Zum Inhalt springen

ADB:Marsano, Wilhelm von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Marsano, Wilhelm von“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 429–430, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Marsano,_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 00:30 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Marschalk, Levin
Band 20 (1884), S. 429–430 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Wilhelm von Marsano in der Wikipedia
Wilhelm von Marsano in Wikidata
GND-Nummer 116790695
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|20|429|430|Marsano, Wilhelm von|Rudolf Müller|ADB:Marsano, Wilhelm von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116790695}}    

Marsano: Wilhelm von M., österreichischer Feldmarschalllieutenant und Schriftsteller, Sprosse einer aus Genua stammenden Kaufmannsfamilie, geboren zu Prag am 30. August 1797, † zu Görz am 14. April 1871, erhielt seine wissenschaftliche Vorbildung am Prager Altstädter Gymnasium, überging von diesem in die philosophischen Curse an der Universität und trat 1813, von der patriotischen Bewegung mitergriffen, in das 11. k. k. Linien-Infanterie-Regiment, um sogleich am Feldzuge gegen Frankreich Theil zu nehmen. – Im J. 1821 dem in Prag garnisonirenden Grenadierbataillon zugetheilt und dabei zum Hauptmann vorrückend, überging M. 1834 nach der Lombardei, avancirte 1841 vom Oberlieutenant zum Major, 1848 zum Oberst, erhielt 1853 als Generalmajor ein Brigadecommando im 3. Armeecorps mit der nachfolgenden Ernennung zum Feldmarschalllieutenant und der Erhebung in den österreichischen Adelsstand. 1858, nach 45jähriger Dienstzeit, körperlich leidend, trat M. in den Ruhestand. Bei näherem Eingehen auf seine militärische Laufbahn ergibt sich, daß M. als Berufssoldat in der Fähnrichsstellung in das kaiserlich österreichische Heer eingetreten, an den Feldzügen gegen Frankreich in den Jahren 1813–1815 theilnahm, ebenso 1821 unter General Frimont wieder an der Expedition gegen die Aufständischen in Neapel; daß er 1834 nach Oberitalien commandirt, dort bis 1842 in Verwendung gestanden sei; das Jahr 1843 in Kremsier verbrachte; 1844 als Bataillonscommandant in Wien stationirt war, und 1848 der in der Lombardei operirenden Armee zugetheilt, jetzt erst volle Gelegenheit erhielt, sich militärisch auszuzeichnen. So am 22. März bei Erstürmung der Porta Tenaglia in Mailand; am 23. Juli bei der von Santa Giustina; am 26. Juli im mörderischen Kampfe um Volta. – In Folge dessen zum Oberst vorgerückt, als solcher 1849 in die gegen Ungarn vorgehende Südarmee eingereiht, bewährte M. neuerdings, namentlich in der Bacska, bei der Vertheidigung der Windmühle von Verbacs, im blutigen Treffen von Hegyes – am 14. Juli – sowie bei der Behauptung des Titlér Brückenkopfes – vom 20. Juli bis 18. August heldenhafte Tapferkeit. – Anläßlich der Mazzinistenumtriebe, 1853, als Generalmajor abermals nach Italien beordert und an die Spitze einer Brigade gestellt, mehrte er seine Verdienste gleicherweise durch umsichtiges wie entschlossenes Vorgehen, so daß ihn sein oberster Kriegsherr in rascher Aufeinanderfolge durch die Ernennung zum Feldmarschalllieutenant, 1855 durch die Erhebung in den österreichischen Adelsstand auszeichnete. – Betrachtet als Schriftsteller, wird nachweisbar, daß M. schon während seiner Studienjahre schöngeistiger Thätigkeit oblag. In die Oeffentlichkeit trat er allerdings erst 1817 und zwar in der zu Prag erschienenen belletristischen Zeitschrift „Hyllos“. – Die Periode fruchtbarsten Schaffens begann indeß 1820 mit seiner Rückkehr in die Prager Friedensgarnison und mochte das lebhafte Interesse für Henriette Sontag, welche zur Zeit als Schülerin des Conservatoriums durch ihr bezauberndes Singen schon allgemeines Aufsehen erregte, nicht wenig dazu beigetragen haben. – Selbst von Natur ausgestattet durch eine hochgewachsene schöne Gestalt, ungewöhnlich gesellschaftliches Talent und gewinnendes Wesen, sprudelnden Witz und umfassende Belesenheit, wol darum auch der Prager „Alcibiades“ genannt, fanden seine lebensfrischen, von reicher Phantasie getragenen Dichtungen, wie seine späteren Novellen, rasch einen ausgedehnten und dankbaren Leserkreis. – Selbständig erschienen von ihm 1824: „Aurelio“, dramatisches Gedicht in 4 Acten; 1825: „Romantische Dichtungen“, eine Neujahrsgabe; 1828: „Der Spessart“, Trauerspiel in einem Acte, sämmtlich bei Fr. Kronberger in Prag. – In den von [430] Kotzebue herausgegebenen Almanach dramatischer Spiele, Jahrgang 27, 28, 29, übergingen von ihm: „Die Phlegmatiker“, „Die Helden“ und „Das Spiegelbild“. Im 3. Bande des von Alex. Bronikowsky herausgegebenen Almanachs der Novellen und Sagen (Halberstadt 1831) findet sich: „Der alte Souffleur“. Bei Brüggemann in Leipzig erschienen 1832: „Die unheimlichen Gäste“, Novelle; „Mario doloroso“ – „Die Abenteuer einer Nacht“, zwei Novellen. Andere novellistische Arbeiten brachte die Prager Zeitschrift „Bohemia“ in den Jahrgängen von 1829–1832, darunter: „Die Schauspieler“, „Die Sänger“, „Arm und Reich“. – M. setzte seine literarische Thätigkeit auch in Italien fort, betheiligte sich u. A. vorragend an dem in Mailand vom Grafen Pachta herausgegebenen Journal „Echo“, das 1832 „Drei Stunden in Rom“, 1837 „Camilla Triulzi“ von ihm brachte. Dem Jahre 1848 gehört sein, allgemeines Aufsehen erregender, patriotischer Brief an die Armee, dessen Spitze gegen die Wiener Aula gerichtet war, und von der Bewegungspartei ebenso angefeindet, wie von den Gegnern der Revolution hochgehalten wurde. Von gleich weitgreifender Wirkung war sein Nachruf an „Vater Radetzky“. Im September 1859 besuchte M. auf einige Wochen Prag, fand jedoch nur wenige noch von seinen alten Freunden, zumal das gesellige Leben des vormalig heiteren Charakters derart entkleidet, daß ihm ein längerer Aufenthalt nicht wünschenswerth erschien. Er wendete sich wieder nach dem Süden, nahm endlich festen Wohnsitz in Görz, von wo aus er öfters das deutsche Schillercasino in Venedig besuchte: das letzte Mal 1864, um dort – wenige Tage vor dem Erblinden – seine noch ungedruckten „Bilder aus der Wüste“ vorzutragen. Dem Erlöschen des Augenlichtes gesellten sich bald noch gichtische Leiden und mehrten die Verdüsterung seiner letzten Jahre. Augenzeugen wissen gleichwohl zu versichern, daß M., wenn halbwegs schmerzfrei, voller Geistesfrische dichtete und dictirte, durch gesellige Munterkeit seine Umgebung abbrachte, ihn zu bemitleiden. Vermählt war M. mit Marchesa Zambeccari, einer berühmten Schönheit aus einer angesehenen alten Adelsfamilie zu Bologna. Dieser Ehe entsprossen 2 Söhne und 2 Töchter. – Seine Leiche wurde von der Gattin nach Bolagna überführt und in der Gruft ihrer Familie beigesetzt. – Seinen schriftstellerischen Nachlaß testirte M. an Anastasius Grün, den er besonders hochschätzte, zu beliebiger Verfügung.

Bohemia Nr. 91 v. J. 1871. L. Schlesinger’s Gesch. Böhmens. Frankls Sonntagsbl. 1845. Eigene Notizen.