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ADB:Lux, Adam

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Artikel „Lux, Adam“ von Emanuel Leser in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 724–726, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lux,_Adam&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 19:22 Uhr UTC)
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Lux: Adam L., bekannt unter den Anhängern, welche die Ideen der französischen Revolution in Deutschland fanden, war geboren in Obernburg bei Aschaffenburg im Kurstaate Mainz im J. 1766, † in Paris den 4. November 1793. Er war der Sohn eines Landmannes, widmete sich aber gelehrten Studien und bezog die Universität Mainz, unter deren ausgezeichnetste Schüler er bald gerechnet wurde, so daß er schon vor Vollendung seines neunzehnten Jahres bei Gelegenheit der Restauration der Hochschule im November 1784 zum Doctor der Medicin und Philosophie promovirt werden konnte. Er war dann einige Zeit Hauslehrer in einer Mainzer Bürgerfamilie und verheirathete sich mit der vermögenden Schwester der Hausfrau. Der Name der Braut war Sabine Reuter. Das Paar bezog ein Gut in dem Mainz gegenüber gelegenen Dorfe Kostheim, wo ihnen drei Töchter geboren wurden, von denen jedoch die eine bald starb. In einer zurückgezogenen Lebensweise und in das Studium namentlich Rousseau’scher Schriften sich vertiefend, bildete L. eine schwärmerische Neigung für die Genüsse, die ein verfeinertes Empfindungsvermögen zu gewähren vermag, und zugleich Begeisterung für Freiheit und politische Tugend immer mehr bei sich aus. So fand denn auch die in Frankreich ausbrechende Revolution seine volle Sympathie, und auch das Erscheinen der republikanischen Heere auf deutschem Boden begrüßte er freudig. Freilich war er seiner ganzen Naturanlage nach nicht dazu geschaffen, während eines aufgeregten Parteitreibens eine bedeutende Rolle zu spielen oder gar in aufreizender Weise auf die Massen zu wirken. Wenn er sich daher auch dem Mainzer Freiheitsclub anschloß, so begegnet er doch nicht unter den leitenden Persönlichkeiten desselben. Auch in dem im März 1793 zusammengetretenen rheinisch-deutschen Nationalconvent, zu dessen Mitglied er gewählt wurde, scheint er nicht zu den einflußreichen Rednern gehört zu haben. Allein er wurde, wohl mit besonderer Rücksicht auf seine Kenntniß der französischen Sprache, am 22. März als einer der Abgeordneten gewählt, welche die Bitte um Einverleibung des eroberten deutschen Gebietes in die französische Republik nach Paris überbringen sollten. Am 25. reiste die Deputation aus Mainz ab. Sie traf am 29. in Paris ein und erschien am folgenden Tag vor dem Convent, um ihre Botschaft vorzutragen, der die freundlichste Aufnahme zu Theil wurde, indem die verlangte Maßnahme sofort zum Beschluß erhoben ward. Während aber dies in Paris geschah, [725] waren die deutschen Truppen der Stadt Mainz von allen Seiten so nahe gerückt, daß für die entsendeten Abgeordneten die Rückkehr in die Heimath eine Unmöglichkeit wurde. So blieb denn auch L. nothgedrungen in Paris und fand seinen Unterhalt durch ein Taggeld, das ihm die französische Regierung bestimmte. In der vollkommenen Muße, die ihm gegeben war, verfolgte er mit dem leidenschaftlichsten Interesse die Verhandlungen des Conventes. Es war die Zeit, in welcher der auf Leben und Tod zwischen den Jakobinern und den Girondisten entbrannte Kampf zur Entscheidung kam. Ein wahrhaft für politische und bürgerliche Freiheit erglühter Sinn konnte nicht anders als gegen den Berg Partei ergreifen. L. hatte zwar in Deutschland die Jakobiner für die einzigen treuen Anhänger der Revolution gehalten, aber als er in Paris zwei Mal ihren Club besucht hatte, da fühlte er sich von ihrem verbrecherischen Gebahren und ihren wahnsinnigen Bestrebungen in tiefster Seele zurückgestoßen. Er suchte sich den Führern der Gironde zu nähern, und obgleich diese von seiner Persönlichkeit sich keine erheblichen Dienste versprechen mochten, und ihm daher kein besonderes Entgegenkommen bewiesen, so blieb er darum nicht weniger ein treuer Anhänger ihrer Sache. Die am 2. Juni erfolgende Verhaftung der Parteihäupter machte auf L. den tiefsten Eindruck. Mit der vollkommensten Klarheit des Blickes, die wohl weniger einer besonderen persönlichen Befähigung als der Unbefangenheit des Ausländers zuzuschreiben ist, erkannte er, daß die furchtbarsten Zeiten unerträglicher Tyrannei jetzt über Frankreich hereinbrechen müßten, wenn nicht eine rasche Wendung eintrete. Er war entschlossen, seinerseits Alles zu thun, was zu Herbeiführung eines Umschwunges beitragen könne, zumal ihm an seinem Leben wenig gelegen war, wenn für die Freiheit der letzte Tag gekommen sein sollte. So faßte er denn zunächst einen Plan, der selbst in der damaligen unnatürlich erregten Zeit überaus abenteuerlich, ja fast wahnwitzig erscheinen mußte. Er wollte in einer Sitzung des Conventes erscheinen, in einer eindringlichen Ansprache das Verbrechen, das an der Unverletzlichkeit der Abgeordneten begangen worden, brandmarken und dann mit der Erklärung, daß er die Hoffnung habe, ein ungewöhnliches Beispiel könne die verblendeten Gesetzgeber noch zur Besinnung zurückführen, sich vor aller Augen den Dolch in die Brust stoßen. Von dieser Absicht machte er auch den gefangenen Girondistenhäuptern Guadet und Pétion Mittheilung, die ihn jedoch von dem Gedanken abzubringen sich bemühten. Ihre Vorstellungen scheinen Eindruck gemacht und ihn veranlaßt zu haben, die Sorge für seinen Tod den Schreckensmännern zu überlassen. Denn er veröffentlichte jetzt mit dem Datum des 13. Juli 1793 eine Druckschrift „Avis au citoyens Français“, worin er die Jakobiner mit der heftigsten Leidenschaft angreift, und die mit der Aufforderung an die Machthaber schließt, nach diesem seinem Bekenntniß ihn der Ehre ihrer Gefängnisse und ihres Fallbeils zu würdigen. Gerade am 13. Juli erfolgte nun auch die Ermordung Marat’s durch Charlotte Corday, die aus einer ganz ähnlichen Sinnesart und politischen Ueberzeugung hervorging, wie sie in L. lebten. Er sah das Mädchen auf seinem Todeswege am 17. Juli, und die Sympathie, die er ohnehin für ihre That hegen mußte, wurde noch gesteigert, als er sie persönlich erblickte und ihn der Contrast ergriff zwischen ihrer sanften, sittsamen Erscheinung und der schrecklichen That, zu der die Verhältnisse sie gedrängt hatten. Er veröffentlichte alsbald eine zweite Flugschrift „Charlotte Corday“, die das Datum des 19. Juli trägt und das Opfer der revolutionären Justiz als Märtyrerin in schwärmerischen Ausdrücken verherrlicht. Man muß sich wundern, daß nach solchen Angriffen auf die herrschende Partei es noch bis zum 27. Juli dauerte, bevor L. verhaftet wurde. Man brachte ihn in das Gefängniß de la Force und am 28. Juli verwies ihn der Sicherheitsausschuß vor das Revolutionstribunal. Es verging jedoch eine längere Zeit, ehe die Voruntersuchung abgeschlossen [726] wurde, und inzwischen scheinen sich befreundete Landsleute um seine Freilassung bemüht zu haben. Es war vorauszusehen, daß es vergebens geschah. Am 12. Brumaire des Jahres II wurde ihm der Anklageakt zugestellt; am 14. Brumaire (4. Novbr. 1793) fand die Verhandlung gegen ihn statt. Er versuchte keine Vertheidigung, wurde verurtheilt und am Abend desselben Tages hingerichtet. Von seinen beiden ihn überlebenden Töchtern erregt die ältere Maria durch ihr trauriges Ende ein wehmüthiges Interesse. Das unglückliche Mädchen war schon in früher Kindheit mit den Schriften Jean Paul’s bekannt geworden und hatte sich an denselben begeistert. Wie sie heranwuchs, steigerte sich immer mehr ihre Verehrung und Bewunderung dieser Werke und übertrug sich allmählich auf die Person des Dichters. Ihre Empfindungen für diesen wurden immer heftiger und zuletzt konnte sie sich nicht enthalten, in einem Briefe an ihn ihrem sehnsüchtigen Verlangen, in seiner Nähe weilen zu können, einen leidenschaftlichen Ausdruck zu geben. Bald aber bereute sie ihre Kühnheit, und als längere Zeit die Antwort des Dichters ausblieb, da war sie überzeugt, bei diesem nur Gefühle des Widerwillens und der Verachtung erregt zu haben. In ihrer Verzweiflung versuchte sie einen Selbstmord, wurde aber an der Vollendung desselben durch ihre Schwester gehindert. Als dann auch ein überaus liebenswürdiger Brief von Jean Paul eintraf, wurde ihr noch ein kurzer Moment des Glückes zu Theil. Allein für das Verlangen, das sie ganz erfüllte, gab es keine Befriedigung, und sie mußte zuletzt doch von der Flamme, die in ihr brannte, selbst zerstört werden. Als im Jahre 1814 ihre Mutter starb und bald darauf ihre Schwester sich verlobte, war Nichts mehr vorhanden, was sie an die Welt gefesselt hätte. Sie stürzte sich in den Rhein, wurde zwar noch lebend herausgezogen, starb aber bald. Die Schwester erreichte ein hohes Alter; in den dürftigsten Verhältnissen lebte sie noch Anfang der siebziger Jahre in Nürnberg.

L. Bamberger in der Revue moderne 1866. – Aus Jean Paul’s Leben von Ernst Förster, S. 240 ff.