Zum Inhalt springen

ADB:Leyser, Polykarp von (lutherischer Theologe)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Leyser, Polykarp (I.)“ von Georg Christian Bernhard Pünjer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 523–526, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leyser,_Polykarp_von_(lutherischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 15:45 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 18 (1883), S. 523–526 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Polykarp Leyser der Ältere in der Wikipedia
Polykarp Leyser der Ältere in Wikidata
GND-Nummer 116991534
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|18|523|526|Leyser, Polykarp (I.)|Georg Christian Bernhard Pünjer|ADB:Leyser, Polykarp von (lutherischer Theologe)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116991534}}    

Leyser: Polykarp (I.) L. ward den 18. März 1552 zu Winnenden in Württemberg geboren, wo sein Vater Kaspar L. damals als Pfarrer und [524] Superintendent stand. Nach dessen Tode (1554 oder 55) heirathete die Mutter, Margaretha, geb. Entringer, Tochter eines Tübinger Bürgers aus angesehenem Geschlecht, den Theologen Lukas Osiander (damals Diakonus in Göppingen, 1604 gestorben als Hofprediger und Consistorialrath in Stuttgart). Durch diesen, wie durch den Oheim Jakob Andreae, ward schon die Erziehung Leyser’s im Geiste strengsten Lutherthums geleitet. In der Klosterschule zu Blaubeuren und im Pädagogium zu Stuttgart vorgebildet, bezog L. 1566 als herzoglicher Stipendiat die Universität Tübingen, ward 1570 im Alter von kaum 18 Jahren als der erste unter 32 Candidaten Magister, wandte sich darauf unter Jakob Andreae, Jakob Heerbrand und Theodor Schnepf dem Studium der Theologie zu und ward 1573 in Tübingen zum Predigtamt ordinirt. Schon 1573 ging L. als Prediger nach Gellersdorf in Niederösterreich, von wo aus er öfters in Wien predigte, lehnte einen Ruf nach Graz in Steiermark ab und kehrte 1576 in seine Heimath zurück. Am 16. Juli 1576 zum Doctor der Theologie promovirt, ward er von seinem Herzog zunächst auf zwei Jahre dem Kurfürsten August von Sachsen überlassen und trat 1577 sein arbeitsreiches Amt als Superintendent, Professor und Assessor des Consistoriums zu Wittenberg an. Rasch gewann der noch junge Mann durch persönliche Liebenswürdigkeit und hinreißende Beredtsamkeit die Liebe der Stadt, wie die Achtung der Universität. Im März 1580 verheirathete sich L. mit Elisabeth Kranach, Tochter des Malers und Bürgermeisters zu Wittenberg, Lukas Kranach des Jüngeren. Aus dieser Ehe gingen 13 Kinder hervor, 5 Söhne und 8 Töchter. Als Vertreter der ächt lutherischen Lehre nahm L. auf verschiedenen Conventen am Abschluß des Concordienwerkes Theil und ward neben Joh. Andreae und Nik. Selnekker beauftragt, die Unterschreibung der Concordienformel durch die Kirchen- und Schuldiener des Kurkreises zu betreiben. Als Martin Chemnitz 1586[WS 1] starb, wünschte der Rath der Stadt Braunschweig L. für die dortige Superintendentur zu gewinnen. L. jedoch überließ seinem Kurfürsten die Sache und dieser ließ ihn nicht ziehen. Darauf ward Pastor Heidenreich aus Iglau in Mähren (Bd. XI. S. 303) nach Braunschweig berufen. Je weniger dessen Wirksamkeit befriedigte, desto mehr wünschten die Braunschweiger im J. 1587, nach dem Tode des Coadjutors Joh. Zanger, L. zu gewinnen. Auch für diesen hatten sich seitdem die Verhältnisse geändert. Der Wittenberger Poet Joh. Major, ein eifriger Vorkämpfer der Melanchthon’schen Richtung, hatte ihn heftig angefeindet. Noch mehr Aufsehen erregten die Wesenbeck’schen Händel. Dr. Matthaeus Wesenbeck, geborener Katholik, aber später zum Protestantismus übergetreten, seit Jahren Professor der Rechte an der Universität Wittenberg, starb am 5. Juni 1586 und ward in der Schloßkirche neben Luther beigesetzt. In der (1587 auch im Druck verbreiteten) Leichenpredigt behauptet L., Wesenbeck habe kurz vor dem Tode seinen calvinistischen Irrthum abgelehnt und sei auf gut lutherisch gestorben. Die Erben erklärten, Wesenbeck sei bis ans Ende bei seiner Ueberzeugung beharrt; bittere Streitschriften folgten von beiden Seiten, aus denen der Thatbestand nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann. Vor allem aber hatten nach dem (Februar 1586 erfolgten) Tode des Kurfürsten August unter dessen Sohn Christian I. die Melanchthonianer größeren Einfluß gewonnen, sodaß L., als er wiederum die Entscheidung über den Braunschweiger Ruf seinem Landesherrn überließ, wider Erwarten seine Entlassung erhielt. In Braunschwäg gerieth L. sofort mit dem Superintendenten Heidenreich in Streit, „De generali praesentis totius Christi Dominio“, setzte es jedoch durch, daß die Concordienformel öffentlich der braunschweigischen Kirchenordnung angefügt ward. Heidenreich ward am 16. September 1588 seines Amtes entsetzt und L. am 18. Juli 1589 als Nachfolger eingeführt. Von geringer Bedeutung war sein Streit [525] mit dem Helmstädter Professor Daniel Hoffmann, der einige Aeußerlichkeiten des Concordienbuchs tadelte, z. B. die Aufnahme von Luther’s Trau- und Taufbüchlein, die Hinzufügung des Appendix, den Text der Augustana u. dgl. Kaum war Kurfürst Christian I. 1591 gestorben, als die strengen Lutheraner unter dem Administrator Herzog Friedrich Wilhelm in Sachsen wieder die Oberhand bekamen. Sofort bemühte man sich theils von Wittenberg, theils von Leipzig aus, L. wieder ins Land zu ziehen. Braunschweig aber wollte ihn nicht hergeben und erst nach langen Verhandlungen verstand man sich dazu, ihn auf zwei Jahre leihweise an Sachsen zu überlassen, doch mußte L. versprechen, zweimal im Jahr zur Visitation von Kirche und Schule nach Braunschweig zu kommen und nach Ablauf der zwei Jahre sicher zurückzukehren. 1593 trat L. zunächst wieder als Professor der Theologie in Wittenberg ein, als aber 1593 Martin Mirus, erster Hofprediger zu Dresden, starb, ward er von der Kurfürstin-Wittwe Sophie zu dessen Nachfolger berufen. Erst jetzt erhielt er (nach schwierigen Verhandlungen) seine volle Entlassung aus Braunschweig und trat 1594 sein neues Amt an. In der Vorrede zum „Regentenspiegel“ (Leipz. 1605), einer Sammlung von vier Landtagspredigten, zu Torgau über Ps. 101 gehalten, stellt er selbst die Regeln auf, nach denen er das beschwerliche Amt eines Hofpredigers verwalten will. Schon in Wittenberg war L. mit seinem dortigen Collegen Samuel Huber (Bd. XIII. S. 248) in Streit gerathen. Dieser lehrte im Gegensatz zur reformirten praedestinatio duplex den Universalismus der Gnade. Deshalb von Bern Landes verwiesen (1588), war er nach kurzer Wirksamkeit in Württemberg 1593 zur Bekämpfung der Calvinisten nach Wittenberg berufen. Aber die Lutheraner nahmen Anstoß daran, daß er die Unterscheidung der voluntas antecedens und consequens, sowie die praedestinatio ex praevisa fide verwarf, und lehrte: Gott selbst habe schlechthin alle Menschen zur Seligkeit erwählt; erst deren Glaube oder Unglaube theile sie in die zwei Haufen der Seligen und der Verdammten. Nach vielen Verhandlungen ward Huber den 18. Januar 1595 aus Wittenberg und Kursachsen verwiesen. Auch gegen die Abschaffung des Exorcismus ist L. aufgetreten. In der Vorrede zur „Dreyfachen Erklärung des Catechismi Lutheri“ (Dresden 1602) – 1. Abtheilung: in welchen Hauptstücken wir Evangelischen mit den Calvinisten nicht einig sind; 2. Abtheilung: in welchen Hauptstücken wir Evangelischen mit den Papisten streitig sind; 3. Abtheilung: wie ein evangelischer Christ die Lehre des Katechismus zu täglicher Buße nützlich brauchen solle, – behandelt L. die Frage: Ob, wie und warum man lieber mit den Papisten Gemeinschaft haben und gleichsam mehr Vertrauen zu ihnen tragen solle, denn mit und zu den Calvinisten? Im J. 1607 begleitete L. seinen Kurfürsten Christian II. nach Prag bei einem Besuch Kaiser Rudolphs II. Wie sehr dieser den lutherischen Hofprediger schätzte, zeigt der Umstand, daß er ein altes Adelsdiplom der Familie 1607 erneuerte (vgl. oben S. 519). Nach mehrmonatlicher Krankheit starb L. den 22. Febr. 1610. Seine Frau überlebte ihn bis zum 16. Septbr. 1646. Seine Schriften sind zahlreich; Gleichen, Annales ecclesiastici, P. I. (Dresden und Leipzig 1730) führt deren 31 lateinische und 72 deutsche auf, doch sind es meist Predigten oder Streitschriften. Wissenschaftlichen Charakter haben außer der Fortsetzung von Martin Chemnitz „Loci theologici“ (Frankf. 1592) und „Harmonia evang.“ (Frankf. 1593) fast nur die Commentare zur Genesis, Daniel (Cap. 1–6), den kleinen Propheten.

Sein Sohn, Wilhelm L., geb. am 26. October 1592, kam, kaum 10 Jahre alt, nach Wittenberg, promovirte hier 1610 als Magister und studirte darauf Theologie. 1612 begab sich L. zur Fortsetzung seiner theologischen Studien nach Gießen, später nach Tübingen, 1615 nach Straßburg, Basel und [526] anderen Orten. Nachdem er 1619 Licentiat der Theologie geworden, bereiste L. Norddeutschland, Holland, England und Frankreich, promovirte 1621 zu Jena als Dr. theol. und folgte einem Rufe als Pastor und Superintendent nach Torgau. 1627 zog L. als Professor der Theologie und Ephorus der kurfürstl. Stipendiaten nach Wittenberg, ward 1646 Domherr und 1647 Dechant zu Meißen. Er starb den 8. Februar 1649. Seine Schriften siehe bei Freher, Theatrum, Jöcher u. A.

Vgl. besonders des Urenkels Polykarp Leyser III.: Officium pietatis etc. Leipzig 1706 nebst angehängter Sylloge epist. Leyseri, Gleichen a. a. O.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1585