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ADB:Meckel von Hemsbach, Johann Friedrich (Anatom)

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Artikel „Meckel, Johann Friedrich der Aeltere“ von Nikolaus Rüdinger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 159–162, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meckel_von_Hemsbach,_Johann_Friedrich_(Anatom)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 15:29 Uhr UTC)
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Meckel: Johann Friedrich M., der Aeltere, wurde geboren in Wetzlar am 31. Juli 1714 und starb in Berlin am 18. September 1774 als Professor der Anatomie, Botanik und Geburtshilfe. Derselbe machte als Schüler A. Haller’s seine Studien in Göttingen, vertrat die Professur der Anatomie in Berlin und bereicherte die anatomische Wissenschaft, welche durch Haller einen sehr großen Aufschwung in Deutschland genommen hatte, durch einige bedeutungsvolle Entdeckungen auf dem Gebiete des peripheren Nervensystems. M. ist der Entdecker des Ganglion sphenopalatinum, welches nach ihm heute noch als Ganglion Meckelii bezeichnet wird. Auch das Ganglion submaxillare hat M. zum ersten Mal in Mémoires de l’acad. des sc. à Berlin 1749 p. 84 und gleichzeitig in seiner schönen Abhandlung „De quinto pare nervorum“, erschienen im J. 1748, beschrieben, und 23 Jahre später, 1771 reihte er noch eine werthvolle Abhandlung „Nova experimenta de finibus venarum et vasor. lymphat.“ seinen anatomischen Abhandlungen an. M. vertrat als Lehrer und als Forscher die descriptiv-anatomische Richtung in dem Geiste A. Haller’s und seine Arbeiten zeichnen sich aus durch wahrheitsliebende Einfachheit.

Philipp Friedrich Theodor M., Sohn des Johann Friedrich M. des Aelteren, geb. zu Berlin am 30. April 1756, † zu Halle 1803 als Professor der Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe und Director des anatomischen Institutes und der chirurgischen Klinik, war zuerst Prosector am anatomischen Institut in Straßburg, 1777 Professor in Halle, wo er Anatomie, Physiologie, Chirurgie und Geburtshilfe las. Unter seinen vielen anatomischen Abhandlungen kleineren und größeren Inhaltes machte jene über die Wasserleitungen des häutigen Labyrinthes „De Labyrinthi auris contentis“, 1777, das größte Aufsehen und wenn auch, wie E. H. Weber später meinte, Meckel’s experimentelle Versuche mittelst der Quecksilberinjectionen nicht ausreichend erscheinen, die Existenz der Wasserleitungen im inneren Ohre zu beweisen, so wurde doch in der jüngsten Zeit durch entwickelungsgeschichtliche und anatomisch-histologische Forschungen gezeigt, daß die Auffassung Meckel’s bezüglich des Aquaeductus vestibuli[WS 1] und cochleae in mehreren Punkten richtig war. Auch die Untersuchungen über das Verhalten der Flüssigkeiten in der inneren Abtheilung des Gehörorganes an gefrorenen durchschnittenen Objecten müssen bezüglich der Methode der Darstellung und der gewonnenen Resultate als sehr originelle und werthvolle bezeichnet werden; denn die Angaben Ribes[WS 2], Breschet[WS 3] und E. H. Weber, daß die Wasserleitungen nur Gefäßkanale seien, haben sich als irrthümliche erwiesen. Aufsehen erregte es, daß M. zweimal an den Kaiserhof nach Petersburg zu Entbindungen gerufen wurde und [160] testamentarisch bestimmte, daß sein Körper skeletirt und in seiner Sammlung aufgestellt werde. An seiner Wirbelsäule soll ein Wirbel mehr constatirt worden sein.

Johann Friedrich M. der Jüngere, den man auch oft als den deutschen Cuvier[WS 4] bezeichnet hat, ist der Sohn von Philipp Friedrich Theodor M., geb. zu Halle am 17. October 1781, † am 31. October 1833 als Professor der Anatomie und Physiologie und Director des anatomischen Instituts an genannter Universität. Von der Familie M., in der noch zwei nachfolgend zu erwähnende Anatomen zu verzeichnen sind, war J. F. M. der bedeutendste Geist, ein Mann, der durch seine erfolgreiche litterarische Thätigkeit, seine vortreffliche Schule und reichhaltigen anatomischen Sammlungen in Halle eine hervorragende Stellung unter seinen Fachgenossen nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa einnahm. Nachdem M. in den Jahren 1805–1806 die vortrefflichen Sammlungen in Paris, welche von Buffon[WS 5] und Daubenton[WS 6] gegründet und die von Cuvier vervollständigt und bis zu einem gewissen Grade vollendet worden waren, fleißig benutzt und in Italien, Holland und England sein Wissen erweitert hatte, kehrte er nach Halle zurück und stellte dort im Anschlusse an die Vorarbeiten seines Großvaters und Vaters eine der ersten und reichsten vergleichend-anatomischen Sammlungen her und erscheint dann als Hauptbegründer der Zootomie und Teratologie in Deutschland. Sein System der vergleichenden Anatomie, welches er von 1831–1833 herausgab, das aber unvollendet blieb, ist von Anfang an als eine classische Arbeit und als eine seiner besten Leistungen angesehen worden. Im 25. Lebensjahre wurde M. in Halle Professor der Anatomie, sah bald einen großen Kreis von Schülern um sich versammelt und wirkte ganz besonders mit Hilfe des neu umgestalteten Archivs von Reil und Autenrieth, welches anfänglich unter dem Titel „Deutsches Archiv für Physiologie“ und später als „Archiv für Anatomie und Physiologie“ erschien, weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Die unter Meckel’s Redaction herausgegebenen 14 Bände enthalten fast alle werthvolle Abhandlungen von ihm selbst, und da die Mehrzahl der Anatomen und Zootomen deutscher Zunge dort ihre Arbeiten publicirten, wurde Halle ebenso zur Centralstätte der vergleichenden Anatomen Deutschlands, wie es Paris am Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts unter dem für alle Zeiten mustergiltigen Forscher Cuvier, jenem geistvollen Zögling der Karlsakademie in Stuttgart, gewesen ist. Im J. 1826 erschien die classische Abhandlung über das Schnabelthier: „Ornithorynchi paradoxi descriptio“; voraus ging 1815–1820 „Handbuch der menschlichen Anatomie“, 4 Bde. Zu der damaligen Zeit waren für den Anatomen nicht jene die Wissenschaft besonders fördernden engen Grenzen für sein Forschungsgebiet gezogen, wie in der Gegenwart; denn M. beschäftigte sich nicht nur mit Anatomie, Physiologie und Zootomie, sondern gab auch von 1812–1818 das „Handbuch der pathologischen Anatomie“ in 2 Bänden heraus, ein Buch, in welchem sehr werthvolle selbständige Forschungsresultate insbesondere über die Mißbildungen niedergelegt sind. Dies Werk ist heute noch von den pathologischen Anatomen mit Recht hochgeschätzt. Am einflußreichsten wurde jedoch M. als Zootom. In dem Buche „System der vergleichenden Anatomie“, welches eine Fülle von Thatsachen und selbständigen Forschungsresultaten einschließt, hat M. eine Anzahl neuer Anschauungen niedergelegt, welche erst in der weiteren Folge von großer Bedeutung geworden sind. Schon O. Schmidt hat mit prägnanter Kürze in seiner Abhandlung „Ueber die Entwickelung der vergleichenden Anatomie“ auf das Wesentliche dieser Meckel’schen Anschauungen hingewiesen. O. Schmidt sagt: „Nach Meckel beruht die vergleichende Anatomie auf zwei Gesetzen, dem der Mannigfaltigkeit und dem der Reduction (Aehnlichkeit, Analogie, Identität). Sein Gesetz der [161] Mannigfaltigkeit ist eigentlich nur der Nachweis und die Darstellung der an dem einzelnen Thiere und den verschiedenen Thierarten und Gruppen hervortretenden Verschiedenheiten, als der zunächst dem Beobachter in die Augen fallenden Momente; auch die Ursachen, die inneren und äußeren Einflüsse, welche die Mannigfaltigkeit zu bedingen scheinen, zählt M. auf, ohne jedoch die wirkliche innere Nothwendigkeit, das eigentliche Gesetz der Mannigfaltigkeit darlegen zu können, was wir auch jetzt noch nicht vermögen. Im Gesetz der Reduction zeigt sich dann einmal, wie weit die verschieden aussehenden und verschieden gelegenen Theile eines und desselben Individuums mit einander verglichen und als identisch betrachtet werden können und dann, wie weit die verschiedenen Organismen sowohl im regelmäßigen als im regelwidrigen Zustande mit einander sich vergleichen lassen.“ M. hat in dem genannten Werk eine Anzahl Sätze zu begründen versucht, in welchen auch nach der Auffassung von O. Schmidt und V. Carus[WS 7] (Geschichte der Zoologie) die ganze moderne Richtung der vergleichenden Anatomie eingeschlossen ist. 1) „Die Entwickelung des einzelnen Organismus, sagte M., geschieht nach denselben Gesetzen als die der ganzen Thierreihe, d. h. das höhere Thier durchläuft in seiner Entwickelung dem Wesentlichen nach die unter ihm stehenden, bleibenden Stufen, wodurch also die periodischen und Klassenverschiedenheiten aufeinander zurückgeführt werden; 2) die sexuellen Verschiedenheiten können wenigstens ihrer Entstehung nach gleichfalls auf periodische zurückgeführt werden; 3) den sexuellen periodischen und Klassenverschiedenheiten lassen sich auch die in dem individuellen Organismus zwischen den verschiedenen Theilen desselben bestehenden vergleichen.“ So sehr auch M. sich auf dem Boden der Detailforschung bewegt hat, so blieb sein System der vergleichenden Anatomie nicht ganz frei von dem Geiste der deutschen naturphilosophischen Schule damaliger Zeit. Wie man schon im J. 1816 über M. und seine wissenschaftlichen Leistungen dachte, geht aus einem Urtheil Sömmering’s über denselben hervor, das mir im Original vorliegt und da dasselbe nicht publicirt worden ist, so soll dasselbe hier in Kürze Verwerthung finden. Bei der Aufnahme Meckel’s in die baierische Akademie der Wissenschaften sagt Sömmering in einem Schriftstück, datirt den 23. Februar 1816: „Meckel’s Abhandlungen aus der vergleichenden und menschlichen Anatomie und Physiologie enthalten eine wirklich erstaunliche Menge eigener Untersuchungen gerade über die bis jetzt noch räthselhaften Organe, nämlich die Schilddrüse, Nebennieren und Thymus. Allein alle Erwartungen wurden übertroffen in seinem neu herausgegebenen Werke „Beiträge zur vergleichenden Anatomie“, in zwei Bänden, Leipzig 1808–1812. Dieselben enthalten einen Schatz ebenso neuer als subtiler Entdeckungen und daraus abgeleiteter sinnreicher Resultate, welche durch hohe Wahrscheinlichkeit sich auszeichnen, nebst den mit eigener Hand gefertigten Abbildungen, größtentheils Früchten seines Aufenthaltes in Frankreich und Italien.“ „Und daß ich es kurz zusammenfasse“, sagt Sömmering, „von wenigen Männern seines Faches läßt sich außer einer hohen Originalität die strenge Wahrheitsliebe, das gesunde Urtheil, der klare, deutliche und correcte Vortrag und die gehörige Würdigung seiner Vorgänger in dem Maße rühmen, als man durchaus in seinen, jedem gründlichen Physiologen unentbehrlichen Werken antrifft.“ Wie richtig dies Urtheil von Sömmering war, wurde erst durch die weitere Entwickelung der vergleichenden Anatomie in dem letzten halben Jahrhundert erwiesen. M. hat es verstanden in einer für seine Forschungen sehr günstigen Zeitperiode die reichen vergleichend-anatomischen Schätze zu heben und die nachfolgenden Generationen konnten dieselben verwerthen, mit ihren vervollkommneten Hilfsmitteln vermehren und ihre Einsicht in die Organisation der Thierwelt vertiefen. Die von M. hinterlassenen reichen Sammlungen, welche von den Nachfolgern, [162] insbesondere durch den gegenwärtigen vortrefflichen Conservator derselben, Professor Dr. H. Welcker, bedeutend vermehrt wurden, können mit als die besten Deutschlands bezeichnet werden.

August Albrecht M., Bruder des Johann Friedrich des Jüngeren, geb. 1790, Arzt im Lützow’schen Corps, war eine Zeit lang Prosector seines Bruders und dann Professor der Anatomie und gerichtlichen Medicin zu Bern, starb dort am 19. März 1829.

Heinrich M. von Hemsbach, Sohn des August Albrecht, das letzte Glied der Gelehrtenfamilie, geb. 1821, † 1855 als Professor e. o. der pathologischen Anatomie zu Berlin. Die Wittwe von diesem M. ließ den Adel renoviren. Heinrich M. schrieb: „De adipis genesi“, 1845; dann „Zur Morphologie der Harn- und Geschlechtsorgane der Wirbelthiere“, 1848, und „Mikrogeologie“, 1858.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: vertibuli
  2. François Ribes (1770–1845), Arzt in Paris. (Auch in der Fachliteratur wird er gelegentlich verwechselt mit seinem Sohn François Ribes (1798/1800–1864), Professor in Montpellier.)
  3. Gilbert Breschet (1784–1845), Professor der Anatomie in Paris.
  4. Georges Cuvier (1769–1832), Professor in Paris.
  5. Georges Louis Marie Leclerc, Comte de Buffon (1707–1788), Naturhistoriker in Paris.
  6. Louis-Jean-Marie Daubenton (1716–1800), Naturhistoriker in Paris.
  7. Viktor Carus (1823–1903), Professor für vergleichende Anatomie in Leipzig, Sohn von Ernst August C. (1797–1854), siehe unter Friedrich August Carus.