ADB:Krug, Leopold (Nationalökonom)

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Artikel „Krug, Johann Leopold“ von Karl Theodor von Inama-Sternegg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 216–219, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krug,_Leopold_(National%C3%B6konom)&oldid=- (Version vom 23. April 2024, 11:22 Uhr UTC)
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Band 17 (1883), S. 216–219 (Quelle).
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Krug: Johann Leopold K., Statistiker und Nationalökonom, geb. zu Halle a. d. Saale am 7. Juli 1770 als zweiter Sohn des Johann Philipp K., der bis 1763 Feldscheerer bei dem Regiment Anhalt, dann Controleur bei den königl. Holzmagazinen in Halle war. Seine Studien machte Leopold K. vollständig in Halle, an der Universität widmete er sich vornehmlich der Theologie und nahm nach fünfjährigem Studium derselben im September 1792 eine Stelle als Katechet der lutherischen Gemeinde in Bernburg an. Doch hatte sich schon sehr früh eine ausgesprochene Vorliebe für Statistik bei ihm entwickelt, welche sich durch die Vorlesungen des Historikers und Statistikers Krause in Halle und durch persönlichen Verkehr mit demselben noch mehr befestigte, so daß der junge Katechet seine reichliche Muße alsbald zur Entwerfung statistischer Werke verwendete. Der erste Versuch, eine systematische preußische Statistik zu bearbeiten, mußte zwar bei dem Mangel genügender Hülfsmittel aufgegeben werden; dafür machte sich K. mit um so größerem Eifer an die Verfassung eines topographisch-statistisch-geographischen Wörterbuches der preußischen Staaten, wozu ihm sein Jugendfreund, der Buchhändler Kümmel in Bernburg, die nöthigen Hülfswerke verschaffte. Das Werk, welches die Beschreibung des preußischen Staates in der Gestalt bieten sollte, welche ihm die großen Erwerbungen von 1793–95 gegeben hatten, begann 1795 zu erscheinen und es fand größeren Beifall, als der Verfasser selbst erwartet hatte. Schon im folgenden Jahre wollte K. ein Journal, den preußischen Staatsanzeiger, herausgeben, konnte aber schon für die erste Abhandlung über das preußische Soldatenwesen nicht die Genehmigung der Censurbehörde erlangen. Doch ward durch die Behandlung dieser Censurangelegenheit der König selbst auf K. aufmerksam, und da dieser überdies durch eine kleine Schrift „Ueber die Leibeigenschaft der Landbewohner in den preußischen Staaten“ sich den Beifall des Königs erwarb, so ward ihm durch unmittelbaren königlichen Befehl der Antrag gemacht, gleichsam als Entschädigung für die Benachtheiligung, welche ihm die Censur zugefügt hatte, und als Beweis besonderen Vertrauens in seine Arbeitskraft eine Anstellung im Staatsdienste anzunehmen. Mit Vergnügen griff der strebsame Statistiker zu, der schon lange im geistlichen Dienste „ein Haar gefunden“ und denselben auch seit Ende 1799 verlassen hatte, um ganz ungestört seinen staatswissenschaftlichen Studien zu leben. In seiner neuen Stellung als geh. Registrator, welche er im December 1800 antrat, fand er bald die erwünschte Gelegenheit, die bereits früher geplante systematische Bearbeitung der preußischen Statistik mit dem ihm jetzt zu Gebote [217] stehenden Material der geh. Departementsregistraturen aufzunehmen, und so entstand im J. 1803 der „Abriß der neuesten preußischen Statistik“, wol der erste Versuch einer aus durchaus amtlichen Quellen geschöpften Darstellung der preußischen Staatszustände, die dem Verfasser neuerdings den besonderen Beifall des Königs verschaffte. Im folgenden Jahre beendete K. mit dem 13. Bande sein großes Wörterbuch des preußischen Staates und hatte nicht blos die Freude, daß der König es durch die Landescollegien allen Behörden als ein sehr nützliches Werk empfehlen ließ, sondern konnte auch sogleich an die Herstellung einer zweiten Auflage schreiten. (Eine 3. Aufl. erschien später unter seiner Anleitung von Mützell, 1821–25 in 6 Bänden.) Im selben Jahre noch eröffnete K. mit Prof. Jakob in Halle ein neues Journal unter dem Titel „Annalen der preußischen Staatswirthschaft und Statistik“, an dem er sich selbst mit mehreren Abhandlungen betheiligte (über das Nationaleinkommen des preußischen Staates, statistische Monographien über Ostfriesland, Ostpreußen, Westpreußen und Paderborn). Aus diesen Vorarbeiten erwuchs dann 1805 das große Werk „Betrachtungen über den Nationalreichthum des preußischen Staates und über den Wohlstand seiner Bewohner“, gleichsam der ausführliche Commentar zum „Abriß der preußischen Statistik“, womit K. seinen Ruf als scharfsinniger und umsichtiger Nationalökonom begründete und zugleich für die Entwickelung der preußischen Statistik Epoche machte. Denn der König, welcher überhaupt die Leistungen Krug’s mit großer Aufmerksamkeit verfolgte, nahm von diesem Buche den Anlaß, um die in allgemeinen Umrissen bereits von Stein entworfene Idee eines eigenen statistischen Bureau’s zu verwirklichen. Es sollten in demselben die bei den verschiedenen Departements und Behörden des Generaldirectoriums und des schlesischen Finanzministeriums, sowie bei den Specialdepartements geführten statistischen Tabellen gesammelt und zu einem Ganzen bearbeitet werden, um die von K. begonnenen Uebersichten über den preußischen Nationalreichthum zu berichtigen, jährlich fortzusetzen und die Veränderungen in dem Stande desselben zu übersehen. Für diese neue Schöpfung wurde auch sofort K. als Beamter mit dem Range eines Kriegsrathes angestellt, entwarf die Instruction des Bureau’s, und nur eine Informationsreise, welche K. mit dem Staatsminister v. Stein unternahm, verzögerte die Einrichtung desselben bis gegen Ende des J. 1805. Die Stellung Krug’s in dem Bureau war allerdings nicht klar; er sollte nach den Intentionen des Königs, auf welchen derselbe auch trotz zweimaliger Gegenvorstellung Stein’s verharrte, unmittelbar unter dem Staatsministerium stehen und die Geschäfte des Bureau’s leiten, thatsächlich war er aber dadurch, daß der im Range höher stehende geh. Finanzrath v. Beguelin gleichfalls in dem Bureau eine Stellung erhielt, diesem vielfach untergeordnet; und bevor noch eine Regelung dieser Verhältnisse eintrat, wurde in Folge der kriegerischen Ereignisse die Wirksamkeit des Bureau’s auch schon wieder sistirt (1. Oct. 1806). Doch hatte K. inzwischen bereits seine Organisationsvorschläge für die statistischen Aufnahmen und die Arbeiten des Bureau’s entworfen, welche in der Anfertigung von drei großen Tabellen gipfeln sollten: eine statistische Tabelle vom Zustande der Städte, beziehungsweise des platten Landes, eine Bevölkerungs- und eine Produktions- und Viehstandstabelle. Ueber dieses Project ließ sich der Minister v. Stein Gutachten von den Regierungspräsidenten zu Königsberg, Plock, Minden und Münster geben, die allerdings wenig zu Gunsten des Verfassers ausfielen. Während der Kriegszeit, die für K. eine Zeit unfreiwilliger Muße von Amtsgeschäften war, arbeitete er seine Ideen zu einer staatswissenschaftlichen Statistik 1807, seinen Abriß der Staatsökonomie oder Staatswirthschaftslehre 1808 und die Geschichte der staatswirthschaftlichen Gesetzgebung im preußischen Staate 1808. Doch meldete er sich schon am Ende des [218] Jahres zum Wiedereintritt in seinen früheren Dienst, als man in dem Publicandum vom 16. Decbr. 1808 betreffend die neue Organisation der obersten Staatsbehörden auch die Wiedererrichtung des statistischen Bureau’s in Aussicht nahm. Inzwischen war aber in der Person des damaligen Staatsraths J. G. Hoffmann (Bd. XII S. 598) der preußischen Statistik eine Kraft erwachsen, welche sich K. entschieden überlegen zeigte; schon jene besonders scharfe und einschneidende Kritik der Krug’schen Tabellenentwürfe von 1806, welche der Regierungspräsident v. Auerswald von Königsberg eingesendet hatte, stammte aus Hoffmann’s Feder; und seit dieser im Ministerium des Innern als Gewerbereferent fungirte, wurde er in immer steigendem Maße als fachmännische Autorität in allen Fragen der administrativen Statistik beigezogen, so daß, als endlich im J. 1810 das statistische Bureau wieder hergestellt wurde, das auf Grund eines neuen, von Hoffmann entworfenen Organisationsplanes erfolgte, und diesem, gleich wie selbstverständlich, die Direction übertragen wurde. Allerdings empfand K. diese Ernennung Hoffmann’s als eine Zurücksetzung in seiner eigenen Stellung, da er doch früher unmittelbar dem Minister untergeordnet war; und das persönliche Verhältniß Krug’s zu Hoffmann ließ auch lange Zeit hindurch sehr viel zu wünschen übrig, um so mehr, als das weiche gemüthliche Naturell Krug’s und das stramme vornehme Wesen Hoffmann’s gar stark contrastirten. Aber Krug’s stets bewährtes Pflichtgefühl und seine ausgesprochene Liebe zur statistischen Arbeit ließen ihn über diese Mißlichkeiten seiner Stellung hinauskommen; auch war er häufig und für längere Zeit faktisch mit der Leitung des Bureaus betraut, da Hoffmann, als der unentbehrliche Begleiter Hardenberg’s, oft für lange Zeit verreist war. Doch ist offenbar mit dieser Zeit die Schaffensfreudigkeit und Energie Krug’s schon beträchtlich geschwächt worden. Abgesehen von zwei kleinen Schriftchen über die neue preußische Zinsgesetzgebung 1809 und über die Armenassecuranz 1810 ist bis 1822 keine Schrift mehr von ihm erschienen. In wie weit etwa Hoffmann’s Einfluß auf diese Zurückhaltung reichte, ist nicht zu sagen, doch äußert sich K. wiederholt in seinen Briefen, daß er die Lust an der Schriftstellerei verloren habe, weil er das nicht schreiben dürfe, was er gerne behandeln möchte. Nur ein kleines Schriftchen über das Friedrichs-Waisenhaus zu Berlin 1822, zwei Hefte staatswissenschaftlicher Anzeigen 1826, sowie der Anfang einer Topographie der preußischen Monarchie (Ostpreußen 1833) sind weiterhin noch während seiner Amtsthätigkeit erschienen. Auch für die Entwickelung der administrativen Statistik trat K. seit der Reorganisation des Bureaus durch Hoffmann nicht mehr bedeutsam hervor. Wol hat er 1811 das Schema für die Statistik der Grundschulden, 1814 die Formularien für die Statistik der landwirthschaftlichen Kreditsysteme, 1826 eine Berechnung des Altersaufbaues der Bevölkerung aus den Civilstandsregistern entworfen und leitete 1826–34, so lange Hoffmann in Folge der Unterordnung des statistischen Bureaus unter das Ministerium des Innern sich von den unmittelbaren Arbeiten desselben ferne hielt (s. das Nähere hierüber oben, Bd. XII. S. 600) die Abtheilung für Bevölkerungs- und Industriestatistik, sowie für Verfassungsverhältnisse selbständig. Doch war es überhaupt seinem Wesen entsprechender, im Einzelnen bessernd und berichtigend, als im Großen schöpferisch zu wirken; und Hoffmann’s starkes Selbstbewußtsein war nicht darnach angethan, neben sich einen maßgebenden Einfluß auf die Wirksamkeit des Bureau’s aufkommen zu lassen. Die letzte große wissenschaftliche Arbeit Krug’s „Die Geschichte der preußischen Staatsschulden“, welche er schon 1823 fertig machte, durfte er unter dem damaligen ängstlichen Regime nicht veröffentlichen, nur ein kleiner Theil über die Staatsschuldscheine ist in seinen staatswirthschaftlichen Anzeigen erschienen; eifrig und gewissenhaft trug er jedoch [219] auch später noch die neuesten Daten in dem Manuscripte nach, so daß es noch eine werthvolle Bereicherung der staatswissenschaftlichen Litteratur bildete, als es 1861 aus seinem Nachlasse von C. J. Bergius veröffentlicht wurde. Krug’s Verhältniß zu Hoffmann besserte sich zwar mit den Jahren und gegen das Ende seiner Dienstzeit hatte sich ein vollkommen freundlicher Verkehr zwischen beiden herausgebildet. Doch veranlaßte ihn zunehmende Kränklichkeit, vom 1. Jan. 1835 ab in den Ruhestand zu treten. Auf seinem 1829 gekauften Gute Mühlenbeck (2 Meilen von Berlin), das sein ältester Sohn verwaltete, brachte er seine letzten Lebensjahre zu und verschied sanft am 16. April 1843, dem 1. Osterfeiertage, im 73. Jahre seines Lebens. K. war seit 1802 verheirathet und hinterließ zwei Söhne. In seinem Familienkreise, wie im persönlichen Verkehr mit einem ausgedehnten Bekanntenkreis, galt er stets als ein außerordentlich gutmüthiger und offener Charakter; mit seinem älteren Bruder Philipp K., der schon 1789 nach Rußland gekommen war und später Adjunct bei der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, zuletzt ordentlicher Akademiker in St. Petersburg wurde, stand er 46 Jahre lang in regem Briefwechsel. Selbständig, wie sein Charakter, war auch seine ganze Entwickelung, und er hebt es wiederholt in seinen Briefen hervor, wie sehr es ihn befriedige, daß er seine rasche Beförderung nicht seinen Bewerbungen oder einer Protection, sondern nur seinen Leistungen verdanke. Auch seine wissenschaftliche Entwickelung war ganz selbständig, autodidaktisch; daher auch seine Schriften bei allem Scharfsinn und vielfach origineller Auffassung doch den Charakter des Unfertigen, Ungleichmäßigen an sich tragen; besonders in den systematischen Arbeiten über die preußische Staatsverwaltung mußte sich dieser Mangel genügender Schulung und allseitiger Vorbildung empfindlich fühlbar machen, wie ja auch seine Organisationsentwürfe, deren Kritik durch die Praktiker ihn für immer von der Leitung der amtlichen Statistik ausschloß, zumeist an dem Mangel genügender Beherrschung des Gegenstandes litten. Als Nationalökonom ging K. von den physiokratischen Grundsätzen des aufgeklärten Absolutismus aus und ist in der Folge durch den dominirenden Einfluß von Ad. Smith zum warmen Vertheidiger der liberal-politischen Doctrin geworden, welche in dem preußischen Regierungssystem unter Stein und Hardenberg ihren glänzendsten Ausdruck gefunden hat; und er hat sich um dieses System entschiedene Verdienste erworben, indem gerade die exacte Richtung der Forschung, wie sie K. eingeschlagen hatte, der neuen staatswirthschaftlichen Auffassung einen sicheren Boden zu bereiten geeignet war. Auch im Communaldienste der Stadt Berlin hat sich K. um Armenpflege und Humanitätsanstalten manches Verdienst erworben. Seine Schriften über die Armenassecuranz und das Friedrichs-Waisenhaus verwerthen die vielfachen, nicht immer erfreulichen, Erfahrungen, welche er sich durch seine praktische Thätigkeit auf diesem Gebiete gesammelt hat.

Ein ehrenvolles Denkmal, das zugleich von dem guten Verhältnisse zeugt, welches trotz des anfänglichen Antagonismus zwischen den beiden tüchtigsten Statistikern der älteren Aera bestand, hat ihm sein Director J. G. Hoffmann selbst in der allg. preuß. Staatszeitung gesetzt (Nekrolog vom 13. Mai 1843). N. Nekrol. d. Deutschen 1843. Roscher, Gesch. d. N.Oe. 497. Krug’s nachgelassene Schriften, herausgegeben von C. J. Bergius, I. 1861. Vorrede, mit den Briefen Krug’s an seinen Bruder Philipp, und einigen Actenstücken. – Meine Biographie von J. G. Hoffmann in d. Allg. d. Biogr., Bd. XII.