ADB:Grün, Anastasius

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Artikel „Grün, Anastasius“ von Peter von Radics in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 27–33, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gr%C3%BCn,_Anastasius&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 12:17 Uhr UTC)
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Grün *: Anastasius G. (Anton Alexander Graf Auersperg), Dichter und Staatsmann, geb. am 11. April 1806 zu Laibach in Krain (in der Comthurei des Deutschen Ordens), gest. am 12. Septbr. 1876 zu Graz in der Steiermark, entstammt dem altberühmten mit der Geschichte Oesterreichs in ihren bedeutendsten Phasen auf das Innigste verknüpften Geschlechte der Grafen und Fürsten von Auersperg, welche an großen und hervorragenden Männern reiche Adelsfamilie schon im 10. Jahrhunderte aus Schwaben in die Ostmark kam und sich in dem einen Zweige (Oursperch, Owersperch) in Krain, in einem zweiten rasch wieder sich theilenden Zweige (Cucagna, Zucco, Valvasone, Partistagno) in Friaul niederließ. Dieses Geschlecht der Auersperge, welches aus dem krainischen Zweige und dessen Nebenzweigen (in Steiermark, Oesterreich, Böhmen) durch alle Zeiten ausgezeichnete Priester, Krieger, Staatsmänner und hohe Kunstmäcene erstehen sah, weist uns auch schon vor dem Auftreten Anastasius Grün’s (aus der krainer Nebenlinie Thurn-am-Hart) mehrere nicht unbedeutende Schriftsteller verschiedener Disciplinen und auch, am Ausgange des 18. Jahrhunderts in der Schiller-Goethe-Periode einen deutschen Dichter und als solcher Mitarbeiter an dem Grazer Musenalmanach: Sigismund Theodor Grafen von Auersperg (aus der steiermärkischen Linie).

Phänomenal in der Hausgeschichte der Auersperge nicht minder als in der Geschichte Oesterreichs war aber die Erscheinung Grün’s im Hinblicke zugleich auf seinen Stand, auf den Inhalt seiner Dichtungen und auf die Zeit- und Ortsverhältnisse, unter denen er, der „Dichtergraf“, „so frei war, frei zu sein“. – Anton Alexander Graf Auersperg (der in der Taufe am 12. April 1806 die Namen Maria Anton Alexander Josef Richard Siegfried Leo erhalten hatte), zeigte schon als Knabe die hohen Anlagen, die ihn, den Mann später befähigten, eine so ausnahmsvolle Stellung unter seinen heimathlichen Zeitgenossen einzunehmen. Mit dem 7. Lebensjahre bezog er (1813) die k. k. theresianische Ritterakademie in Wien, an der bereits mehrere Mitglieder seiner Familie erzogen worden waren, doch schon nach zwei Jahren kam er an die k. k. Ingenieurakademie – eine Militärschule für die „Geniewaffe“ –, an welcher Anstalt er bis 1818, dem Todesjahre seines Vaters Alexander Grafen Auersperg blieb, der seit 1805 als freiresignirter k. k. Kreiscommissär auf seinem Schlosse Thurn-am-Hart gelebt und in der Zeit der französischen Zwischenherrschaft in Illyrien in seinem Herrschaftsbezirke die „Mairie“ übernommen hatte, doch „nur aus dem Grunde, damit sie nicht ein französischer Angestellter erhalte“ und er, [28] „in dieser Charge soviel möglich den österreichischen Patriotismus vereinigen möchte“.

Beim Tode des Vaters nahm die Wittwe Cäcilie Gräfin Auersperg, geb. Freiin von Billichgratz (aus einem uralten gegenwärtig erloschenen Adelsgeschlechte Krains) unsern „G.“ aus der Ingenieurakademie und übergab ihn einem zur Zeit bestrenommirten Privatinstitute Wiens zur Weiterbildung, dem bei der Aristokratie Oesterreichs so beliebt gewesenen Institute von Klinkowström’s, des Vaters jener beiden Priester aus der Gesellschaft Jesu, welche in den funfziger Jahren, in der Blüthezeit des österreichischen Concordats soviel von sich sprechen machten. Hier, wo sein „Lehrer in der Geschichte“, sein Landsmann, der erste slovenische Kunstdichter Francé Presiren war, studirte Auersperg 1823 und 1824 die sog. „Philosophie“. Die „Jura“ trieb er in den nächstfolgenden Jahren in Graz und Wien. In diese Jahre der Facultätsstudien fallen auch seine ersten dichterischen Versuche und ist Auersperg’s Hervortreten als Dichter, sowie seine patriotisch-freisinnige Richtung als solcher, seine Liebe zur engeren Heimath Krain und zur Geschichte – welche markanten Züge in seinen großen Dichterwerken scharf ausgeprägt sind – zu nicht geringem Maße auf den mächtig fördernden Einfluß des Dichterfreundes Presiren (dem G. bei dessen Tode 1849 einen ruhmvollen Nachruf gewidmet, „In der Veranda“ S. 169 ff.) zurückzuführen. In seinen Universitätsjahren schloß der junge geniale Graf, dessen äußere Erscheinung zudem eine äußerst anziehende war, geistige Bündnisse mit Gleichgesinnten und Gleichberufenen, denen er dann in voller deutscher Treue zeitlebens verbunden blieb. So in Graz mit seinem Zimmernachbar Fellner (gest. 1873 als k. k. Hofrath in Graz), dem er die erste Ausgabe des „Letzten Ritter“ als dem „Freund Ernfell“ gewidmet, in Wien mit den Dichtern Grillparzer, Lenau, Seidl, Bauernfeld, Feuchtersleben, Zedlitz, Vogl, Leitner, Deinhardstein, u. A., mit den Gelehrten: Ferdinand Wolf, Kaltenbäck, Karajan, Enk etc., mit Musikern, Malern und Schauspielern. Mit all denen traf er gewöhnlich in dem sog. „silbernen Kaffeehaus“ (beim Neuner) zusammen, von welchen Zusammenkünften uns Auersperg in seiner Biographie seines intimsten Freundes, des unglücklichen Lenau, ein reizendes Genrebild geliefert hat (Nic. Lenau’s Sämmtliche Werke, herausgegeben von A. G., Stuttgart und Augsburg, J. G. Cotta’scher Verlag, 1855, I. S. XXV f.). Aber nicht allein, wie G. schreibt, für die Geschichte der Litteratur in Oesterreich knüpfte sich an den unscheinbaren Rahmen eines Kaffeehauses manch’ anziehende Erinnerung, hier „beim Neuner“ war es auch, wo, wie wol begreiflich, in dem steten Contacte der ersten Geistesgrößen des vormärzlichen Oesterreich – denn jeder außerhalb Wien lebende österreichische Litterat und Künstler, der die Residenz zeitweilig besuchte, trat in den „Kreis“ als Pilger ein; – beim Neuner war es, von wo die ersten Ideen der Befreiung Oesterreichs vom Drucke des Absolutismus, wenn auch nur ganz leise angeregt, stets weiter und weiter klangen. Hatte der „junge Dichter“ Auersperg seine ersten in die Oeffentlichkeit gegebenen lyrischen Poesien (die zerstreut in Hormayr’s „Archiv“, im Dresdener „Mercur“ und anderwärts erschienen) mit seinem vollen Namen, Anton Alex. Graf Auersperg gezeichnet, so hielt er es, sobald er mit einem „Buche“ in die schreibende Republik eintrat mit Rücksicht auf die herrschenden Zustände gerathen, ein Pseudonym zu wählen, und er entschied sich für: Anastasius Grün. Warum dafür? Graf Auersperg gibt selbst in einem Schreiben an seinen Neffen Alphons Grafen Auersperg im Jubiläumjahre dd. Graz 20. März 1876 darüber Aufschluß wie folgt: „Der Dichtername Anastasius Grün – schreibt er – ist durch seine sprachliche Etymologie erklärlich und heißt: als Grün (pseudonym) auferstanden oder wiedererstehend, nachdem der wahre Name der damaligen Censurverhältnisse halber [29] nicht wagen konnte, mit einiger Aussicht auf ungestörte Wirksamkeit litterarisch aufzutreten.“ War solch ein Pseudonym für die „Blätter der Liebe“ und für den „Letzten Ritter“ zwar nicht unbedingt geboten, so wäre es dies aber ganz entschieden für die „Spaziergänge eines Wiener Poeten“ gewesen, wenn nicht der gegen das Metternich’sche Oesterreich urgewaltig anstürmende Dichtergraf es gar vorgezogen, sein gereimtes Freiheitsbrevier anonym auszugeben. Schon war Auersperg in Deutschland gewesen und hatte ihm im biedern Schwabenlande „Held Uhland“ an seinem „Herde“ die „Hand gedrückt“, weitere Reisen folgten dann nach Italien und Frankreich. Die „Eindrücke“ davon finden sich in den „Gedichten“ und im „Schutt“. Wie in die Alpenlande Oesterreichs, namentlich ins Salzkammergut, zog es G. wiederholt zu den „Schwaben“, wo er und Lenau die gemeinschaftlichen Freunde hatten und letzterer ebenfalls so gerne weilte. Intime Beziehungen knüpfte G. mit Paul Pfizer, dem er später das humoristische Capriccio: Nibelungen im Frack „aus inniger Verehrung“ zueignete. Auf der Weibertreue in Weinsberg fand ich Grün’s Namen mit der Jahreszahl 1837. Schon hatte Graf Auersperg daheim im Vaterlande Krain den väterlichen Besitz Schloß Thurn-am-Hart und die benachbarte „Herrschaft Gurkfeld“ angetreten, 1830 (in welchem Jahre er das majorenne Alter erreicht hatte), und erschien 1832 als Mitglied der krainischen Stände auf der Herrenbank in der Laibacher Landstube. Hier ließ G. seine Stimme so frei ertönen, als es unter den gegebenen staatlichen Verhältnissen bei aller Deckung durch die Immunität eines „Mitlandmanns“ nur immer möglich war, und erwies sich als ein unerschrockener Kämpfer für die arg getroffenen materiellen Interessen der Heimath. Der politische Dichter, der „Spaziergänger“ ward als Parlamentarier des Vormärz activer Politiker. Und, wenngleich auch nur in engeren heimathlichen Grenzen, mit Erfolg. Von G. geführt raffte sich 1843 der krainische Landtag zu einer bis dahin unerhörten parlamentarischen That des Vormärz auf, zu der Verwahrung: bei der beabsichtigten noch weiteren unerschwinglichen Steuerhöhung nicht mehr mit der Regierung gehen zu können! Dies mannhafte Auftreten hatte, wenn auch erst nach Jahren, die Einführung eines gerechteren Steuermodus in Krain zum Gefolge und es blickte G. noch am Abende seines Lebens mit vieler Genugthuung auf dieses durch seinen ersten Impuls erzeugte Resultat. Auch für den „lustigen grünen Wald“ – für den der Dichter schwärmte – brach der Parlamentarier eine Lanze und gab im offenen Landtage ein wohlmotivirtes Gutachten darüber ab, wie der für Krain so wichtigen Waldwirthschaft aufzuhelfen wäre. G. war nach langem – seit der Reformationsperiode – der Erste, der es in dem Laibacher Landtagssaale gewagt, einen Protest gegen den Leiter der Regierung zu concipiren; mit einem Worte, er war bald die Seele der offenen und der versteckten Opposition der „Ehrsamen Landschaft des Herzogthums Krain“. Wie hoch er aber in der Achtung der Gesammtheit seiner „Herren Mitstände“ war, dafür der Beweis, daß man ihn 1845 in obenerwähnter Steuerangelegenheit als Deputirten an den Hof sandte, ihn den Spaziergänger, in die Burg Franz I. Nicht ahnte da wol G., daß er drei Jahrzehnte später durch die Huld Franz Josefs I. in den Kreis jener illustren Vertrauensmänner würde aufgenommen werden, welche als Sr. Majestät wirkliche geheime Räthe das Recht des freien Zutritts zu dem Monarchen haben. Bei dieser Ambassade nach Hof verkehrte G. mit dem kunstsinnigen Erzherzog Ludwig, mit dem er auch dann in den „Märzen von 1848“ wiederholt in Berührung kam. Erzherzog Ludwig kannte G. von seinem Bruder, dem populären „Prinzen Johann“ her, zu welchem G. seit Jahren, mehr und inniger seit seiner Verheirathung mit Gräfin Maria Attems (10. Juli 1839) beziehungsweise seit seinem stabilen Winteraufenthalte in der vielgepriesenen Hauptstadt der [30] grünen Steiermark, in dem reizenden Graz, in Verkehr getreten war; war ja doch „Prinz Johann“ der geistige Mittelpunkt, um den sich alle geistigen Strebungen von ganz Innerösterreich gruppirten. Und das Jahr 1848 brachte die Beiden, den „Prinzen Johann“ und den Freiheitssänger G. einander wo möglich noch näher, der eine zog als „Reichsverweser“, der andere zuerst als Mitglied des Vorparlaments, dann als gewählter Deputirter seiner Heimath Krain nach Frankfurt. Für die Beschickung des Frankfurter Parlaments auch von Seite der slovenischen Partei Krains schrieb G. eine politische Flugschrift „An meine slovenischen Brüder“, 1848, worin er den Grundgedanken debattirte, daß sich die Slovenen mit Oesterreich an Deutschland anschließen müssen, wenn sie nicht Rußland in die Arme fallen wollen. Die Slovenen blieben bei ihrem Protest gegen die Wahlen ins deutsche Reichsparlament. – „Die Sonne der heiligen Märzen“ leuchtete aber nicht lange; „o kurzer Tag, der unentstellt“, singt G. und fügt rasch, so rasch als die betrübenden Ereignisse des Sommers und Herbstes sich folgten, hinzu: „Ein Tag wol kaum, ach kaum Minuten! Ins Gotteswerk griff Gottes Affe“, und an anderer Stelle: „sie tanzten um ein Bild, das sie die Freiheit nannten, in neuer Larve war’s uralte Tyrannei.“ Der von den Orgien der Revolution in seinem zartesten Fühlen und edelsten Denken für die Freiheit arg getäuschte und verletzte Dichter zog sich in den „lustigen grünen Wald“ seines Vaterschlosses Thurn-am-Hart zurück und vollendete hier die Uebertragung der (slovenischen) „Volkslieder aus Krain“. – Später ging er auf Reisen, namentlich öfter als zuvor in Bäder, deren sein Körper mehr und mehr zu bedürfen begann. Wie früher nach Franzensbad, ging er nach Helgoland, Kissingen, Neuhaus in Steiermark, Veldes in Oberkrain u. a. m. Seine Studien für die Uebertragung der Lieder von „Robin Hood“ führten ihn nach England, in den „lustigen grünen Wald“ des schottischen Hochlandes! Das J. 1860 führte den Grafen erst wieder in das öffentliche politische Leben. Der Kaiser hatte ihn in den sog. „verstärkten Reichsrath“ berufen, wo G. für die „Freiheit Ungarns“ eintrat. Aber schon 1861 sah sich der Dichtergraf genöthigt in einer historisch-politischen Broschüre: „Die Ungarische Bewegung und unsere Pflicht“ betitelt, den Aspirationen der Magyaren gegenüber den österreichischen Reichsstandpunkt zu wahren. Bei der Schöpfung des österreichischen Herrenhauses des Reichsrathes vom Kaiser als lebenslängliches Mitglied in diese hohe Versammlung der österreichischen Aristokratie der Geburt und des Geistes berufen blieb G. bis zu seinem Tode, nicht nur eine der größten Zierden, sondern auch einer der fleißigsten Arbeiter dieser im Verfassungsleben Oestereichs hochwichtigen und entscheidenden parlamentarischen Körperschaft. Hier, wie im Landtage seiner Heimath Krain (nach dessen Verlassen wegen slovenischer Majorisirung er in den Landtag der Steiermark trat) war G. der stets einstimmig gewählte Verfasser der „Adressen“ an die Krone, die sich durch Gedankenschwung und politische Tüchtigkeit gleich sehr auszeichneten. Als Redner im Herrnhause erntete G. stets und insbesonders in den Debatten über die confessionellen Gesetze ob des unentwegten Entfaltens des Freiheitsbanners, ob der männlich offenen und zugleich gefühlswarmen Sprache stürmischen Beifall. Der Abend seines Lebens, der ihn also politisch und nebenbei auch wieder dichterisch rüstig arbeiten sah, brachte ihm der Freuden gar manche, die Fülle von Freuden das Jubelfest des 70. Geburtstages am 11. April 1876, welche Feier aber leider dem Gefeierten verhängnißvoll wurde, indem das Uebermaß der Huldigungen die stark reizbaren Nerven des Dichters zerriß und ihn wenige Monde nach dem Festtage auf die Bahre streckte. Sein Tod erfolgte durch Schlaganfall und Lähmung nach 10tägigem Schmerzenslager am 12. Septbr. 1876 um 33/4 Uhr Nachmittags.

[31] Auf dem Sterbebette lagen die Correcturbogen von „In der Veranda“. An demselben Bette erschien der in der Gesellschaft von Graz vielbeliebte Monsignore Canonicus Hebenstreit, um dem aus dem Leben Scheidenden das Sacrament der Sterbenden zu reichen; Gerüchte, welche den Dichtergrafen die Vornahme der heiligen Handlung abwehren ließen, sind in das Bereich der Fabel zu verweisen. – Womit G. nie im Leben geprunkt, Orden und Titel, die er besessen, das von der Gräfin-Gemahlin ausgegebene Parte rief sie in Erinnerung. Er war Geheimrath, Ritter der Eisernen Krone 1. Classe, Commandeur des mexik. Guadeloupe-, Ritter des baierischen Maximilianordens, Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien, Ehrendoctor der Philosophie der Universitäten von Wien und Graz etc. etc. Seine Leichenfeier in Graz am 15. September gestaltete sich zu einer Fortsetzung der Huldigungsfeier auch insofern als die Kränze vom 11. April mit zu Todtenkränzen wurden! Der Leichnam ward von Graz nach Thurn-am-Hart überführt und vorläufig in der benachbarten Kirche von Haselbach beigesetzt. Ein Jahr später war das prachtvolle Mausoleum im Parke von Thurn-am-Hart vollendet, welches die innigstgeliebte Gattin dem innigstgeliebten Gatten hat erbauen lassen und wo er nun mitten „im lustigen grünen Wald“ ruht im ewigen Frieden. Die Rotunde des mit Marmor und Gold ausgelegten Mausoleums schmückt eine trefflich gelungene lebensgroße Büste des unvergeßlichen Freiheitssängers!

Wie es bei der Persönlichkeit Grün’s nicht anders möglich war, wo der Dichter und der Politiker so eng mit einander verwachsen sind, haben wir schon im Vorhinein seine dichterischen Hauptwerke genannt. Der genaueren Uebersicht halber wollen wir sie aber alle in der Reihenfolge des Erscheinens zusammen aufführen. Zuerst erschienen die „Blätter der Liebe“ (1830), seiner Mutter gewidmet. Für einfache Lieder wirkte die Fülle von eingewebten Bildern und Gedanken nahezu erdrückend und diesen Vorwurf „des Bildnerns statt Bildens“ machte dem jungen Dichter in einem spitzigen Epigramm auch Grillparzer, was G. lange nicht verwinden konnte. Durchschlagenden Erfolg, weil hier mit den Bildern und Gedanken auf lohnenderem Gebiete, erntete G. mit seinem Romanzenkranz „Der letzte Ritter“ (1830), in welchem er bekanntlich die leuchtendsten Thaten Kaiser Maximilians I. dem „seidenen Zeitalter“ wieder vorgeführt hat. Wenngleich der scharfe Kritiker Enk von der Burg (Benedictiner von Mölk), der dieses Werk Grün’s in den „Wiener Jahrbüchern“ besprach, für die historische Romanze den ganzen Maximilian in epischer Genauigkeit forderte, so kann er doch nicht umhin, einzugestehen: der Dichter habe das, was er geben wollen, so gegeben, daß es die vollste Anerkennung verdiene. Und auch schon ein dann immer mehr sich ausbildendes Moment der Grün’schen Muse blitzt aus den Gesängen des letzten Ritters heraus: der Humor.

Aber was G. im „Letzten Ritter“ nur allegorisch andeutete, den Kampf einer neuen mit der alten Zeit, das nahm er in den beiden nächstausgegebenen Werken direct auf mit dem wuchtigen Schwerte seines Gedankens und mit den vernichtenden Speeren seines Humors und seiner Satyre, er nahm ihn auf den Kampf gegen den alles lähmenden Absolutismus des „Vormärz“ in den anonym erschienenen „Spaziergänge eines Wiener Poeten“ (Hamburg 1831) und im „Schutt“ (Leipzig 1835). Wenn auch die Spaziergänge nur specifisch österreichische Zustände ins Auge faßten und geißelten, so gewann sich doch G. durch die absolut künstlerische von den höchsten Ideen getragene Art in diesem Werke die Sympathie aller Freunde der Menschheit, aller Freunde der Freiheit, zunächst die Sympathie der deutschen Brüder „draußen im Reiche“. „In der Wärme dieser neuen Lieder – sagt ein deutscher Kritiker (Wolfgang Menzel) – spürte man den Einfluß der Juliussonne in Paris“; er nennt diese Lieder [32] die „Musik der Zukunft“, in denen nicht die Klage, sondern die Hoffnung überwiege und welche ein freudiger muthiger Ton durchziehe. Oesterreich – sagt Menzel – hatte nie einen besseren Sänger. Einen besseren lyrischen Sänger gewiß nicht, und ist ihm höchstens Walther von der Vogelweide in seinen Liedern an Kaiser und Papst an die Seite zu stellen.“ – Aus dem engeren österreichischen Rahmen trat G. mit dem „Schutt“, in welchem er wie Gottschall trefflich bemerkte, den „Lenz der ganzen Menschheit feiert“. Der „Schutt“ eroberte unserem Dichter vollends auch die Herzen aller Jener, die sich nur an kosmopolitischen Conceptionen erwärmen und begeistern können, denn im Schutt erscheint G. auf der Höhe des Kosmopolitismus. Die letzte Vision: „Fünf Ostern“, feiert die dereinstige „allgemeine Weltbeglückung, den heitern Frieden, in welchem alle religiösen Unterschiede erloschen, Kreuz und Halbmond verschwunden“ sein werden. Bilder und Gedanken, das Massengefolge der Grün’schen Muse, sie erscheinen im Schutt in Gruppirungen, wie man sie entzückender und überraschender selten finden mag.

Mit den Erfolgen des „Letzten Ritter“, der „Spaziergänge“ und des „Schutt“ ausgerüstet, wagte G., dessen „Blätter der Liebe“, wie bemerkt, nicht gar günstig aufgenommen worden, nochmals die Ausgabe von gesammelten „Gedichten“ (1837), aus denen mehrere, wie der „Letzte Dichter“, das „Blatt im Buche“, der „Ring“ u. a. im vollsten Sinne des Wortes populär geworden sind und in keiner „Anthologie“ fehlen dürfen. Nach langer Pause, in welcher man dem Freiheitssänger Apostasie vorwarf, die man aus seiner Vermählung mit der Tochter des Landeshauptmannes, der Gräfin Attems herleitete, brachte G. 1843 ein neues Werk und zugleich die scharfabweisende humoristische Antwort auf jene Anschuldigungen in den „Nibelungen im Frack“. Daß G. trotz der mitunter wahrhaft künstlerischen Behandlung des Capriccio mit dieser seiner poetischen Gabe nicht durchdringen konnte, liegt wol in der Natur der wenngleich stark verhüllten Polemik, die doch immer nur ganz kleine Kreise zu interessiren vermag und des absoluten Kunstwerthes unter allen Umständen entbehrt. Weitaus glücklicher war G. mit dem nächsten Werke, dem wieder große Gedanken zu Grunde liegen und das von den herrlichsten Bildern – Genre- und Landschaftsmalerei – eine ganze Gallerie darstellt, mit dem ländlichen Gedichte der „Pfaff von Kahlenberg“ (1850). Dieses Gedicht, welches als eine Apotheose des liberalen Fürsten- und des liberalen Priesterthums erschien, wandte sich also wieder an die ganze freisinnige Menschheit, aus deren Idealen es ja zwei der bedeutendsten und für die Entwickelung des Menschengeschlechtes einflußreichsten glorificirt hatte. Und auf dem österreichisch heimatlichen Boden gewann das Allgemeine dieser Tendenz noch die specielle Bedeutung, daß die Fabel des Gedichtes sich enge an eine allgemein gekannte und beliebte österreichische oder noch besser Wiener Volkssage anschloß, in der „der Pfaff vom Kahlenberg“ und der Herzog Otto der Fröhliche die Hauptrollen spielen. Wien mit seiner nächsten reizvollen Umgebung findet außerdem in dem Gedichte eine poetische Verherrlichung, wie sie außer durch G. der altberühmten und „einzigen“ Kaiserstadt an der „schönen blauen Donau“ kein Dichter hat zu Theil werden lassen. – Im selben Jahre (1850) erschienen die „Volkslieder aus Krain“, eine Uebertragung oder eigentlich Wiederdichtung der slovenischen Lieder des Volkes in seiner engsten Heimath Krain. Er hatte es sich vorgesetzt, „die bereits allmälig verklingende poetische Stimme dieses merkwürdigen Volksstammes“ dem deutschen Volke zu vermitteln und es gelang ihm dies in bekannter Meisterschaft. Die Vorrede, die er dazu schrieb, ist ein Cabinetsstück culturgeschichtlicher Studien und eröffnet dem Fremden einen tiefen Einblick in die Eigenthümlichkeiten des slovenischen Volkes, wie es sich im Liede offenbart. Die bedeutendsten der übertragenen Lieder sind den „Türkenliedern“, wie sie noch [33] heute im Volke im Schwange sind, entnommen, die Erinnerungen an die jahrhundertelangen Kämpfe des krainischen Volkes gegen den „Erbfeind der Christenheit“, dazwischen sind Liebeslieder, Thierlieder, Vierzeilige und dergleichen eingestreut. Interessant ist in der schon erwähnten Vorrede, in welcher G. seinen Standpunkt als deutscher Dichter scharf präcisirt, das Geständniß, „daß die großen Fragen, welche die Menschen bewegen, nicht ohne Mitwirkung der mächtigen Slavenfamilie nachhaltig zu lösen sind, das habe in neuester Zeit (1848) das mächtige Rauschen der alten vielästigen Slavenlinde deutlich genug angekündigt. Ein Zweiglein dieses Baumes – schließt G. – aber rührte sich schon vorlängst in den Liedern unserer Sammlung.“ – Wieder trat in dem Erscheinen der frohbegrüßten Gaben Grün’s eine längere Pause ein, bis er (1864) den Balladencyclus „Robin Hood“ herausgab, mit dem wir ihn im „lustigen grünen Wald“ von Schottland finden. Wie ihm die Nachdichtung der näher gelegenen slovenischen Volkspoesie prächtig gelungen war, so nicht minder gelang ihm die englische Volkspoesie. Die Frische des Volkstons ist da, wie dort, eine so ursprüngliche, daß man unmittelbar an dem Urquell zu stehen vermeint. Grün’s Robin Hood wird erst in Tagen vollkommen gewürdigt werden, in denen der gewaltige Eindruck, den um die Zeit des Erscheinens der Parlamentarier G.-Auersperg hervorrief, durch den natürlichen Lauf der Ereignisse in den Hintergrund gedrängt sein wird. – Der „Parlamentarier“ war es überhaupt, der dem Dichter arge Concurrenz machte und ihm nicht Muße ließ, dem dichterischen Schöpfungsdrange zu genügen. Von 1864–1876 kam G. nur mehr dazu, hie und da den „Dioscuren“ – dem rasch populär gewordenen durch Hofrath Baron Falke begründeten und trefflich redigirten Jahrbuche des 1. österreichischen Beamtenvereins –, dem Jahrbuche des liberal-politischen Vereins in Linz u. a. derartigen Publicationen Neues zu spenden und früher zerstreut Erschienenes zu sammeln. Als ob er den nahenden Tod geahnt hätte, bereitete er im letzten Lebensjahre (1876) zwei litterarische Erscheinungen vor, eine neue Ausgabe der „Spaziergänge“, die denn auch noch zu seinen Lebzeiten erschien und mit einem Widmungsgedichte an einen jungen Freund (den Neffen seiner Frau, Ignaz Grafen Attems, Obmann des deutschen Vereins in Graz) versehen ist. Das Erscheinen der Gedichtsammlung „In der Veranda“ (1877) konnte ihn nicht mehr erfreuen und es bereitete ihm auf seinem Todtenbette nicht geringen Kummer, dem er wiederholt Ausdruck gab, der Umstand, daß er diese mit aller Liebe und Pietät unternommene Nachlese nicht zu Ende durchsehen konnte. Diese posthume Gabe Grün’s enthält der „Demanten und Perlen“ aus seinem poetischen Schatzkästlein gar viele und vor allem zählen die Zeitklänge mit Gedichten an den „Prinzen Johann“, an Radetzky, dann der Cyclus: „Prinz Eugenius“, „Der Tambour von Ulm“, „Gneisenau in Erfurt“ u. a. m. unter das Schönste und Treffendste, was in „historischer Lyrik“ seither auf dem Gebiete deutscher Dichtung geleistet wurde. Albald nach seinem Tode bot die Verlagshandlung Grote in Berlin eine Gesammtausgabe der Dichtungen Grün’s, als deren Herausgeber L. A. Frankl fungirte, der auch eine Biographie des Dichters schreiben soll. – Die meisten Auflagen von Grün’s Werken erlebten die „Gedichte“ und die „Spaziergänge“.

P. v. Radics, Anastasius Grün und seine Heimath, Festschrift zum 70jährigen Jubiläum des Dichters, Stuttgart 1876. – P. v. Radics, Anastasius Grün, Verschollenes und Vergilbtes aus dessen Leben und Wirken, Leipzig, 1879.

*) Da Graf Auersperg zur Zeit, als unser erster Band gedruckt ward, noch lebte, haben wir die Biographie des inzwischen verstorbenen Dichters hier unter seinem allbekannten Pseudonym eingereiht, um sie nicht bis auf den letzten Band unseres Werkes verschieben zu müssen.