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ADB:Maetzner, Eduard

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Artikel „Maetzner, Eduard“ von Wilhelm Bernhardi (Historiker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 238–240, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Maetzner,_Eduard&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 10:12 Uhr UTC)
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Maetzner: Eduard Adolf Ferdinand M., wurde am 25. Mai 1805 zu Rostock geboren, wo sein Vater Malermeister war. Er besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt, bis er, noch nicht ganz vierzehn Jahre alt, nach Prima versetzt wurde. Dann kam er auf das Gymnasium nach Greifswald, wo er im Alter von sechzehn Jahren die Reifeprüfung bestand und zur Universität entlassen wurde. Schon auf der Schule zu Greifswald trat er litterarisch in die Oeffentlichkeit; ein von ihm gedichtetes Schauspiel „Hermann und Thusnelde“ ließ der Director des Gymnasiums, Breithaupt, im J. 1821 drucken (2. Ausgabe Berlin 1874). Als M. 1821 die Universität Rostock bezog, um Theologie zu studiren, empfand er schwer den Druck der Karlsbader Beschlüsse. Bei seiner in „Hermann und Thusnelde“ kundgegebenen Gesinnung, die den Besitz der idealen Güter der Menschheit vor allem in der Freiheit des Vaterlandes gesichert sah, konnte es nicht fehlen, daß er scharf beobachtet wurde und sogar die Strafe der Entfernung von der Universität auf ein Semester erfuhr, obwol er sich von politischen Umtrieben fern gehalten hatte. In Greifswald vollendete er die theologischen Studien, legte die erste Prüfung ab und wurde als Candidat der Theologie zunächst Hauslehrer. Er gelangte nach seiner ersten Predigt, die die einzige blieb, zu der Ansicht, daß er zum Geistlichen nicht tauge, und beschloß, die Universität noch einmal zu besuchen, Philologie zu studiren und dann den Lehrerberuf zu ergreifen. Er ging nach Heidelberg ohne alle Mittel und widmete sich mit Fleiß und Eifer den classischen Studien. Dann wurde ihm eine Lehrerstelle zu Yverdon im Kanton Waadt angeboten, wo er zwei Jahre blieb. Wichtig für seine Zukunft wurde es, daß er hier die praktische Beherrschung der französischen Sprache erwarb. Als er nach Deutschland zurückkehrte, wandte er sich nach Berlin und bestand die Prüfung pro facultate docendi. Kurz darauf, Ostern 1830, war er als Schulamtscandidat am französischen Gymnasium in Berlin thätig und erhielt Ostern [239] 1831 eine Berufung als ordentlicher Lehrer am Gymnasium zu Bromberg. Noch in demselben Jahre vermählte er sich mit Ida Eberty, der Schwester des später bekannten Abgeordneten. Aber bald wurde seine Gesundheit schwankend, er mußte Ostern 1834 Urlaub nehmen, und da eine Besserung nicht einzutreten schien, wurde er ohne Anspruch auf Ruhegehalt entlassen. Er ging wieder nach Berlin, um dort wissenschaftlich zu arbeiten. Zunächst promovirte er 1834 mit der Dissertation „De Jove Homeri“. Dann wandte er sich eifrig den attischen Rednern zu. 1836 gab er „Lycurgi oratio in Leocratem“ heraus. 1838 erschienen von ihm „Antiphontis orationes XV“ und 1842 „Dinarchi orationes tres“. Außerdem veröffentlichte er 1839 „Aphorismen aus Theodor Parow’s Nachlaß“, eines Greifswalder Jugendfreundes, der frühzeitig gestorben war. Inzwischen war er von dem Kehlkopfleiden, das den Verlust der Sprache herbeizuführen gedroht hatte, so vollständig befreit, daß er eine Lehrerstelle wieder übernehmen konnte. Der Magistrat von Berlin wählte ihn Michaelis 1838 zum Rector (später 1873 Director) der ersten öffentlichen höheren Mädchenschule (Luisenschule) in Berlin. Fünfzig Jahre lang hat er dies Amt mit immer gleichem Eifer und nicht ermattender Rüstigkeit verwaltet und diese Lehranstalt aus kleinen Anfängen zu hoher Blüthe geführt.

Seine neue Stellung veranlaßte ihn, die französische und englische Sprache wissenschaftlich zu bearbeiten, und auf beiden Seiten hat er hervorragende Leistungen zu Stande gebracht. Zuerst veröffentlichte er die „Syntax der neufranzösischen Sprache“ in zwei Theilen, 1843 und 1845, die allgemeine Anerkennung fand. Aber auch das ältere Französisch zog er in seinen Bereich. Schon 1845 gab er „La nobla Leyczon“ mit Einleitung, Uebersetzung und Anmerkungen heraus, später 1863 „Altfranzösische Lieder mit Bezugnahme auf die provencalische, altitalienische und mittelhochdeutsche Liederdichtung“. Lebhaften und ungetheilten Beifall aller Kundigen fand Maetzner’s 1856 erschienene „Französische Grammatik mit besonderer Berücksichtigung des Lateinischen“. So hervorragend dies Werk durch Selbständigkeit der Forschung und des Urtheils zur Zeit seines Erscheinens war, genügte es in der zweiten Auflage 1876/7 nicht mehr den Ansprüchen, weil der Verfasser, der inzwischen die englische Sprache zum Hauptgegenstand seiner wissenschaftlichen Arbeit gemacht hatte, die vielfach zerstreuten Forschungsergebnisse der Zeit von 1856 bis 1876 nicht ausreichend berücksichtigt hatte. 1859 erschien der erste Band seiner groß angelegten „Englischen Grammatik“ (zweiter Band 1863, dritter 1865). Außer mit dem Altfranzösischen, das in einer englischen Grammatik von Bedeutung ist, zeigte M. eine völlige Vertrautheit mit dem Angelsächsischen und Altenglischen, sodaß in der Wortlehre die Abschnitte von den Bestandtheilen der Wörter nach ihrer Abstammung eine wirkliche Bereicherung der Wissenschaft darstellen. Nicht minder ließ die Bearbeitung der Syntax alle anderen Lehrbücher weit hinter sich. Die classischen und romanischen Sprachen, erforderlichen Falles auch die semitischen waren zur Vergleichung herangezogen. Von diesem Werke wurden sogar drei Auflagen (1873/5 und 1881/2) nöthig, die aber ebenfalls daran leiden, daß die seit 1865 gemachten Fortschritte der Forschung, besonders in der Lautlehre (Lautphysiologie) nicht benutzt sind. Sein bedeutendstes Werk, das er aber nicht vollenden konnte, ist das ursprünglich für die von ihm und Goldbeck herausgegebenen „Altenglischen Sprachproben“ (1867) bestimmte „Wörterbuch“, das seit 1872 in Lieferungen erschien. Es sollte den gesammten Schatz der altenglischen Litteratur bis zum Ausgang des Mittelalters in sich schließen. Auf welchen Umfang das Werk berechnet war, kann man daraus ermessen, daß die Buchstaben A-D 698 SS. in Lexikonformat [240] bei engem Druck beanspruchen. Daß dies vorzügliche Werk gründlichsten Fleißes und umfassendster Kenntniß nicht zu Ende geführt wurde, ist ein schwerer Verlust für die Wissenschaft. Die Wörterbücher von Halliwell, „A Dictonary of Archaic and Provincial Words“ zuerst 1847, und von Stratmann „A Dictionary of the Old English Language“ 1867–1873 stehen gegen Maetzner’s Wörterbuch weit zurück. Die Bedeutungen jedes einzelnen Wortes sind bei M. viel schärfer gefaßt und besser geordnet als bei Stratmann. Auch die Belege aus den Schriftstellern hat M. in reicher und belehrender Fülle geboten, während sich Stratmann oft mit kurzen Verweisungen begnügt; so finden sich z. B. für das Wort beleve = believe bei Stratmann 4, bei M. 40 Belege.

Maetzner’s Leistungen auf dem Gebiete der französischen und englischen Sprache sind um so höher anzuschlagen, als während seiner Studienzeit eine wissenschaftliche Vertretung der neueren Sprachen auf den deutschen Universitäten nicht vorhanden war. Während jetzt der Eintritt in dies Studium eben und bequem ist, die Stoffmasse gesichtet, die Methode gesichert erscheint, war M. genöthigt, sich selbst zurecht zu finden und selbstschöpferisch zu arbeiten. Seine Berufung an die Berliner Universität, für die er in Aussicht genommen war, kam nicht zu Stande, vielleicht weil er in den Jahren 1848 und 1849 demokratischer Neigungen verdächtig geworden war. Außer der Anerkennung, die er in der deutschen Gelehrtenwelt genoß, ehrte ihn auch das Ausland. Das comité historique zu Paris wählte ihn zum correspondirenden Mitgliede, die Philological Society zu London ernannte ihn zum Ehrenmitgliede. – Nachdem er Michaelis 1888 in den Ruhestand getreten war, nahm er seinen Wohnsitz in Steglitz bei Berlin, wo er am 13. Juli 1902 starb. Bis wenige Tage vorher war er an dem Wörterbuche thätig gewesen. – Seinen hundertjährigen Geburtstag 1905 beging die Luisenschule durch eine Feier.