Zum Inhalt springen

ADB:Köstlin, Heinrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Köstlin, K. Heinrich“ von Julius Köstlin, Melchior Josef Bandorf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 758–759, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%B6stlin,_Heinrich&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:07 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Köstlin, Gottlieb
Nächster>>>
Köstlin, Nathanael
Band 16 (1882), S. 758–759 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Heinrich Gotthilf von Köstlin in der Wikipedia
Karl Heinrich Gotthilf von Köstlin in Wikidata
GND-Nummer 116304413
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|16|758|759|Köstlin, K. Heinrich|Julius Köstlin, Melchior Josef Bandorf|ADB:Köstlin, Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116304413}}    

Köstlin: K. Heinrich Gotth. K., Arzt, geb. den 20. Juni 1787 in Nürtingen, Bruder des August K. Schon in seinem 16. Lebensjahre bezog er die Universität Tübingen. Besonders angeregt und begeistert wurde er hier für seine Wissenschaft durch Kielmeyer, der mit ruhigem, klaren Geiste den Ansprüchen exacter Wissenschaft und den philosophischen zugleich zu genügen suchte, und welchem er sogleich auch persönlich um so näher treten durfte, da ein gleichnamiger Verwandter von ihm (Karl Heinrich K.[WS 1]) ein geschätzter Lehrer Kielmeyer’s in den Naturwissenschaften an der Karlsakademie gewesen war. Ein anderer Hauptlehrer war für ihn, besonders in Anatomie und Physiologie, Autenrieth, unter welchem dort erst der Grund zu einer stehenden medicinischen Klinik gelegt wurde. Den hier empfangenen Anregungen gemäß ging K. auch später als praktischer Arzt immer wieder auf die Naturwissenschaften zurück. Von hier stammte bei ihm auch schon Interesse und Begabung fürs Gebiet der Psychologie und Psychiatrie. Zugleich studirte er mit wenigen Gleichstrebenden, besonders seinem Freunde Nebenius, dem späteren badischen Staatsmann, die junge Schelling’sche Naturphilosophie. Eng befreundet mit Uhland, Just. Kerner und Karl Mayer, schon früher für unsere neue Nationallitteratur begeistert und nun auch von den Reizen der Romantik angezogen, gehörte er ferner zu dem kleinen Kreis, aus welchem die sogenannte schwäbische Dichterschule hervorgegangen ist; die lyrischen und epigrammatischen Kleinigkeiten, welche unter den Pseudonymen Chrysalethes und L. N. im Musenalmanach von 1812 und Deutschen Dichterwald von 1813 erhalten sind, gehören ihm zu. Nachdem er sich noch in Wien weiter gebildet hatte, ließ er sich 1809 als praktische Arzt in Stuttgart nieder. Hier wurde er 1814 als Stadtdirectionsarzt angestellt, 1828 Mitglied des Medicinalcollegiums als Obermedicinalrath. Als Arzt genoß er bei allen Classen der Bevölkerung Vertrauen und Liebe (1834 wurde ihm auch die Stelle eines Leibarztes beim König Leopold von Belgien angetragen). Ihm als Mitglied der Medicinalbehörde verdankte Württemberg vor allem die Organisation seines Irrenwesens, indem er in seiner Stellung im Medicinalcollegium wesentlich mit die Anregung zur Gründung einer neuen Irrenheilanstalt gab [759] und bei den Entwürfen für das im November 1833 eröffnete, in der Folge so berühmt gewordene Winnenthal in hervorragender Weise betheiligt war. Zumeist sein Werk war auch die Ausarbeitung der Satzungen, sowie der Instruktionen, Hausordnung und Dienstesanweisungen, welche sich alle so bewährten, daß sie auch von andern Regierungen für ihre Anstalten eingeführt wurden. Später unternahm er die Neuorganisation der Pflegeheilanstalt Zwiefalten. Als Obermedicinalrath und Mitglied der Aufsichtscommission für beide Anstalten auf diesem Gebiete weiter wirkend, beschäftigte ihn außerdem noch die weitere Ordnung des vaterländischen Irrenwesens. Neben der Feststellung der Principien für Beaufsichtigung von Privatanstalten, welche sich in Württemberg besonders günstig entwickelten, erstrebte er vor allem die Errichtung einer dritten Staatsanstalt, welche außer der Heilung und Pflege der Geisteskranken auch den klinischen Zweck erfüllen sollte. – Leider ist dieses Vermächtniß Köstlin’s, auch jetzt nach Jahrzehnten, in welchen die anderen deutschen Staaten vorausgeeilt sind, für Württemberg immer noch ein dringendes Postulat. Neben dem Irrenwesen fiel ihm weiterhin die Herstellung einer neuen Landespharmakopöe und einer neuen Apothekerordnung als specielle Aufgabe zu. In der 1847 veröffentlichten Pharmakopöe rühren die wichtigsten Arbeiten und die Schlußredaction des Ganzen von ihm her. Auch für jene neue Ordnung wurde der Entwurf von ihm verfaßt und vom Collegium noch mit ihm durchberathen und angenommen. Wegen längst erschütterter Gesundheit trat er als Medicinalrath 1853 in den Ruhestand und legte mit Schluß des J. 1855 auch seine Praxis nieder. Es that ihm wohl, jetzt wieder für die Lectüre neuerer und älterer Philosophen und der poetischen Geisteswerke der verschiedenen Völker Muße zu haben. Er begann ferner noch eine neue Thätigkeit, indem er eine Wahl unter die Kirchenältesten seiner Parochie annahm und als solcher und zugleich als Mitglied der Localleitung des württembergischen Wohlthätigkeitsvereins der Armenpflege diente. Am 18. August 1859 starb er.

Nekrolog im Schwäb. Merkur v. 8. Jan. 1860; Allg. Zeitschr. für Psychiatrie Bd. XVII, S. 381.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Karl Heinrich Köstlin (1755–1783), Professor der Naturgeschichte in Stuttgart.