ohne Ansehen der Person vortrug, zog ihm damals und später Feindschaft und Spott nur allzu reichlich zu. 17. December 1850 wurde er Prälat und Generalsuperintendent von Reutlingen, zugleich Mitglied des Consistoriums und seit März 1851 des Studienraths; 11. Mai 1852 Prediger an der Stiftskirche in Stuttgart, bis zu seinem Tode ist er in dieser, der ersten geistlichen Stelle des Landes geblieben, der höchstangesehene, darum auch der am meisten gekannte, angefeindete und verleumdete Prediger und Seelsorger des evangelischen Würtembergs. Seine Predigten, ohne oratorischen Schwung, ruhig, beinahe im Conversationston vorgetragen, etwas trocken und oft apologetisch gehalten, aber die Liebe, die er zu Christo und zur Menschheit hatte, immer bezeugend, zogen Tausende Jahre lang an; als Seelsorger war er unermüdlich thätig, der Helfer in unzähligen Nöthen, der Vertrauensmann der verschiedensten Stände und Personen – wie viele Steuerdefraudationen sind durch ihn der Staatskasse zugesandt worden! Er war Mitglied von einer Menge von religiösen Vereinen und wohlthätigen Anstalten; lange Jahre stand er an der Spitze des würtembergischen Comités für die Basler Mission, war im Ausschuß des evangelischen Kirchentages und des Congresses für innere Mission, Mitglied der würtembergischen Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereins, Mitbegründer des Diakonissenhauses in Stuttgart etc. Den Unterricht der Jugend, zu welcher sein kindliches Gemüth immer Zuneigung hatte, blieb er auch noch in späteren Jahren treu und gab seit 1851 Religionsunterricht am Gymnasium. Kirchenrechtliche Fragen und Verfassungsangelegenheiten lagen ihm, der das persönliche Christenleben mehr in den Vordergrund stellte, ferner, doch war er 1870, 1872 und 1874 Delegirter bei den Eisenacher Conferenzen, ebenso war er für die Einführung des Instituts der Pfarrgemeinderäthe 1851, der Diöcesansynoden und der Landessynode 1869 thätig, der letzteren gehörte er 1869–1874 und 1875 als Mitglied an. Freimüthig gegen Jedermann, machte er aus seiner politischen Gesinnung, die eine entschieden nationale war, kein Hehl. Diese ungemeine Vielseitigkeit und großartige Thätigkeit, getragen von einer originellen Persönlichkeit (sein Gesicht zeigte eine merkwürdige Aehnlichkeit mit Napoleon I.) machten ihn in den weitesten Kreisen bekannt, und ebenso einflußreich als geschmäht und angegriffen. Oft mißbraucht und getäuscht, wurde er doch in seinem Optimismus nicht irre und wenn seine Vielgeschäftigkeit ihn mehrfach zu Tactlosigkeiten und Mißgriffen führte, so war er doch gegen seine Schwächen und Fehler nicht blind. Mit Würden und Ehren aller Art war er bedacht, 1855 hatte ihm die theologische Facultät zu Göttingen den Doctortitel verliehen; aber seine letzten Lebensjahre trübten schwere persönliche Angriffe, 1878 ergriff ihn ein Leberleiden, Carlsbad gewährte einige Linderung, Sommer 1879 erkrankte er wieder daran und nach kurzem Krankenlager starb er am 1. Septbr., eine unzählbare Menge geleitete ihn zu Grabe: eine ächt süddeutsche originelle Persönlichkeit war mit ihm geschieden. – Trotz seiner vielen Aemter und einer außerordentlich großen Correspondenz entfaltete K. eine bedeutende schriftstellerische Thätigkeit, besonders im erbaulichen und praktisch-theologischen Gebiete: seine Gebet- und Predigtbücher („Gebetbuch“, 1. Aufl. 1835; „Communionbuch“, 1. Aufl. 1840; „Passions-, Oster- und Bußtags-Predigten“, 1842; „83 Predigten über die alten Evangelien“, [102] 1857; „Weg zum Himmel in 81 Predigten“, 1864; „Gewünschtes und Geschmähtes, 1859 etc.) erschienen in vielen Auflagen und sind in Tausenden von Exemplaren verbreitet. Eine Reise durch die Schweiz, welche er mit den Zöglingen von Hofwyl machte, beschrieb er unter dem Titel „Eine Schweizerreise“, 1843; eine einfache Schilderung des Erlebten und Gesehenen mit steter Hervorhebung der Größe und Güte Gottes, die in seinen Werken sich kundgebe. Sein Aufenthalt in Kornthal veranlaßte ihn Entstehung, Einrichtungen und Bestand seiner dortigen Gemeinde in klarer und genauer Schrift zu schildern: „Die würtemberg. Gemeinden Kornthal und Wilhelmsdorf“, 1839. Für die Versammlung der evangelischen Allianz in Paris 1855 stellte er populär und einfach, freilich auch mannigfach einseitig ein Bild des religiösen Zustandes in Deutschland nach seinen Licht- und Schattenseiten zusammen, 1856 als Buch erschienen; endlich sind noch zu nennen: „Die Revolution, ihre Ursachen, Folgen und Heilmittel“. Gekrönte Preisschrift vom Centralausschuß für die innere Mission herausgegeben 1851, sowie: „Das Hazardspiel und die Nothwendigkeit seiner Aufhebung“ – ein Mahnruf, welchen er immer wieder aufs Neue erhob – und seine „Warnung eines Jugendfreundes“, 1841. Am 19. Febr. 1833 hatte er sich mit Marie Kapff, einer Verwandtin, verheirathet. 1871 starb dieselbe; 6 Kinder, 2 Söhne und 4 Töchter überlebten die Eltern. Der älteste Sohn Karl K. (Dekan in Balingen) hat seinem Vater ein schönes Denkmal kindlicher Pietät gesetzt in: „Lebensbild von Sixt Karl von Kapff“, Stuttgart 1881, werthvoll durch die vielen Auszüge aus den Tagebüchern, welche K. höchst ausführlich von 1823 bis 1833 führte, und worin er besonders seine religiösen Stimmungen genau schildert. Weiter wurden benutzt die Nekrologe in den verschiedenen Kirchenzeitungen, Herzog. Realencyclopädie und die Reden bei seiner Beerdigung.