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ADB:Kruse, August Freiherr von

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Artikel „Kruse, August Freiherr von“ von Karl Schwartz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 258–261, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kruse,_August_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 06:05 Uhr UTC)
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Kruse: August Freiherr v. K., herzoglich Nassauischer Generallieutenant, geb. am 5. November 1779 zu Wiesbaden, † am 30. Januar 1848, Sohn des Präsidenten v. K. (s. u. S. 265). Nachdem er durch Hauslehrer vorbereitet war, ließ der Vater, seinem dringenden Wunsche nach einer militärischen Laufbahn, wenn auch nur ungern nachgebend, ihn 1796 bei der hannöverschen Garde eintreten, wo er nach einem Jahre zum Lieutenant ernannt wurde. Als aber in seiner Nassauischen Heimath 1803 in Folge der durch den Reichsdeputationsschluß erlangten Gebietsvermehrung eine neue Organisation der Truppen vorbereitet wurde, trat er dort ein und formte, zum Hauptmann ernannt, die Weilburger Jägerdivision in ein Infanteriebataillon um. Bei dem trefflichen Fürsten Friedrich Wilhelm von Nassau-Weilburg stand er in Gunst und Ansehen, begleitete ihn auch 1804 zur Kaiserkrönung Napoleons nach Paris. Nachdem Weilburg und Usingen dem Rheinbund beigetreten waren, vereinigten sie (30. August 1806) ihre Truppen zu einer gemeinschaftlichen Brigade und K., zum Major befördert, befehligte nun das um und in Weilburg stehende 2. Infanteriebataillon. Als 1806 der Krieg mit Preußen ausbrach, mußte die Nassauische Division unter Oberst Konrad von Schäffer zur Unterstützung der Franzosen ausmarschiren. An der Schlacht bei Jena (14. October) nahm jedoch nur das 3. Bataillon Theil, worauf es sich mit den drei anderen Bataillonen in Berlin vereinigte. Im Juni 1807 wurden das 2., 3. und 4. Bataillon unter Oberst v. Schäffer nach Colberg beordert und bis zu Ende der Belagerung dem französischen General Fririon untergeben; sie nahmen an den Gefechten vom 29. und 30. Juni Theil und wurden darauf Mitte Juli dem Corps des Marschalls Brune zugewiesen, welcher das von den Schweden besetzte Stralsund belagerte. Der Division Pino zugetheilt, betheiligten sie sich rühmlich an den Gefechten vom 6. bis 29. August. Nachdem die Convention des 7. September 1807 hier dem Feldzug ein Ende gemacht, kehrten sie mit den übrigen Nassauischen Truppentheilen in die Heimath zurück. Am 1. Januar 1808 hielt Herzog Friedrich August von Nassau-Usingen große Revue über seine Truppen und belobte sie in einem Tagesbefehl dafür, daß sie sich „die Achtung der ersten jetzt lebenden Helden erworben“ hatten. Noch in demselben Jahre mußten aber die nassauischen Truppen nach Spanien ausrücken, in der Stärke von zwei Infanterieregimentern nebst der zweiten Schwadron reitender Jäger, welcher am 13. März 1813 auch die erste Schwadron nachfolgte. Diese „nassauische Brigade“, welche jedoch fast nie vereinigt war, stand wiederum unter Schäffer’s Befehl; das erste Regiment unter Oberst v. Pöllnitz, der am 11. Juli 1811 im Gefecht bei Mataro schwer verwundet wurde und am 13. daselbst starb, worauf ihm Oberst v. Meder im Commando folgte. Das zweite Regiment befehligte K., noch vor dem Feldzug zum Oberstlieutenant und schon am 2. October 1808 zum Oberst befördert. Die reitenden Jäger commandirte Oberst v. Bismark. Am 3. October in Langon eingetroffen, ward Oberst K. durch ein Schreiben des französischen Kriegsministers Clarke unangenehm überrascht, welches seinem Regiment vorwarf, auf dem Marsch durch Frankreich Excesse begangen zu haben. K., welcher stets die strengste Mannszucht unter seinen Truppen hielt und auch während des Marsches rastlos an ihrer militärischen Ausbildung arbeitete, rechtfertigte sich ausführlich dagegen und der Kriegsminister mußte dem nassauischen Gesandten gegenüber bekennen, daß sein Vorwurf auf einem Irrthum beruht habe. Am 11. October traf das Regiment in Bayonne ein und rückte nun, der Division Leval zugetheilt, mit dem Armeecorps des Marschalls Lefebvre unmittelbar gegen die spanische Armee unter General Blake vor. Das Regiment Nassau kam zuerst am 25. October bei Zornosa mit den feindlichen Vorposten ins Gefecht, nahm an den siegreichen Schlachten bei Durango (31. October) und Valmaseda (8. November) Theil und [259] stieß am 9. December zu der um Madrid concentrirten großen Armee. Am 10. December hielt der Kaiser eine Revue über das Regiment ab, bezeigte seine volle Zufriedenheit und schmückte Oberst K. nebst Anderen mit dem Kreuz der Ehrenlegion.

Während der folgenden Jahre blieb nun bis gegen Ende 1813 das erste nassauische Regiment in Barcelona und wirkte von dort aus bei vielen Unternehmungen in Catalonien mit. Das zweite Regiment dagegen, zeitweise mit der Jägerschwadron vereinigt, bestand in glänzender Weise zahlreiche Kämpfe in Estremadura, Alt- und Neu-Castilien und Murcia. Ein Ehrentag des Regiments war der 17. März 1809, an welchem die Division Leval bei Mesa-de-Ibor den fünffach überlegenen Feind, freilich unter schweren Verlusten, warf. Auch in der blutigen Schlacht bei Medellin (28. März 1809), wo das heldenmüthig kämpfende, schon auf 500 Mann zusammengeschmolzene Regiment 129 Todte und Verwundete zählte, erwarb es sich so hohe Anerkennung, daß man in der Armee sagte: „Nassau a décidé la bataille“. Oberst K. ward an diesem Tage mehrfach verwundet. In der siegreichen Schlacht bei Ocana (19. November 1809) commandirte Oberst K. die erste Brigade. Auch das Jahr 1810 bot dem zweiten Regiment unter Kruse’s Führung in unausgesetzten Guerillakämpfen reichlich Gelegenheit seine Bravour und Ausdauer zu beweisen, besonders in dem blutigen Sieg bei Soquellamos am 7. September über den gefürchteten Guerillaführer Franciscetti. Nachdem Generalmajor v. Schäffer am 1. Januar 1810 vom Herzog nach Deutschland zurückgerufen war, nahm Oberst K. unter den nassauischen Officieren in Spanien die erste Stelle ein. Im J. 1811 focht das zweite Regiment bei Penas de San Pedro am 30. Januar, bei Villa nuova de la Fuenta am 2. November, bei Ciudad Real am 31. December; im J. 1812 bei Almagro am 16. Januar, bei Porzuna am 18. Januar, bei Quintanar del Orden am 25. April, bei Colmenar el viejo am 1. Juli, bei Navas del Marques am 1. August, bei Salamanca am 14. November; im J. 1813 bei Valladolid am 8. Mai, bei St. Domingo am 18. Juni und endlich unter dem Oberbefehl König Josephs und Jourdan’s in der blutigen Schlacht bei Vittoria am 21. Juni, wo auch die aufopferndste Tapferkeit (das Regiment hatte sich den Ehrennamen „la citadelle mobile“ erworben) Wellington’s Sieg nicht aufzuhalten vermochte. Nachdem am 12. Juli Marschall Soult das Commando der Armee übernommen hatte, erhielt Oberst K. den Befehl über die aus dem zweiten Regiment Nassau, dem Regiment Baden und dem Bataillon Frankfurt bestehende „deutsche Brigade“.

Nachdem die Schlacht bei Leipzig Deutschlands Befreiung entschieden hatte, erklärten die beiden nassauischen Fürsten am 16. November ihren Uebertritt zu den Alliirten. Schon vorher hatte Herzog Friedrich August dem Oberst K. im Geheimen den Wink zugehen lassen, daß er auf ein ihm noch zu gebendes, in einer unverfänglichen Depeche enthaltenes Stichwort seine Truppen zu den Engländern hinüberführen solle. K. vollführte zu Bayonne am 10. December diesen schwierigen Auftrag in einer dunkeln Nacht glücklich, wenn auch mit Aufopferung von einigen Offizieren, einiger Mannschaft sammt der Kasse. Das Frankfurter Bataillon schloß sich ihm an. Es war ein Wagniß, welches die höchste Unerschrockenheit und Umsicht forderte. Oberst v. Meder, dem der entsprechende Befehl durch K. zugegangen war, trat statt dessen in französische Dienste und fand bald darauf in einem Gefecht seinen Tod; sein Infanterieregiment und die reitenden Jäger wurden entwaffnet. Oberst K. mit seinem Regiment ward nun nach England hinübergeführt, wo sie nach stürmischer Fahrt am 4. Januar 1814 in Portsmouth landeten. Das Regiment, welches seit seinem Ausmarsch 14 Offiziere und 1661 Mann Ersatz erhalten hatte, zählte bei der Landung noch [260] 22 Offiziere und 630 Mann. Die Leute, seit dem Uebertritt zu den Engländern von allen Hülfsmitteln entblößt, befanden sich, wie K. damals berichtet, in einem Zustand „de nudité absolue, même j’ose dire dans la misère“.

Auf den Wunsch des englischen Gouvernements und des Prinzen von Oranien ward das Regiment (mit nachträglich gegebener Zustimmung der beiden nassauischen Fürsten) im Februar nach Holland geschickt, wobei sich in der Nacht vom 8. bis 9. Februar das Unglück ereignete, daß zwei Schiffe strandeten und 12 Offiziere nebst 218 Mann ihr Grab in den Wellen fanden. Das Regiment nahm noch an der Belagerung und Einnahme von Bergen op Zoom Theil. Oberst K. ward darauf nach Deutschland zurückberufen, um an Stelle des Generalmajors v. Schäffer, der schon am 1. Mai 1813 in gleicher Eigenschaft in badische Dienste getreten war, die Leitung des Kriegsdepartements und später das Generalcommando der Truppen zu übernehmen. Er traf am 31. März in Wiesbaden ein, wo er sofort mit ganzem Eifer die Reorganisation der Truppen bewerkstelligte. 1815 übernahm er dann, zum Generalmajor ernannt, das Commando der nassauischen Brigade, welche zum Herzog von Wellington stieß; doch wurden auch diesmal die einzelnen Truppenkörper der Brigade wieder von einander getrennt. An der Schlacht bei Quatrebras (16. Juni) nahmen das zweite Regiment und die nassau-oranischen Truppen, an der Entscheidungsschlacht von Waterloo (18. Juni) sämmtliche nassauische Truppen Theil. Die erlittenen unverhältnißmäßig großen Verluste sind ein Zeichen des Todesmuthes, mit dem sie fochten, namentlich bei der Vertheidigung von La Haye sainte, Papelotte und Hougomont. Das erste Regiment, bei dem sich General K. befand, stand im Centrum den wüthenden Angriffen der französischen Garden gegenüber. Von Paris aus ward das zweite Regiment nach den Niederlanden zurückgeschickt, von wo es erst 1820 in die Heimath zurückkehrte. Mit dem ersten Regiment und dem Regiment Oranien dagegen hielt General K. am 28. December seinen Einzug in Wiesbaden. Das Regiment Oranien ward am 3. Januar 1816 aufgelöst. General K. erhielt als Lohn seiner ausgezeichneten Dienste vom Herzog die Anwartschaft auf das Lehensgut Hof-Hausen unweit Wiesbadens, in dessen Besitz er 1822 kam. 1818 war er zum Mitglied des Staatsrathes ernannt. Schon 1815 hatte er sich mit der an Schönheit, Tugend, Geist und Bildung gleich ausgezeichneten Henriette v. Dungern, Tochter des Oberstallmeisters und Geheimrathes Friedrich Heinrich v. Dungern, verlobt und am 7. November 1816 in Weilburg vermählt. Die Ehe war, obwol kinderlos, eine überaus glückliche.

Getragen von dem unbedingten Vertrauen des Herzogs Wilhelm wie von der allgemeinsten Verehrung wirkte nun K. als Präsident des Kriegscollegiums und Generalcommandant der Truppen auf das Ersprießlichste bis zum J. 1837. Die allgemeine Militärpflicht ward eingeführt; Bewaffnung und Bekleidung wie das Dienstreglement wurden verbessert; statt der aufgelösten reitenden Jäger und der Cavallerie ward 1822 die Artillerie eingeführt und im Laufe der Jahre zu einer ausgezeichneten Waffe ausgebildet. Ihre Organisation und die Einrichtung der Zeughauswerkstätte ward dem einsichtigen und kenntnißreichen General v. Hadeln übertragen, der auch an der Spitze der im J. 1819 in Wiesbaden errichteten Militärschule stand.

Im Frühjahr 1837 fühlte K., bei dem die unsäglichen Anstrengungen und Entbehrungen des spanischen Krieges trotz seiner sonst kräftigen Gesundheit doch nicht ohne Rückwirkung geblieben waren, eine Abnahme seiner Kräfte, welche ihn fürchten ließ, er werde den Pflichten seines Dienstes nicht mehr voll gewachsen sein. Am 13. Mai 1837 gewährte der Herzog seine Pensionirung unter Ernennung zum Generallieutenant. Sein Nachfolger im Generalcommando war sein Schwager, der Generalmajor v. Preen. K. lebte fortan als eifriger Landwirth [261] auf seinem Gute Hof-Hausen, mit dem trefflichen Director des Landwirthschaftlichen Institutes in Wiesbaden, dem nachmaligen Geheimen Regierungsrath Albrecht (Bd. I S. 322), innig befreundet. Auch gehörte er zu den Gründern und eifrigsten Förderern des Landwirthschaftlichen Vereins für das Herzogthum Nassau, dessen Präsident er ward und blieb. Als ein Zeugniß seines edlen Herzens verdient es hervorgehoben zu werden, daß er eine auf seinem Gute mit großen Kosten eingerichtete und mit großem Vortheil betriebene Branntweinbrennerei, als ihn 1843 Schriften gegen den Branntwein von dem entsittlichenden Einfluß dieses Getränkes überzeugten, ohne Rücksicht auf seinen Verlust sofort eingehen ließ. Auch in der ersten Kammer wirkte der „General“, wie er im Volksmunde nur hieß, als thätiges Mitglied, ein aufrichtiger Anhänger und Verfechter der Verfassung, wie sein Freund, der Regierungspräsident v. Ibell (Bd. XIII S. 737). Ibell und K. sind die beiden bedeutendsten Männer, welche das nassauische Land in der neueren Zeit hervorgebracht hat. Wie in Ibell’s Wirken sich die gesammte Entwickelung der nassauischen Civilverwaltung abspiegelt, so in Kruse’s Thätigkeit die Geschichte des nassauischen Militärwesens. Beide Männer, vom Schicksal in den Boden eines großen Staates gepflanzt, würden ohne Zweifel zu geschichtlicher Berühmtheit emporgestiegen sein. In K. fand sich in der That eine seltene Vereinigung hoher und edler Eigenschaften des Geistes und Charakters. Auf seinem Gute Hof-Hausen widmete er sich, den Fortschritten der Landwirthschaft mit Interesse folgend, eifrig der Oekonomie, daneben auch mit schriftstellerischen Arbeiten für landwirthschaftliche, militärische und politische Zeitschriften beschäftigt. Sein Freund Bercht, der Redacteur des „rheinischen Beobachter’s“ (Bd. II S. 352) veranlaßte ihn auch, dem dringenden Wunsche vieler Freunde nachzugeben und die „Erinnerungen aus seinem Leben“ aufzuzeichnen. Doch konnte er sich zur Veröffentlichung derselben nicht entschließen und das Manuscript scheint leider mit all’ seinen anderen Papieren seiner letztwilligen Verfügung gemäß gleich nach seinem Tode verbrannt zu sein. – Im November 1839 unternahm er mit seiner Gemahlin und seiner Adoptivtochter Amalie eine Reise nach Südfrankreich und Italien, von welcher er im Mai 1840 zurückkehrte. – Während des Sommers 1847 war der General leidend, ohne gerade krank zu sein. Gegen Ende des Jahres schien sich eine Besserung einzustellen; eine hinzutretende Erkältung führte aber im Januar 1848 rasch die Erschöpfung der Kräfte herbei; ohne eigentlichen Todeskampf schloß er am 30. Januar in den Armen der geliebten Gattin die Augen. – General K. war ein schöner, stattlicher Mann, wenig über mittlere Größe, wohlgewachsen und von edler Haltung; er hatte ein lebhaftes, geistreiches Auge und sein einnehmendes Antlitz trug den Charakter eines durch Freundlichkeit gemilderten Ernstes. Sah man ihn nicht in Uniform an der Spitze seiner Soldaten, so konnte man ihn eher für einen Staatsmann als für einen General halten. – Seine Wittwe verlegte nach seinem Tode ihren Wohnsitz in ihre Vaterstadt Weilburg, wo sie am 29. December 1873 gestorben ist.

Vgl. die Werke von Jones, Napier und Riegel über den Krieg in Spanien; G. Muhl, Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Generallieutenants Freiherrn C. R. v. Schäffer, Pforzheim 1840; Hergenhahn, Antheil der herzogl. nass. Truppe am span. Kriege von 1808–1814, Wiesbaden 1840; Ph. v. Rößler, Die Geschichte der herzogl. nass. Truppe mit einer Abbildung derselben während der Feldzüge in Spanien und mit Karten, Wiesbaden 1863; N. Nekrol. d. Deutsch., Jahrg. 26 (1848), S. 818 ff. (von B. Hain). Die sehr reichhaltigen nass. Militäracten im kgl. Staatsarchiv zu Wiesbaden.