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ADB:Mardefeld, Gustav von

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Artikel „Mardefeld, Gustav von“ von Reinhold Koser in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 308–310, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mardefeld,_Gustav_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 20:29 Uhr UTC)
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Mardefeld: Gustav v. M., preußischer Diplomat, geb. 1664. Die Familie stammte aus Geldern und führte früher den Namen Maasberg. Conrad Maasberg, 1628 in schwedische Kriegsdienste getreten, wurde am 20. Januar 1646 geadelt und am 9. Juni 1677 als Feldmarschall und Vicegouverneur von Pommern unter dem Namen M. in den schwedischen Freiherrnstand erhoben. Von den Söhnen wählte der älteste, Axel Arwed, den Beruf des Vaters und hat als General unter Karl XII. die Schlacht bei Kalisch 1706 verloren. Der jüngere, Gustav, studirte sieben Jahre zu Greifswald und Frankfurt a. O., bereiste Frankreich und nahm, da sich der schwedische Civildienst dem Sprößling einer reformirten Familie verschloß, eine Anstellung als Hofjunker in Kassel, nachdem er zuvor 1689 der brandenburgischen Wahlgesandtschaft in Frankfurt a. M. als Cavalier sich angeschlossen hatte. 1711 trat der hessische Geheimrath und Oberhofmeister in preußische Dienste über, ging in einer Specialmission an den kurpfälzischen Hof und erschien bei der Wahl Karls VI. als dritter brandenburgischer Wahlbotschafter. Am 17. August 1714 schwor er zu Charlottenburg den Eid als Geh. Kammerrath des General-Finanz-Directoriums in die Hände Friedrich Wilhelms I. Im October 1717 als bevollmächtigter Minister nach Petersburg gesandt, suchte er nunmehr um seine Entlassung aus dem schwedischen Vasallenverbande an, die er am 13. Juni 1719 erhielt. M. hat durch seine diplomatische Thätigkeit wesentlich zur Festigung der in jener Zeit geknüpften Freundschaftsbande zwischen Preußen und Rußland beigetragen und für sich selbst die volle Gunst Peter I. erworben. Als Unterhändler bewährte er sich vor Allem bei den Friedensverhandlungen, die dem nordischen Kriege ein Ziel setzten; in Wahrnehmung der commerciellen Interessen Preußens hat er durch seine Umsicht und Entschlossenheit der brandenburgischen Tuchindustrie vor der englischen Concurrenz den russischen Markt eröffnet und gesichert. Schon seit 1722 hatte M. mit dem Hinweis auf seine durch die landesübliche „dissolute Lebensart“ zerrüttete Gesundheit wiederholt und inständig um seine Abberufung aus Rußland gebeten, erhielt dieselbe jedoch, da er dem König dort unentbehrlich schien, erst 1728. Nach seiner Ankunft in Berlin wurde er am 9. August 1728 in den Geheimen Etatsrath eingeführt, zu dessen Mitglied er schon während seines Aufenthaltes in Rußland (3. Februar 1720) unter gleichzeitiger [309] Ernennung zum Titularpräsidenten der Magdeburger Regierung bestellt worden war. Er starb in Pommern am 6. December 1729.

Axel v. M., sein Neffe, preußischer Diplomat, geb. 1691 oder 1692, weilte im Herbst 1723, damals preußischer Kammerjunker, in seiner Heimath Pommern, als er auf Empfehlung des Generallieutenants A. B. v. Borck gegen den Wunsch der Etatsminister Ilgen und Cnyphausen[WS 1] von Friedrich Wilhelm I. zum Adlatus seines Oheims G. v. M. auf dem Petersburger Gesandtschaftsposten designirt wurde. Nach seiner Ankunft in Rußland wurde er auf Antrag seines Oheims für Vertretungsfälle mit einem eignen Creditiv (25. Juli 1724) versehen und hatte seit 1728 die diplomatische Vertretung Preußens selbständig. Wenn während der Regierung der Kaiserin Anna die Beziehungen zwischen Preußen und Rußland erkalteten, so wahrte sich doch M. ein persönliches Verhältniß zu dem Herzog Biron und zu dem Marschall Münnich. Nach beider Sturze während der Vormundschaftsregierung der Herzogin von Braunschweig ohne jeden Anhalt bei Hofe, gewann M. nach der Thronbesteigung Elisabeths im Bunde mit Lestocq und bald auch mit dem französischen Gesandten Marquis de la Chétardie einen um so bedeutenderen Einfluß; die Zarin wollte ihm persönlich wohl, als dem einzigen im diplomatischen Corps, der schon zu Zeiten ihres Vaters beglaubigt gewesen war. Allen Bemühungen der Anhänger Oesterreichs und Englands zum Trotz, wußte M. die Vermählung des Großfürsten-Thronfolgers mit der durch Friedrich II. empfohlenen Prinzessin von Zerbst, nachmals Katharina II., durchzusetzen. Eine Allianz zwischen Preußen und Rußland, welche der von Friedrich II. beabsichtigten Schilderhebung für Kaiser Karl VII. den Rücken decken sollte, war dem Abschluß nahe, als es dem Vicekanzler Bestushew, dem Hauptgegner des Projekts, gelang (Juni 1744), die Ausweisung des Marquis Chétardie und seine eigne Ernennung zum Großkanzler durchzusetzen. Mardefeld’s Tage in Rußland waren jetzt gezählt; Bestushew, den er hatte stürzen wollen, ruhte nicht, bis die Kaiserin die Ablösung des preußischen Gesandten verlangte (October 1745). Ungern entschloß sich Friedrich II. zu der Abberufung eines Vertreters, welchen der französische Minister des Auswärtigen, d’Argenson, einen der geschicktesten Diplomaten Europa’s genannt hat. Eine Zeit lang unter allerhand Vorwänden hinausgezögert, erfolgte Mardefeld’s Abreise aus Petersburg zu einer Zeit, wo die Feindseligkeit der Zarin gegen Preußen bereits eine hochgradige war, am 3. October 1746, nachdem der Gesandte seine 23jährige Mission nur zweimal (1725 und 1733) durch eine Reise in die Heimath unterbrochen hatte. Obgleich König Friedrich seinem Vertreter den Vorwurf machte, daß er allein auf die Kaiserin und ihre persönlichen Günstlinge sein Spiel gesetzt habe, statt sich um die Gunst ihres einflußreichen Ministers zu bewerben, so bewahrte er doch dem Heimgekehrten sein volles Vertrauen; zu früheren Beweisen seiner Gunst, der Ernennung zum Etatsminister (1742) und der Verleihung des schwarzen Adlerordens (1743) fügte er jetzt den größesten, indem er M. (10. März 1747) nach dem Tode C. W. v. Borcke’s als zweiten Cabinetsminister dem Grafen Podewils für die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten an die Seite stellte. Eine Schilderung des russischen Hofes und seiner vornehmsten Vertreter, zum Unterricht des Nachfolgers auf dem Petersburger Gesandtschaftsposten, des Grafen Finckenstein, entworfen, ist eines der gelungensten und am meisten charakteristischen Erzeugnisse der scharfen Feder Mardefeld’s, dessen anziehende Gesandtschaftsberichte Friedrich II. in seinen Memoiren mitunter in wörtlicher Anlehnung verwerthet hat. Am 24. Juni 1748 wurde M. durch einen Schlaganfall gelähmt; sein König schreibt ihm an diesem Tage eigenhändig: „Il n’est pas étonnant que je m’intéresse à votre conservation, après tous les services importants que vous avez rendus [310] à l’État après tant de marques de habileté, de zèle et d’affection que vous avez données dans les différents emplois que vous avez eus“. Nach halbjährigem Siechthum starb M. am 8. December 1748.

Nach Acten des Geh. Staatsarchivs zu Berlin. Vgl. Droysen, Gesch. der preuß. Politik, Thl. IV, Bd. 2, 3; Thl. V, Bd. 1–3. Herrmann, Gesch. des Russ. Reichs IV, V. Cosmar-Klaproth, Staatsrath, S. 406, 422. Kneschke, Lexikon VI. Schmoller, Die Russische Compagnie in Berlin (Ztschr. für Preuß. Gesch. XX). Borkowsky, Die Englische Friedensvermittelung im J. 1745, Berlin 1884 (mit Berichten von Lord Hyndford über A. v. M.). Koser, Preußen und Rußland im Jahrzehnt vor dem siebenjährigen Kriege (Preuß. Jahrbb. XLVII). Politische Correspondenz Friedrichs d. Gr. I–VI (zur persönlichen Charakteristik vgl. V, 132). Eine Sammlung von Berichten des älteren M. aus der Zeit Peter I. im Archiv (Sbornik) der kais. Russ. hist. Gesellschaft XV; auch die von Herrmann, Zeitgenöss. Berichte aus Rußland II, 202 veröffentlichten Relationen über die Katastrophe des Zarewitsch Alexei sind von G. v. Mardefeld.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Friedrich Ernst Freiherr von Knyphausen (1678–1731), preußischer Staatsminister. Sohn von Dodo Freiherr von Knyphausen, Vater von Dodo Heinrich Freiherr von Knyphausen.