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ADB:Pfizer, Paul

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Artikel „Pfizer, Paul“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 668–677, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfizer,_Paul&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 03:42 Uhr UTC)
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Band 25 (1887), S. 668–677 (Quelle).
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Pfizer: Paul Achatius P., geboren am 12. September 1801 zu Stuttgart, † am 30. Juli 1867 zu Tübingen, war der Sohn von Carl Immanuel Gottlob P., damals Amtsschreiber, später Obertribunaldirector zu Stuttgart († 1844) und von Charlotte geb. Heyd. Bis zum 18. Jahre brachte er seine Jugend im elterlichen Hause in Stuttgart zu in den einfachen Verhältnissen eines wohlgeordneten Beamtenhaushaltes; zwei Brüder, zwei Schwestern bildeten den übrigen Geschwisterkreis, alle durch hervorragende geistige Begabung ausgezeichnet; der Vater war ein sehr tüchtiger gründlicher Rechtsgelehrter und rückte allmählich zu einer der höchsten richterlichen Stellen seiner Heimath empor. In der Familie, die zu den angesehenen des Landes gehörte, herrschte reges geistiges Leben, die neuen Erscheinungen der Litteratur, die wichtigen Ereignisse der Politik fanden in dem tüchtigen, dem Idealen zugewandten Kreise lebhaftes Echo; geistige Unabhängigkeit, warmer patriotischer Sinn zeichneten ferner denselben aus. In dem Gymnasium seiner Vaterstadt, das er vom Jahre 1807 bis 1819 besuchte, war der außerordentlich reich begabte, mit vorzüglichem Gedächtniß ausgerüstete Knabe, nach dem treffenden Ausdruck eines Altersgenossen, das Ideal und die Verzweiflung seiner Cameraden. Es gab kein Fach, für welches er besondere Vorliebe gezeigt, besondere Anstrengungen sich zugemuthet hätte, mit einer gewissen spielenden Leichtigkeit machte er sich alle Wissensgegenstände des Gymnasialunterrichts unterthan, und wenn die Empfänglichkeit für [669] Mathematik vielleicht etwas geringer war, als die für andere Fächer, so war er doch auch hierin bei weitem der Erste. Seine Uebersetzungen ins Lateinische waren mustergültig, den griechischen Dichtern, die er in den Oberclassen mit Vorliebe las, trug er das volle Verständniß eines tief poetisch angelegten Gemüthes, eines für die Schönheit und den Wohlklang der Sprache empfänglichen Ohres entgegen; noch in späteren Jahren wußte er lange Stellen aus seinem Lieblingsdichter Homer im Urtexte anzuführen und der formvollendete Rhythmus seiner Sprache verräth die gründliche Schulung durch die classischen Meister. Doch hat er einmal bei der Gegenüberstellung von Classicismus und Realismus später ein herbes Urtheil über den ersteren gefällt; beim Lesen von Okens Universum empfand er schmerzlich die Lücken seiner realistischen Bildung, welche der vollgepfropfte classische Schulsack nicht ausfüllte (in Brief 18 des Briefwechsels 1. Aufl., in der 2. Aufl. fehlt der ganze Abschnitt). Nach dem Vorbild des Vaters und des älteren Bruders (Karl Pfizer, † 1878 als Präsident des Obertribunals zu Stuttgart) wählte er die Jurisprudenz zu seinem Berufsstudium, ohne eigentlich eine besondere Vorliebe dazu zu empfinden, und in den ersten Studienjahren beschäftigte er sich nur soweit damit, als es die Vorlesungen mit sich brachten, während er höchst umfassende philosophische Studien trieb, in den bisher zurückgestellten Naturwissenschaften sich umsah, u. a. auch eine anatomische Vorlesung hörte. Kant und Fichte wurden gründlich gelesen, mit all der Hingebung seines tiefen Geistes versenkte er sich in Schellings Naturphilosophie, neben welcher Oken den bedeutendsten Eindruck auf ihn machte. Hegel zog ihn nicht an, der Formalismus seines Systems stieß ihn ab. Mit 22 Jahren bestand er mit Auszeichnung das juristische Examen, und wurde sogleich (August 1823) als Secretär in das Justizministerium berufen, dessen Vorstand v. Maucler ihm sehr bald großes Vertrauen schenkte; eine größere Reise, wie es sonst Sitte war nach Vollendung der Studienzeit, unternahm er meines Wissens nicht. Die bei Schwaben häufig sich findende Unbeholfenheit und Schwerfälligkeit trat bei P. in verstärktem Maße hervor, in sich zurückgezogen, gern schweigsam, zeigte er den reichen Schatz seines Geistes und Gemüthes nicht gern überall, während er sich einem engern Freundeskreise voll erschloß. Der makellos ehrenhafte Charakter, der durchdringende Verstand und die feine, weite Gebiete umspannende Bildung hoben den bescheidenen stillen Jüngling, der aber seines vollen Manneswerthes sich stets bewußt war, überall in die erste Stellung. Leider erschwerte eine angeborene starke nervöse Reizbarkeit den Umgang mit ihm und machte ihm selbst das Leben schwer, sie erfüllte die Näherstehenden mit banger Ahnung, die sich nur allzusehr bewahrheitete, daß ein schweres Kopf1eiden sich daraus entwickeln möchte, welches auch auf das für ernste Eindrücke sehr empfängliche Gemüth verhängnißvoll einwirken würde.

Den hohen auf ihn gesetzten Erwartungen hatte P. bisher nicht in gleichem Maße entsprochen, er hatte weder in der Philosophie noch in der Jurisprudenz durch ein hervorragendes Werk sich einen Namen gemacht oder der Wissenschaft eine neue Bahn eröffnet; seine Stärke lag auch nicht in diesen beiden Gebieten, in der Philosophie war er Eklektiker und an einem Weiterbau von Schelling’s Naturphilosophie mochte ihn doch sein amtlicher Beruf hindern, welcher einer ausgiebigen Beschäftigung mit den Naturwissenschaften im Wege stand. Auch in der Jurisprudenz verhielt er sich (soweit ich es beurtheilen kann) receptiv, seine volle geistige Kraft setzte er auch nicht in die Beherrschung und Förderung dieser Disciplin ein, während die genaue Kenntniß der rechtlichen Verhältnisse doch die unumgängliche Vorbedingung war für seine spätere landständische und schriftstellerische Thätigkeit. Als er im Herbst 1826 zum Assessor an den Tübinger Gerichtshof befördert wurde und diese Stelle Januar 1827 antrat, schien er [670] vollständig in die gewöhnliche württembergische Beamtenlaufbahn hineingestellt zu sein, wo er mit regelmäßigem Schritt die höchsten Stufen derselben erklommen hätte. Und doch loderte in dem stillen Jüngling ein ungestilltes, ins Unendliche strebendes Sehnen, das weit entfernt von gewöhnlichem Streberthum weder im Berufe noch in der Philosophie seine Befriedigung fand und nur in tief empfundenen, oft schwermüthig klingenden Gedichten sich offenbarte. In den schönen Kranz begabter Dichter, welche den Stolz Württembergs damals bildeten, Uhland, Justinus Kerner, Gustav Schwab, Karl Mayer, Friedrich Notter, Wilhelm und Hermann Hauff, Wilhelm Waiblinger u. s. w. trat auch er mit seinem jüngeren Bruder Gustav P. (geb. am 29. Juli 1807, noch lebend als Professor a. D. in Stuttgart) als vollberechtigter Genosse ein. Ehe er mit Uhland näher bekannt wurde, stand ihm Friedrich Notter (s. A. D. B. XXIV, 44 f.) am nächsten, ihm übergab er 1823 ein langes Epos in tadellosen Hexametern: Hermann der Cherusker. Notter’s leiser Tadel, der das antike Versmaß als wenig geeignet für das deutsche Stück bezeichnete und Anstoß nahm an einem Liebesverhältniß, das mit einer für den Norden kaum möglichen Gluth gezeichnet war, bestimmten den leicht Verletzbaren, das Manuscript zu vernichten; das gleiche Schicksal hatte eine Tragödie: „Fredegunde“ aus der „Blut und Mord trunkenen Geschichte der Merowinger“. Es mochte eine schmerzliche Enttäuschung für P. sein, als ihm auf diese Weise klar wurde, daß er zum eigentlichen großen Dichter nicht geschaffen sei; es ist mir nicht bekannt, daß er auch später noch den frischen Sprudel seiner Begeisterung, seiner tiefen und reichen Phantasie, seines sehnenden Gemüthes in einem größeren Gedichte ergossen hätte; die Muse blieb ihm aber treu, von seinen lyrischen Gedichten, welche da und dort zerstreut sind (z. B. im Anhang zum Briefwechsel zweier Deutschen) und von welchen manche noch im Manuscript unveröffentlicht vorhanden sind, tragen einige den Stempel hoher Formvollendung, geistreicher Auffassung und edlen Schwungs (z. B. „Einst und jetzt“, „der Messias“). Aber das eigentliche, seinem Wesen entsprechende Feld seiner Thätigkeit lag nicht in diesen idealen Gebieten, die ganze Kraft seines Wissens und Nachdenkens, die Gluth seiner Seele und die Sicherheit seines Urtheils offenbarte sich auf dem praktischen Gebiete des politischen Lebens in einer der höchsten Fragen, welche das deutsche Volk bewegten.

Frühjahr 1831 erschien bei Cotta anonym sein erstes und bedeutendstes Werk: „Briefwechsel zweier Deutschen“. Von mäßigem Umfang (1. Aufl. 356 S., 2. Aufl. 434 S.) war derselbe aus einem wirklichen Briefwechsel entstanden. welchen P. und Notter in den Jahren 1827–29 miteinander geführt hatten und in welchem die höchsten Probleme der Wissenschaft, die damals bedeutendsten Strömungen der Litteratur besprochen wurden. P. arbeitete die Briefe um, erweiterte, änderte manches und stellte sie als eine Art einführende Einleitung, als theoretischen Theil einer zweiten Reihe von Briefen voran, welche ihn allein zum Verfasser hatten (mit Ausnahme eines kleinen Abschnittes über den Nationalcharakter der Deutschen im 14. Brief) und welche den Zustand Deutschlands in Beziehung auf Litteratur, Kirche, Staat und Leben schilderten und wo er nach einem Excurs über Kosmopolitismus und Nationalität zu der Frage über die zukünftige, den wahren Interessen Deutschlands am meisten entsprechende Gestaltung der großen politischen Verhältnisse des deutschen Vaterlandes überging und diese damit löste, daß eine Trennung Oesterreichs von dem übrigen Deutschland und die Verzichtleistung von Seiten der kleineren deutschen Fürsten auf einen Theil ihrer Souveränität zu Gunsten Preußens, der nationalen deutschen Vormacht, gefordert wurde. Die Schrift, deren Forderungen in solch merkwürdiger Weise sich erfüllt haben, daß man P. mit Recht den Propheten des neuen deutschen Reiches genannt [671] hat, ist auch jetzt noch in hohem Maße interessant zu lesen; nach der Vorrede zur 2. Aufl. wählte der Verfasser die Form des Zwiegesprächs, um den getragenen Ton einer philosophischen und staatsrechtlichen Abhandlung zu vermeiden und dem Hauptgegenstande, der Sache Deutschlands durch das individuelle Colorit und die leidenschaftlichere Haltung, welche ein Austausch zwischen zwei verschiedenen Persönlichkeiten naturgemäß mit sich bringt, mehr Theilnahme zu verschaffen. Unter dem Namen Friedrich ist P., unter Wilhelm Notter verstanden, aber abgesehen von einer freundschaftlichen Courtoisie, mit welcher P. seinem Gegner Wilhelm die tiefsten, weittragendsten Gedanken in den Mund legt und ihn zum Hauptträger seiner Ideen macht, liegt es in der Dialektik des Zwiegesprächs, das im Grunde ein und derselbe Autor mit sich hält, daß die Freunde hie und da ihre Rollen etwas vertauschen. Das Buch, geschrieben im Ton und Stil eines poetisch begabten, mit allen Meisterwerken der alten und neuen Zeit vertrauten Geistes, ist durchweht von dem wohlthuendsten Hauche patriotischer Begeisterung; wohl versteht er die Geißel zu schwingen über die Gebrechen der Zeit, über die Untugenden seines Volkes, aber auch wenn ihm das Herz wallt über der Zurücksetzung, welche der Deutsche im Auslande erfährt, über die nur allzuhäufige Verleugnung der eigenen Nationalität, durch welche dieser sich selbst brandmarkt, der bittere Ton tritt doch zurück hinter der frohen frischen Hoffnung für des Vaterlandes Zukunft, welche überall durchklingt. Der innere geistige Reichthum, welchen der Verfasser durch seine umfassenden juridischen und philosophischen Studien gesammelt, wird dem Leser mit freigebiger Hand vorgelegt, aber jede Zeile zeugt auch von der scharfen Beobachtung der bestehenden Verhältnisse; es sei nur erinnert an das scharfe Urtheil über Oesterreichs Unfähigkeit, den Kern der neuen Gestaltung für Deutschland zu bilden, an die daran sich schließende treffende Schilderung von Preußen, bis zu seinem System der Volksbewaffnung, „das in seinen Grundsätzen gerechter und in seinen Erfolgen wirksamer und imponirender ist, als irgend ein Militärsystem Europas“. Mit einer Bestimmtheit, welche ihren Grund nicht bloß in der sonnenhellen Klarheit politischer Grundsätze hat, sondern in der Entschiedenheit eines festen Charakters, dem es nicht um theoretische Rechthaberei, sondern um praktische Bethätigung zu thun ist, wird über Oesterreich das Urtheil gesprochen, aber auch dem Repräsentativsysteme seine Schwäche vorgehalten; republikanischen Ideen hält er sich fern, die Triasidee wird in ihrer Schädlichkeit und Nichtigkeit dargestellt. Das Buch, die glänzende Frucht reifen Nachdenkens und staatsmännischer Weitsicht und Klarheit, bildet einen Markstein in der Entwicklung der deutschen Einheitsidee. Dem politischen Leben der Nation, das durch die naturgemäße Erschlaffung nach der furchtbaren Aufregung der Freiheitskriege, durch die Karlsbader Beschlüsse etc. in stumpfe Gleichgültigkeit versunken war, hatte die Julirevolution neue Antriebe gegeben; die doppelte Strömung der Freiheit und der Einheit, nach constitutionellen Rechten und nach einer engeren Verbindung der deutschen Bundesstaaten ergoß ihre Wellen wieder voller durch die deutschen Lande, der deutsche Bund bot den deutschen Patrioten nicht die gewünschte Form der neuen Gestaltung des neuen Reiches nach dem Zusammenbruch des alten. In diesem Gährungsproceß gebührt P. das Verdienst, mit staatsmännischer Schärfe und Klarheit die Grundlinien gezeichnet zu haben, auf welchen sich ein deutsches Reich in gesunder Entwicklung aufbauen könne; in bedauerlicher Weise schweigen die vorhandenen Quellen darüber, wann P. die Idee zu diesem Werke gefaßt, ob äußere Anregungen dabei wirksam gewesen sind u. ähnl.; bei der ganzen Eigenart des Mannes ist aber ein Einfluß von andern Schriftstellern nicht anzunehmen, die Begründung seiner Idee schließt auch die Annahme aus, daß P. durch die commerzielle Machtstellung angeregt, [672] welche Preußen durch die Gründung und Ausdehnung seines Zollvereins sich erwarb, diesen Gedanken auf das politische Gebiet übertrug. Diese politischen Gedanken sind Pfizer’s persönliches Eigenthum, sie sind die Frucht seines Nachdenkens; das Innerste seines Wesens, seiner politischen Ueberzeugung hat er damit gegeben, und wenn er mit der Aufstellung der preußischen Hegemonie, mit der Forderung von Oesterreichs Ausscheiden kühner die Consequenzen gezogen hat als alle Uebrigen, welche in einem ähnlichen Gedankenkreise sich bewegten, so hat die Geschichte seine Forderungen wahr gemacht, seine Weissagung erfüllt.

Wie vorauszusehen erregte das Buch, dessen Druck G. Schwab bei Cotta vermittelt hatte, großes Aufsehen nach verschiedenen Richtungen; es drückte zwar nicht das aus, was in aller Gedanken lag; bei der Mehrzahl der liberal gesinnten Leser besonders in Süddeutschland wurde die Hervorkehrung der preußischen Spitze übersehen gegenüber den liberalen Anschauungen überhaupt, die darin hervortraten; in Oesterreich wurde es begreiflicherweise verboten; welche Beachtung es in den leitenden Kreisen Preußens fand, ist nicht zu ersehen, für den Verfasser hatte seine Veröffentlichung weittragende Folgen. Der schüchterne stille Mann stand nun auf einmal da nicht etwa als eine Zierde des Richterstandes, sondern als hervorragender, ja genialer Publicist, als politischer Schriftsteller im besten Sinne des Wortes, als Vorkämpfer für freiheitliche und nationale Ideen, er hatte den Boden betreten, auf welchem er mächtiges, unvergängliches leisten konnte, aber im württembergischen Staatsdienste war zunächst seines Bleibens nicht mehr. Die Forderung, daß die andern deutschen Fürsten zu Gunsten Preußens auf einen Theil ihrer Souveränitätsrechte verzichten sollten, hatte den württembergischen Hof aufs peinlichste berührt; von seinem Vorgesetzten über Tendenz und Inhalt seiner Schrift befragt, glaubte P. diese Anfrage mit der Bitte um seine Entlassung beantworten zu müssen. Am 19. Juni 1831 erfolgte dieselbe. Die Frage scheint (nach Notter) von dem P. wohlgesinnten Departementschef nicht so gestellt worden zu sein, daß der Austritt aus dem Staatsdienste ein nothwendiges Gebot der Ehre gewesen wäre; P. scheint denselben auch später bereut zu haben, der Beruf des Richters war als regelmäßige Beschäftigung der angemessenste für seine Natur; Politik, Poesie und Studium wären in den Mußestunden noch völlig zu ihrem Rechte gekommen.

Ein reicher Ersatz für die aufgegebene Stellung wurde ihm dadurch zu Theil, daß er im December 1831 von Tübingen (Stadt) als ihr Vertreter in die Kammer der Abgeordneten gewählt wurde; in der Zwischenzeit bis zum Zusammentritt der Stände gab P. die beiden Schriften heraus: „Gedanken über das Ziel und die Aufgaben des deutschen Liberalismus“, Tübingen 1832 und „Ueber die staatsrechtlichen Verhältnisse Württembergs zum deutschen Bund“, Straßburg 1832. Ihrem innersten Wesen nach ist die erste nichts als eine sehr eindringliche Warnung an den deutschen Liberalisms, trotzdem daß das undeutsche Oesterreich und das absolutistische Preußen die Hoffnung auf die Wiedergeburt der bürgerlichen Freiheit, auf Annahme constitutioneller Principien weiter als je in die Ferne rücken, sich nicht in die Arme von Frankreich zu werfen; die zweite erhielt ihre Beleuchtung durch die „Motion“, welche P. am 13. Februar 1833 in der württembergischen Abgeordnetenkammer stellte. Ein höchst peinlicher Zwischenfall vergällte ihm den Eintritt in dieselbe; als sie am 13. Januar einberufen wurde, ließ König Wilhelm, in dessen Hand jeder neueintretende Abgeordnete der Verfassung gemäß den Eid abzulegen hatte, unter der Hand die Anfrage an P. stellen, ob P. nicht aus der Eröffnungssitzung wegbleibe, da der König es nicht vermöge, ihm persönlich die Hand zu reichen. Nichts lag P. ferner als Trotz oder Haschen nach wohlfeiler Popularität; seinem unbeugsamen Rechtssinn widerstrebte aber das Wegbleiben ohne eine amtliche [673] königliche Erklärung und da er diese nicht erlangen konnte, theilte er schriftlich dem Könige seinen Vorsatz mit, der Eröffnung anzuwohnen, worauf der König, wegen Unwohlseins wegblieb und die Eröffnung durch den Minister Schlayer vornehmen ließ. P. stand nun in der vordersten Reihe der liberalen württembergischen Opposition, Seite an Seite mit Uhland, dem er noch während seines Tübinger Aufenthalts durch G. Schwab’s Vermittlung nahe getreten war und in dessen Hause er seitdem häufig verkehrte, mit Römer, A. Schott und anderen; „der Dichtergarten in der Kammer“, auf welchen das schwäbische Volk mit innigem Wohlbehagen, mit wahrem Stolz blickte, erfüllte nach besten Kräften seine politische Aufgabe; für P., welcher das ideenreiche Haupt der Versammlung genannt werden kann, war nun die Zeit eingetreten, da er die Einheitsgedanken in den Hintergrund weisend, für constitutionelle Rechte und Freiheiten kämpfen mußte, die er keineswegs gering achtete, aber doch sicher nicht in die erste Linie gestellt hatte. Es lag in den damaligen Zeitverhältnissen, daß eine Stärkung des Constitutionalismus in den kleineren Staaten nothwendig zugleich eine des Particularismus war, schwer genug empfand P. die ganze Tragik dieser Verhältnisse und seiner eigenen Stellung, eine allerdings nur vorübergehende Trübung seiner ursprünglichen Ansicht, wie er sie in dem Briefwechsel ausgesprochen, war die natürliche Folge davon. Am 13. Februar 1833 stellte P. den bekannten Antrag, die sechs Artikel der Bundesbeschlüsse vom 28. Juni 1832 zur landständischen Verabschiedung zu bringen, eventuell dieselben als ein für Württemberg nicht geltendes Gesetz zu betrachten. Noch hatte die staatsrechtliche Commission, deren Vorstand Uhland war, ihren Bericht darüber nicht erstattet, als der Geheime Rath unter dem 27. Februar jenen Erlaß ergehen ließ, in welchem einzelne Behauptungen der Motion als „ungegründet und ebensowenig mit den Verhältnissen des Königs zum deutschen Bunde, als mit dessen Souveränetätsrechten vereinbar“ bezeichnet und daher gegen die Kammer die Erwartung ausgesprochen wurde, sie werde die Pfizer’sche Motion „mit verdientem Unwillen“ zurückweisen. Uhland’s Antwort an den Geheimen Rath wies dies Ansinnen entschieden zurück (7. März), in würdiger gedankenreicher Rede begründete P. am 11. März seine Motion, nach stürmischen Debatten beschloß die Kammer mit 53 gegen 31 Stimmen die Annahme derselben am 13. März, die Antwort der Regierung war die Auflösung der Kammer (22. März). Diese Folge der Motion war vorauszusehen gewesen und Niemand weniger als P. hatte sich darüber getäuscht, aber wenn er sie damals stellte, am 23. Mai unter veränderten Verhältnissen abermals einen Antrag auf Feststellung der staatsrechtlichen Verhältnisse Württembergs zum deutschen Bunde einbrachte, am 17. Juli motivirte und in den Jahren 1835 und 1838 denselben wiederholte, erfolglos, indem die anders zusammengesetzte Kammer ihn für unbegründet erklärte und ignorirte, so geschah dies doch nicht aus bloßer Rechthaberei, es war vielmehr sein politisches, tiefgekränktes Gewissen, welches sich hierin Luft machte, so viele herbe Enttäuschungen er dadurch erfuhr, es war der Protest eines ächten Vaterlandsfreundes gegen die Unnatur und Trostlosigkeit der damaligen Verhältnisse. Durch einen prachtvollen silbernen Pokal dankte die Tübinger Wählerschaft ihrem Abgeordneten, ein gleiches Ehrengeschenk wurde ihm später von Stuttgart zu Theil.

In die auf den 20. Mai 1833 zusammen berufene Kammer war P. von seiner getreuen Stadt Tübingen abermals, wenn auch nach hartem Wahlkampf, gewählt worden; die liberale Partei hatte aber in derselben nicht mehr die Majorität, der Kampf gegen die Regierung wurde unerquicklicher, auch von Seiten des württembergischen Volkes mit weniger Theilnahme verfolgt; P. selbst [674] wurde durch die Lage der Dinge, durch das Festhalten an den constitutionellen Rechten und Freiheiten in eine schiefe Stellung gebracht, welche mit dem eigentlichen Kern seiner Ansichten nicht übereinstimmte. So kam es, daß er, der die Wichtigkeit des preußischen Zollvereins für die Einigung Deutschlands klar genug erkannte, doch mit den übrigen Mitgliedern der Opposition gegen den Anschluß Württembergs an denselben stimmte aus constitutionellen Gründen. Wenn er bei der Berathung des Strafgesetzes sich von der liberalen Doctrin trennte und im Princip für die Beibehaltung der Todesstrafe sich aussprach, so war er um so mehr mit seinen Parteigenossen einig, als am 18. Jan. 1838 der hannoversche Verfassungsstreit zur Sprache kam; er unterstützte den Antrag auf einen öffentlichen Ausdruck des Bedauern, freilich nicht ohne bittern Hinweis auf seine eignen vergeblichen Anstrengungen zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der württembergischen Stände. Er selbst war der parlamentarischen Thätigkeit gründlich überdrüssig; er hatte sie nie gesucht und keinen Augenblick gewünscht, sie stimmte mit seinem ganzen Wesen wenig überein; an der Repräsentativverfassung der kleinen Staaten hatte er eigentlich wenig Freude und doch mußte er sie vertheidigen gewissermaßen als den letzten Hort der Freiheit. Er war kein Parlamentarier im eigentlichen Sinn; der leichte Fluß des geborenen Redners stand ihm nicht zu Gebot, ebensowenig die scharf zugespitzte epigrammatische Kunst des Debatters. Als klarer Kopf, als streng geschulter Jurist stellte er. wenn er das Wort ergriff, seinen Mann, kurz, bündig und sachlich waren im Wortgefecht seine Anträge und Erwiderungen, seine eigentlichen Reden bedurften aber längerer, sorgfältiger Vorbereitung, zeichneten sich dann aber auch aus durch den Reichthum der Ideen, ihren formvollendeten Adel in Ausdruck und Stil; der Dichter, dem die Sprache ihre besten Schätze zur Verfügung stellte, der unerschrockene edle Mann, der nur um seiner Ueberzeugung willen, nur der Sache wegen sprach, verleugnete sich auch in den Kammerreden nicht.

Müde der unfruchtbaren Kämpfe nahm P. kein neues Mandat in den Landtag mehr an, zunächst widmete er sich der publicistischen Thätigkeit, welche allerdings auch während der parlamentarischen nicht geruht hatte. 1835 erschien seine Schrift: „Ueber die Entwicklung des öffentlichen Rechts in Deutschland durch die Verfassung des Bundes“, eine scharfsinnige Zergliederung der Verfassung des deutschen Bundes, deren Unhaltbarkeit und Mängel mit weitem staatsmännischem Blicke dargelegt werden; auch in dieser Schrift ist Preußens deutsche Bestimmung klar ausgesprochen, die Criminaluntersuchung, in welche P. wegen der Schrift verwickelt wurde, endete mit völliger Freisprechung. Eine mehr locale Frage erörterte die Abhandlung: „Das Recht der Steuerverwilligung“, 1836, eine Zusammenfassung seiner Ansichten gab das zweibändige Werk: „Gedanken über Recht, Staat und Kirche“, Stuttgart 1842. Schöpferisch neue Gedanken sind nicht darin ausgesprochen, die Rechtfertigung des constitutionellen Princips ist weit entfernt von der Vertheidigung eines nur formalen Liberalismus, mit jener Gerechtigkeit, welche alle Schriften Pfizer’s auszeichnet, erkennt er auch das Wahre in der Demokratie an, überall aber merkt man dem Verfasser an, daß es ihm nicht um theoretische Auseinandersetzungen zu thun ist, sondern daß er einen praktischen Zweck dabei verfolgt, der in dem IV. Abschnitte, dem „Vaterlande“ zu Tage tritt. In vorzüglicher Weise wird hier der Charakter der Deutschen geschildert, der Mangel eines gemeinsamen Vaterlandes beklagt, über die Trostlosigkeit der Kleinstaaterei und der politischen Gleichgültigkeit und Unklarheit ein scharfes Gericht gehalten; aber der Schmerz des Patrioten klingt nicht verzweiflungsvoll, überall bricht der Glaube an die einstige Größe und Macht des geeinten Vaterlandes hervor, der Lieblingsgedanke ist auch hier, Preußen als constitutionellen Staat an Deutschlands Spitze zu sehen. Die Abhandlung, 1845 [675] auch separat erschienen, wirkt jetzt noch in ihren allgemeinen Theilen begeisternd durch ihre Wärme, die edle Sprache und den siegreichen Ton überzeugender Wahrheit. In dem Maße, wie das Werk verdiente, wurde es nicht beachtet (es dürfte nicht unerwähnt bleiben, daß am 3. April 1849 beim Empfang der Kaiserdeputation in Berlin die damalige Prinzessin von Preußen, die jetzige Kaiserin Augusta, die es mit lebhaftem Interesse gelesen hatte, den Verfasser grüßen ließ). P. befand sich auf immer einsameren Pfaden, nur zu sehr erfüllte sich an ihm sein eigenes Wort: der bessere Mensch fühlt sich gezwungen, alles Leben und Streben schwer und ernsthaft zu nehmen. Seine schriftstellerische Thätigkeit hatte ihn zwar in die vorderste Linie der Publicisten gestellt, aber sie befriedigte ihn nicht, ersetzte nicht den Mangel einer regelmäßigen Thätigkeit, gewährte ihm auch nur geringen materiellen Vortheil. So griff er, wohl widerwillig, zur Advocatur, gab sie aber bald wieder auf (1843/4); 1846 bot ihm Minister Schlayer, der so viel von ihm bekämpfte, die durch Rob. Mohl’s Abgang erledigte Professur des Staatsrechts in Tübingen an, P. fühlte sich körperlich schon zu leidend, wollte auch in kein Abhängigkeitsverhältniß treten und lehnte die Stelle ab. Dagegen nahm er 1846 die eines rechtskundigen Gehilfen des Stadtschultheißen in Stuttgart an, aber die Stelle blieb eine untergeordnete und das Entscheiden über Bagatellsachen war seiner Begabung, sowie der ganzen Stellung, welche er bisher eingenommen hatte, unwürdig. Die Sitzungen des Stuttgarter Gemeinderaths, zu dessen Mitglied er gewählt wurde, besuchte er regelmäßig, ebenso wie er bis zum Jahre 1848 die Vorstandschaft des neugegründeten Handelsschiedsgerichts gerne bekleidete. Das Ehrenbürgerrecht der Stadt Stuttgart war der Lohn seines gemeinnützigen Wirkens.

Mit dem Sturm des Jahres 1848 schien die Zeit gekommen zu sein, welche nicht nur seine Wünsche und Hoffnungen eines einigen Vaterlandes erfüllte, sondern ebenso ihm die gebührende Stellung brachte; sein Name vom besten Klange war eine Bürgschaft dafür, daß es der württembergischen Regierung mit der Bildung eines liberalen Ministeriums Ernst sei, ebenso galt seine nie bezweifelte Loyalität für eine Stütze des Thrones. Sein Freund Duvernoy verlangte seinen Eintritt in das neuzubildende (März-)Ministerium, am 8. März wurde er von Tübingen, wo er sich zufällig aufhielt, durch einen Eilboten nach Stuttgart beschieden, übereinstimmend mit Duvernoy verlangte er Fr. Römers Eintritt, welcher dem Ministerium seinen Namen gab (9. März). Das Programm, mit welchem das neue Ministerium vor das Volk trat (11. März), war von P. verfaßt; er hatte das Cultusministerium übernommen, aber diese Aufgabe ging weit über seine körperlichen Kräfte, er vermochte die Last der einstürmenden Geschäfte nicht zu überwältigen, da die neue Zeit neue Organisationen (z. B. Ablösung der Zehnten u. s. w.) verlangte. Bedenkliche schlagartige Anfälle trafen ihn, welche ihm das Arbeiten beinahe unmöglich machten und den persönlichen Vortrag beim Könige verboten. Auch im Vorparlament, wie der Frankfurter Nationalversammlung selbst, wohin er als Abgeordneter von Stuttgart gesandt wurde, spielte er keine Rolle, er trat nicht als Redner auf und dem verfassunggebenden Ausschuß gehörte er nur kurze Zeit an. Mit gesenktem Kopfe, ziemlich theilnahmlos, sah man ihn in den Sitzungen der Paulskirche, bis ein neuer Krankheitsfall nöthigte, ihn nach Stuttgart zu verbringen. Am 13. August bat er um seine Entlassung aus dem Ministerium, welche ihm von König Wilhelm unter freundlichen Dankesbezeigungen gewährt wurde; der Rücktritt in den Staatsdienst wurde ihm offen behalten, die angebotene Pension lehnte er ab. Herbst 1851 meldete er sich um die Stelle eines Oberjustizrathes beim Gerichtshof in Tübingen, er erhielt sie, aber schon am 1. Aug. 1858 mußte er sie [676] wegen zunehmender Kränklichkeit wieder aufgeben; mit geringer Pension bedacht, verbrachte er einsam, von zunehmenden körperlichen Leiden gedrückt, den Abend seines Lebens in Tübingen; die hohe schlanke Gestalt war etwas vorgebogen, der Kopf mit der massigen Stirne schien unter fortwährendem Drucke zu leiden, das Auge hatte einen starren Ausdruck angenommen, den sprechenden Zeugen eines schweren Nervenleidens, welches allmählich seine Gesundheit untergrub. Aber auch in diesen letzten Jahren nahm er lebhaften Antheil an der Entwicklung der deutschen Verhältnisse, wie früher suchte er durch schriftstellerische Thätigkeit zu wirken, es gab Zeiten, in welchen sein Geist so frisch, scharf und klar wie früher sich in seinen Schriften zeigte. 1848 verlangte er in der Broschüre: „Beiträge zur Feststellung der deutschen Reichsgewalt“, daß die Oberleitung der deutschen Angelegenheiten vorerst (bis 1851) der preußischen Regierung übertragen werde, die steigende Macht der Demokratie in Süddeutschland, der Hader in der Nationalversammlung, deren Machtlosigkeit offen zu Tage lag, das Verhalten der Oesterreicher in Frankfurt und die Unterdrückung der Revolution in Oesterreich konnten das Vertrauen, welches er auf Preußen, als den Einigungspunkt setzte, nur stärken. An der Versammlung in Gotha am 26. Juni 1849 konnte er wegen Kränklichkeit nicht theilnehmen, das dort formulirte Programm war im Grunde kein anderes, als das von ihm seit Jahren verkündete; in einem offenen Briefe an Heinrich v. Gagern empfahl er auch die Annahme der preußischen Verfassungsvorschläge und in dem Aufsatz: „Preußen und Oesterreich in ihrem Verhältniß zu Deutschland“ (in der Germania 1851) focht er abermals lebhaft für Preußens Hegemonie. Die Nachgibigkeit dieser Großmacht in der schleswig-holsteinschen Frage, die Demüthigung von Olmütz, der Absolutismus von Manteuffel, schien seine Behauptungen und Forderungen völlig Lügen zu strafen, in der Schrift: „Deutschlands Aussichten im Februar 1851“ machte er seinem tiefen Unwillen Luft, der Glaube an Preußens Mission schien auch ihm für den Augenblick geschwunden zu sein. Die Schrift war so scharf, daß sie in Preußen verboten wurde. Ein volles Jahrzehnt ruhte Pfizer’s Feder; die Ereignisse von 1859, der Anfang der Einigung Italiens, die Veränderungen in Preußen veranlaßten ihn 1862 noch einmal, das Wort zu nehmen in der frischen, die alte Kraft verrathenden Broschüre: „Zur deutschen Verfassungsfrage“. Stuttgart 1862. Wiederum sei Deutschland vor die Alternative gestellt: Preußen oder Oesterreich; alle wesentlichen Gründe sprechen für Preußen und selbst wenn Preußen viel gesündigt und versäumt habe, so bleibe doch kein Ziel, auf welches die Weltgeschichte einmal hinarbeitete, unerreicht und es wäre wider die Natur der menschlichen Dinge, wenn die ganze gewaltige Bewegung nach der deutschen Einheit für immer in den Sand verliefe. –

Diese frohe Hoffnung, welche P. auch in den trübsten Zeiten festhielt, täuschte nicht; es war ihm vergönnt, 1866 den Triumph der Sache Preußens zu erleben, voll empfand er die Bedeutung jener Zeit, wenn er auch zu schwach war, in irgend einer Weise diesem Gefühle öffentlich Ausdruck zu geben. Ein einsamer Clausner, wie er sich selbst genannt, von steigenden Leiden gequält, brachte er seine Tage in seiner sehr bescheidenen Wohnung in Tübingen zu; mit Uhland stand er im nächsten Verkehr, die treue Freundschaft der Beiden hatte durch die Verschiedenheit ihrer politischen Ansichten in Beziehung auf die preußische Vorherrschaft keinen Stoß erlitten. Kleine Reisen (nach Karlsbad, Wiesbaden und zu den in Stuttgart lebenden Geschwistern) boten hie und da Abwechslung in dem Einerlei dieses einsamen Lebens (P. war nie vermählt), aber immer tiefer senkte sich die geistige Umnachtung auf den reichen Geist. Am 30. Juli 1867 Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr starb er nach kurzer Krankheit; [677] am 1. August wurde er beerdigt, die deutschen Farben und der wohlverdiente Lorbeer schmückten mit Recht seine letzte Ruhestätte.

P. ist der bedeutendste politische Denker Süddeutschlands in diesem Jahrhundert; seinen originalen großartigen weitausblickenden Gedanken brachte es keinen Abbruch, daß er kein praktischer Staatsmann war, seine Thätigkeit war der Hauptsache nach nur eine publicistische, aber sie war eine reiche und wichtige; er streute mit vollen Händen jene Ideen aus, welche immer mehr Gemeingut eines großen Theils der Nation wurden und die jetzt gekommene Erfüllung vorbereiteten und möglich machten: mit Recht ziert sein Bild das (provisorische) Reichstagsgebäude des neuen deutschen Reiches, denn von den Männern der Feder hat er am meisten zum Zustandekommen desselben beigetragen. Eine reizbare verhängnißvolle Tiefe des Gemüthes ließ den Reichthum des ganzen Wesens nie zur vollen Entfaltung kommen und führte, verbunden mit den äußeren Verhältnissen jenes Unbefriedigtsein herbei, welches diesem Leben den harmonischen Eindruck raubt; aber entschiedener Unabhängigkeitssinn, hervorgegangen aus schwäbischem Freiheits- und altwürttembergischem Rechtsgefühl, verband sich bei ihm mit reicher Vaterlandsliebe, die strengste Rechtlichkeit und Uneigennützigkeit zierte den Charakter ebenso wie die reichsten Gaben den Geist.

Eine seiner würdige Biographie hat P. noch nicht gefunden; das Vorstehende ist besonders entnommen dem genauen Nekrolog, den Fr. Notter von ihm gab, Schwäbischer Merkur 1867. Chronik Nr. 213 u. 214 und dem vortrefflichen Bilde Pfizer’s von W. Lang in: Von und aus Schwaben. H. 1. 1885.