ADB:Karsten, Karl Johann Bernhard
Franz Christ. Lorenz K., erhielt seine erste Erziehung zunächst in seiner Geburtsstadt, später in Rostock und bezog erst 17 Jahre alt, hier die Universität, um Medicin und Rechtswissenschaft zu studiren. Der nähere freundschaftliche Umgang mit dem später berühmten Botaniker Link, der damals Vorträge über Naturwissenschaften in Rostock hielt, lenkte ihn aber frühzeitig auf naturwissenschaftliche Studien. Schon nach einjährigem Besuche der Universität publicirte K. ein „Vollständiges Register über Green’s (seines verstorbenen Vetters) neues Journal der Physik“, das von dem umfassenden Wissen und der Urtheilsreife des jungen Mannes glänzendes Zeugniß giebt. Auch in der Chemie arbeitete K. mit Fleiß und Erfolg, sendete einige chemische Ausarbeitungen an Scherer, welche in dessen Journal Aufnahme fanden und Veranlassung gaben, daß Scherer den jungen Chemiker als Assistent nach Berlin berief, um denselben bei der Redaction seines Journals zu verwenden. 1801 siedelte K., um diese Stellung bei Scherer anzunehmen, nach Berlin über, wo er zugleich seine medicinisch-naturwissenschaftlichen Studien weiter fortsetzte. Veranlaßt und unterstützt von seinem Verwandten Oberbergrath D. L. G. Karsten warf sich hier K. mit besonderem Eifer auf Mineralogie und Metallurgie und bearbeitete in Gemeinschaft mit dem später berühmten Mineralogen und Krystallographen S. Weiß eine deutsche Ausgabe von Hauy’s großer Mineralogie, 1805–1810, besorgte fast gleichzeitig selbstständig eine Uebersetzung von Beaume’s chemischem System und verfaßte eine Abhandlung: „De affinitate chemica“, mit welcher er sich inzwischen in Rostock den Doctorgrad erwarb. Auch lag ihm fast allein die Redaction von Scherer’s chemischem Journal, in welchem er mehrere selbständige Abhandlungen zur Publication brachte, ob, ohne gleichwohl besondere Anerkennung für dieses mühevolle Geschäft von Scherer zu erhalten. Er trennte sich daher im Herbste von seiner Verbindung mit letzterem und widmete sich besonders dem Studium von Hüttenanlagen, zu welchem Zwecke er mehrere Hüttenwerke besuchte. Seine allseitigen und gründlichen Beobachtungen, welche er hierbei anstellte, faßte er in einer Abhandlung: „Ueber den Unterschied des Stabeisens, des Roheisens und des Stahls und über die Erzeugung des Roheisens in den Hohöfen“ zusammen. Diese vortreffliche Arbeit verschaffte ihm die amtliche Erlaubniß, sämmtliche schlesische Hüttenämter zu bereisen, wobei K. besonders sich praktisch auszubilden bemüht war. In Folge mehrerer eingereichter vortrefflicher Reiseberichte erhielt K. den ministeriellen Auftrag, eine Steinkohlentheerfabrikation auf der Gleiwitzer Hütte zu errichten (1804), eine Aufgabe, die er zur vollen Zufriedenheit löste. Ende 1804 wurde er zum Referendarius bei dem oberschlesischen Oberbergamte ernannt und damit in den Staatsdienst aufgenommen: in dieser Stellung fand er reichlich Gelegenheit, sich praktisch weiter auszubilden, namentlich beschäftigte sich K. mit der damals noch geheim gehaltenen Fabrikation des Zinks mit so glänzendem Erfolge, daß die Einführung der später so blühenden Zinkindustrie in Schlesien hauptsächlich [428] seinen Bemühungen zu verdanken ist. Es erfolgte auch bald 1805 seine Beförderung zum Oberbergamtsassessor zugleich mit dem Auftrage, gemeinschaftlich mit dem Oberhüttenrath Abt, später selbständig die Leitung des gesammten oberschlesischen Hüttenwesens zu übernehmen. In Folge seiner hervorragenden Leistungen wurde er 1810 zum Bergrath und 1811 zum Oberhüttenrath und Oberhüttenverwalter für Ober- und Nieder-Schlesien befördert, wobei ihm auch die Herstellung und Einrichtung einer Gewehrarmaturfabrik in Malapane und Krascheow übertragen wurde. Seine Hauptaufgabe in dieser Stellung, die Hebung der schlesischen Zinkfabrikation und die Herstellung aller Armee-Armatur-Bedürfnisse zugleich mit dem Aufschwung des Eisenhüttenwesens löste er mit so viel Geschick und Glück, daß ihm als Anerkennung 1816 der Orden des eisernen Kreuzes II. Classe verliehen wurde. Im J. 1815 erhielt er eine neue Aufgabe bei der Grenzregulirung zwischen Nassau und Preußen, die montanistischen Interessen besonders ins Auge zu fassen, welche ihm reichlich Gelegenheit verschaffte, die rheinischen Hüttenwerke aufs Gründlichste kennen zu lernen. Er kehrte nur auf kurze Zeit nach Breslau zurück, um 1819 erst in Stellvertretung, seit 1821 aber als Geheimer Oberbergrath in der Oberberghauptmannschaft ernannt in Berlin seine amtlichen Dienste weiter fortzuführen. Diese umfassende Thätigkeit, mit der er zugleich ein bewunderungswürdiges organisirendes Talent verband, hatte zwar Karsten’s wissenschaftliche Weiterbildung nicht gehemmt, aber ihn eine Reihe von Jahren hindurch verhindert, seine reichen Erfahrungen zur Veröffentlichung zu bringen. Nur eine deutsche Bearbeitung von Rinmann’s Geschichte des Eisens fand er 1814 und 1815 Muße in 2 Bänden zu publiciren. Es war dies gleichsam eine Vorarbeit zu Karsten’s bedeutendstem epochemachendem Werke: „Handbuch der Eisenhüttenkunde“ in 2 Bdn., 1816, in welchem zum ersten Mal die praktischen Erfahrungen in diesem Fache auf feste wissenschaftliche Grundlage zurückgeführt wurden. In gleichem Sinne verfaßt erschien schon 1817 ein zweites, bedeutendes Werk: „Grundriß der Metallurgie und der metallurgischen Hüttenkunde“, in welchem K. zuerst den Versuch machte, ein vollständiges System der Hüttenkunde aufzustellen und weniger eine eingehende Schilderung der wirklich stattfindenden Prozesse, als eine wissenschaftliche Darlegung der vorzunehmenden Hüttenarbeiten, sowie der Gründe, auf welche sie sich stützen sollen, zu geben. Der Erfolg war ein durchschlagender und veranlaßte K., diesen Grundriß später 1831 zu einem großen Handbuch: „System der Metallurgie, geschichtlich, statistisch, theoretisch und technisch“ in 5 Bänden mit 51 Karten zu erweitern. K. erwarb sich mit diesem Werke den Ruhm eines Begründers der wissenschaftlichen Metallurgie. Auch das Handbuch der Eisenhüttenkunde, das schon in der ersten Auflage ins Französische übersetzt worden war, erhielt in einer 2. Auflage 1827, mehr noch in einer 3. 1841 eine durchgreifende Umarbeitung, Verbesserung und Erweiterung bis zu 5 Bänden mit einem Atlas von 63 Karten. In einer kleinen, 1816 erschienenen, später im ersten Band des Archivs wesentlich erweiterten Schrift hob K. die Vorzüge des fiskalischen Betriebs von Berg- und Hüttenwerken hervor. Noch kurz vor seinem Abgange aus Schlesien trat K. mit einer höchst wichtigen Arbeit an die Oeffentlichkeit, nämlich mit der Gründung eines Archivs für Bergbau und Hüttenkunde, welche an die Stelle des inzwischen eingegangenen Hoffmann’schen Neuen bergmännischen Journals tretend, sich die Aufgabe stellte, die Ausübung des Berg- und Hüttenwesens in ihren praktischen Erfahrungen nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu befördern. 20 Jahrgänge dieses Archivs (1818–1831) erzielten die besten Erfolge durch die erstrebte Verbindung der Industrie mit der Wissenschaft. In einer zweiten Folge trat v. Dechen 1829 mit in die Redaction ein und damit wurde das Werk zu einem Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde erweitert und in einer Reihe von 26 Bänden [429] (1829–1854) auf die glänzendste Weise fortgeführt als eine höchste Zierde der deutschen Litteratur in diesem Fache. Mit seiner Uebersiedelung nach Berlin war K. ein reicher Wirkungskreis in der Oberleitung des gesammten preußischen Hüttenwesens und der Salinen zugewiesen. 30 Jahre lang verwaltete K. mit unermüdlichem Eifer dieses verantwortliche Amt mit den besten Erfolgen. In allen Zweigen wirkten seine Anregungen und zweckmäßigen Anordnungen, seine Verbesserungen und Neuerungen befördernd, befruchtend und trugen viel zu einem mächtigen Umschwung des Montanwesens in Preußen bei. Seine in dieser Stellung unternommenen zahlreichen Dienstreisen lieferten ihm nicht nur das Material zu seinen zahlreichen amtlichen Berichten, sondern vielfach auch zu wissenschaftlichen Arbeiten. Eine größere Reise durch Baiern und Oesterreich gab (1830) Veranlassung zu einer neuen und sehr inhaltreichen Publication: „Metallurgische Reise durch einen Theil von Baiern und durch die süddeutschen Provinzen Oesterreichs“, 1821. Im J. 1843 erschien seine „Philosophie der Chemie“, in welcher er sich als Kantianer und Dynamiker bekennt und gegen realistische Vorstellung der Atome und gegen die Richter’schen Atomgewichte in Opposition trat. Auch auf dem Gebiete des Bergrechts war K. reformatorisch thätig. Schon 1828 hatte er in seinem „Grundriß der Bergrechtslehre“ eine wichtige Quelle für das Bergrecht geschaffen und war in den Jahren 1845–46 bei einer Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen Bergrechtes ganz besonders und mit Erfolg thätig. Leider erlitt er auf einem andern Felde seiner amtlichen Thätigkeit, nämlich bei den Verhandlungen über die Eisenzollfrage 1842–1845, in welcher K. sich auf die Seite des Freihandels stellte, viele Anfeindungen und Kränkungen und tief beklagte er den Rückgang der freien Verkehrsbewegung, welche mit der Gründung des Zollvereins aufzublühen begonnen hatte. In diese Zeit fällt die Publication eines vortrefflichen „Lehrbuchs der Salinenkunde“ (1846–47 in 2 Bdn.). Die rückschrittlichen Bewegungen, welche überhaupt in Preußen in politischen und religiösen Beziehungen um diese Zeit immer schärfer hervortraten, bestimmten endlich den wahrhaft liberalen, ernst-sittlichen, aber nicht religiösen Frömmeleien holden freien Charakter in Verbindung mit der Kränkung, daß man ihn bei der Besetzung der Vorstandschaft der obersten Montanbehörde übergangen oder erst zu spät diese Stelle angetragen hatte, nach 46jährigem Dienste um seinen Abschied nachzusuchen, welcher ihm im December 1850 in einer nahe an Ungnade grenzenden Form ertheilt wurde. Aber gleichwohl blieb K. vielseitig thätig, nicht blos auf wissenschaftlichem Gebiete, auf dem er seine begonnenen Arbeiten mit größtem Eifer fortsetzte, sondern fand auch ein neues Feld auf dem Gebiete des Staatslebens, seitdem er für den Oppelner Bezirk zum Mitglied in die erste Kammer (1850–51) gewählt worden war, wo er der liberalen Fraction angehörte und neben v. Arnim, Camphausen, v. Vincke mit jugendlicher Begeisterung gegen die Reaction ankämpfte. Aber schon zeigten sich inmitten seiner rastlosen Thätigkeit die Anzeigen eines tödlichen Leidens, dem er nach schweren Leiden am 22. August 1853 erlag, bevor er noch zum Abschluß des letzten Bandes des Archivs, dessen Beendigung durch die Herausgabe der officiellen Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen für den preußischen Staat geboten schien, und auch beschlossen war, gelangen konnte. Noch hatte K. die Freude erlebt, 1852 zu seinem Doctorjubiläum von der Universität Rostock durch seinen Sohn beglückwünscht zu werden. Mit K. schied ein Mann von gründlichem und vielseitigem Wissen, in welchem mit ungewöhnlicher Thatkraft die edelste Humanität gepaart war, aus einem an Erfolgen in Theorie und Praxis reichen Leben. Unter seinen zahlreichen kleineren Schriften und Abhandlungen können wir außer den bereits genannten nur einige wenige als besonders bemerkenswerth hervorheben: als eine seiner ersten chemischen Arbeiten „Ueber die Darstellung [430] der Korksäure“ (Scherers Journ. V. 344. 1800); „Ueber Benzoësäure im Pferdeharn“ (das. VII. 588); „Ueber den Unterschied der Alkalien und alkalischen Erden“ (das. 615); „Ueber die Gewinnung des Eisens im Großen aus seinen Erzen“ (das. X. 339); „Ueber die Verbindung des Eisens mit Kohle“ (Abh. d. Akad. d. Wissensch. in Berlin 1822. 23); „Ueber die chemische Verbindung der Körper“ in 7 Abhdlgn. (das. 1824–41); „Ueber den Saigerhüttenprozeß“ (das. 1824); „Ueber das Roheisen“ (das. 1825); „Ueber die Veränderungen, welche die Festigkeit des Eisens durch geringe Beimischungen erleidet“ (das. 1826); „Ueber das Erz-führende Kalksteingebirge von Tarnowitz“ (das. 1827); „Der Amalgamationsprozeß“ (das. 1828); „Die chemische Wahlverwandtschaft“ (das. 1834); „Ueber die Carburete des Eisens“ (Monatsber. d. Akad. 1846); „Davy’sche Sicherheitslampe“ (Archiv A. 1. 165); „Uebersicht des Zustandes des Bergbaues und Hüttenwesens in Schlesien“ (das. 6. 3); „Beitrag zur Bleihüttenkunde“ (das. VI. 92); „Beitrag zur Kupferhüttenkunde“ (das. 294); „Ueber die Scheidung des Silbers vom Kupfer etc.“ [das. 371); „Ueber Bereitung und Behandlung des Gußstahls“ (das. IX. 397); „Untersuchungen über die kohligen Substanzen des Mineralreichs überhaupt und in der preußischen Monarchie insbesondere“ (das. XII. 3); „Ueber den Kieselerdegehalt der Mineralquellen etc.“ (das. 468); „Ueber die Zusammensetzung des Glühspans“ (das. XIII. 365); „Gemischte Untersuchung verschiedener Erze und Mineralien“ (das. XV–XVII); „Ueber Atomengewichte und isomorphe Bildung in der Zusammensetzung der Silikate“ (das. B. IV. 362); „Ueber Bildung und Umbildungen der Gebirge durch Contakt (das. X. 495); „Ueber Steinkohle, Braunkohle und Torf hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung“ (das. XI. 379); „Ueber Anwendung der rohen Steinkohle beim Betriebe der Hohöfen zum Eisenschmelzen“ (das. XII. 496); „Ueber die Steinsalzablagerungen bei Staßfurt etc.“ (das. XXI. 487); „Ueber die gegenseitigen Beziehungen, in welchen Anhydrit, Steinsalz und Dolomit in ihrem natürlichen Vorkommen zu einander stehen“ (das. XXII); „Zur Lehre der Erzlagerstätten“ (das. 740); „Ueber die Besteuerung der Bergwerke im preußischen Staate“ (das. XXIV. 505); „Die Entsilberung des silberhaltigen Bleis“ (das. XXV. 192); „Ueber die Bereitung des Gußstahls“ (das. 218) und als eine seiner letzten Abhandlungen: „Ueber Feuermeteore etc.“ (das. XXVI. 295. 1853). Auch veröffentlichte K. in seinem Archiv seit 1823 eine Uebersicht der berg- und hüttenmännischen Production in der preußischen Monarchie. K. war Mitglied vieler gelehrter Gesellschaften; schon 1822 war er als Mitglied in die Berliner Akademie der Wissenschaften aufgenommen, 1826 wurde er als Mitglied der Leop. Carol. Akademie und 1845 zum ord. Mitglied der Göttinger Akademie gewählt. Viele gelehrte Vereine ehrten ihn durch Diplome. Auch wirkte er in vielen wissenschaftlichen Vereinen und Gesellschaften selbstthätig mit. Außer früheren Auszeichnungen erhielt K. den rothen Adlerorden III. Cl.; 1845 den der II. Cl. mit Eichenlaub.
Karsten: Karl Johann Bernhard K., preuß. Geh. Oberbergrath in Berlin, einer der hervorragendsten Hüttenmänner und fruchtbarer Schriftsteller der Metallurgie, geb. am 26. Novbr. 1782 zu Bützow, † am 22. Aug. 1853 in Berlin. Sohn des Professors der Nationalökonomie in Rostock,- Nekrolog in Karsten’s Archiv XXVI, 222. Abh. d. Gesellsch. d. Wiss. in Göttingen, Bd. V. Poggendorff, Biogr. I. 1227.