ADB:Marinelli, Karl von
Laroche, wurde zur typischen Figur wie vordem Hanswurst und trug dem Leopoldstädter Theater die Bezeichnung „Casperltheater“ ein. Auch Zauberstücke, Travestien, Localstücke und Spektakelstücke zeigt das Repertoire der ersten Jahre. Besonderes seit 1785 blühte Marinelli’s Theater mächtig auf; die ebenso phantastischen wie productiven Theaterdichter Hensler und Perinet begannen, unterstützt von dem 1786 engagirten Capellmeister Wenzel Müller, aus dem Vorhandenen mit Benutzung der verschiedensten Mustervorlagen eine wahre Hochfluth von neuen Stücken zu schaffen. In die achtziger und neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts fällt der erbitterte Concurrenzkampf, der sich zwischen M. und Schikaneder abspielte und eine wahre Wettproduction an Wiener Volksstücken von beiden Seiten zeitigte; hat doch Schikaneder auch die „Zauberflöte“ 1791 dem bösen Concurrenten M. zum Trotz gedichtet. So wie seiner Zeit M. dem alternden Menninger unentbehrlich geworden war, so wurde jetzt Hensler das Factotum Marinelli’s und folgte diesem nach seinem Tode als Director des Leopoldstädter Theaters. Als M. [211] am 28. Januar 1803 in Wien starb, hinterließ er ein Vermögen von 400 000 fl.
Marinelli: Karl Edler von M., der Begründer der ersten stehenden Wiener Volksbühne. M. stammte aus einer alten Adelsfamilie, allein seinen Vater hatten Noth und Armuth bewogen, auf den Adel zu verzichten und auch der Sohn verlebte eine kümmerliche Jugend. Natürliche Begabung und Armuth zwangen ihn in gleichem Maße, Schauspieler zu werden. Er wurde – zu Wien im J. 1744 geboren – mit ungefähr dreißig Jahren Mitglied der wandernden Truppe des Principals Matthias Menninger. 1779 schlug diese Gesellschaft ihren dauernden Wohnsitz in Wien auf und M., der schon längst des Directors rechte Hand geworden war, trat nach dessen Tode an seine Stelle. Er faßte im J. 1780 den Plan, ein volksthümliches Theater in Wien zu begründen und vertraute dabei auf die Gunst des Publicums, das trotz de Verbotes „extemporirter“ Stücke und der Verbannung des Hanswurst volksthümlicher Komik treu geblieben war. Am 2. Februar 1781 erwarb M. ein Privilegium „für alle Arten Schauspiele und Pantomimen mit Ausnahme des Ballets“ und eröffnete das neue Haus, das in der Jägerzeile in der Vorstadt Leopoldstadt erbaut worden war, am 20. October desselben Jahres. Er gab meist Casperliaden, Erneuerungen und Weiterbildungen der alten Hanswurstkomödien; Casperl in der Gestalt seines bejubelten Darstellers, des SchauspielersAls Theaterdichter ist M. durchaus Gelegenheitsdilettant. Viel hat er nicht geschrieben. Zur Eröffnung seines Theaters schrieb er einen Einacter unter dem Titel „Aller Anfang ist schwer“ (gedruckt 1781), worin er dem Publicum sich selbst in seinem Cabinett, umgeben von seinen Schauspielern, im letzten Augenblick vor dem Beginn der Eröffnungsvorstellung vor Augen führte. Den muthlosen Director trösten die Seinen; das Theater verwandelt sich in die Bühne und M. entwickelt sein Programm; dann schwebt von oben her der kaiserliche Adler und es erscheinen Opferaltäre mit den Inschriften: „Liebe der Gönner“ und „Achtung des Publicums“. – Weniger gut ist ein anderes Vorspiel, betitelt „Der Anfang muß empfehlen“. In dem dreiactigen Lustspiele „Der Geschmack der Comödie ist unbestimmt“ erscheint Apollo inmitten von personificirten Begriffen (Geschmack, Humor, Krittelei u. dergl.). Ein hübscher Ansatz zu der später so prächtig ausgebildeten Wiener Localposse ist „Der Ungar in Wien“. Auch im Schaustück hat sich M. versucht; sein Drama „Don Juan oder der steinerne Gast“, 1783 zum ersten Male aufgeführt, blieb bis 1819 ständig im Repertoir des Leopoldstädter Theaters. – Als Gründer, Wegbereiter und Festiger der neu beginnenden Wiener Volksdramatik von 1780 ab verdient M. ein dauerndes Andenken in der Geschichte des deutschen Theaters.
- Wurzbach 16, 446. – Komorzynski, E. Schikaneder, S. 23 ff.