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ADB:Meier, Johann Christian

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Artikel „Meier, Johann Christian“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 202–204, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meier,_Johann_Christian&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 01:27 Uhr UTC)
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Meier: Johann Christian M., Schulmann und pädagogischer Schriftsteller, wurde am 25. Decbr. 1732 auf der obersten Papiermühle zu Hasserode bei Wernigerode geboren. Seine Mutter war eine fromme und durch Lebenserfahrung, doch nicht durch Schulkenntnisse gewitzte Frau, sein Vater durch Verwahrlosung und Verführung trunkfällig geworden. Das untergrub das Glück der Familie. M. wuchs fast ohne Erziehung wie ein Wilder auf. Im J. 1740 mußte er seinen Eltern mit dem geringen Reste der Habe nach Wernigerode folgen. Hier erhielt er vom 8. bis zum 12. Jahre guten Elementarunterricht, versäumte aber so viel wie möglich die Schule, wuchs mit den Gassenbuben auf und mußte ein paar Mal in der Woche in den Harz gehen, um mit der Kiepe, später mit dem Karren Holz zu holen. Als er vom 13. bis 15. Jahre den Katechismusunterricht genoß, wurde er fleißiger und ernster, und der Segen eines frommen Elternhauses machte sich spürbar. Durch sein fleißiges Lernen wurde der Superintendent Ziegler auf ihn aufmerksam und wurde die Veranlassung, daß M., der schon als Papiermacherlehrling festgemacht war, für das akademische Studium vorbereitet wurde. Ostern 1754 begab er sich von der Wernigerödischen Lateinschule nach Halle, wo er mit geringer Unterstützung mit einer durch Currendesingen ersparten Summe von 100 Thalern bis Michaelis 1757 Theologie studirte, auch an den Francke’schen Stiftungen unterrichtete, endlich durch Selbststudium und Verkehr mit dem späteren Orientalisten Tychsen sich in den neueren Sprachen förderte. Nach Abschluß seiner Studien wurde er erst Seminarist, dann mit einiger Nöthigung durch seinen Gönner Ziegler Subconrector an der Lateinschule zu Wernigerode. In dieser zehn Jahre lang verwalteten äußerlich kümmerlichen Stellung gerieth er besonders durch eifriges Lesen separatistischer und neologischer [203] Schriften in religiöse Zweifel, so daß ihm die Predigten an der Neustädter Kirche, die er zur Verbesserung seiner Einkünfte neben seinem Schulamte übernommen hatte, abgenommen werden mußten. Durch das Studium der Schriften Basedow’s wurde er für dessen pädagogische Reformen begeistert, trat mit ihm in Verbindung und begab sich im Frühjahre 1768 zu ihm. Kaum hatte aber M. die persönliche Bekanntschaft des pädagogischen Stürmers und seines Systems gemacht, als er den größten Widerwillen dagegen fühlte und nur widerstrebend neun Monate bei ihm aushielt. M. begab sich nun nach dem benachbarten Hamburg, wo er als Privatlehrer sechs Jahre lang eine sehr anstrengende Thätigkeit übte, sonst aber eine glückliche Zeit verlebte, auch im Jahre 1770 mit der Tochter eines Juweliers Raupach in die Ehe trat. Das Verlangen nach einer festen Anstellung und einer weniger aufreibenden Thätigkeit veranlaßte ihn hierauf, die Stelle eines Rectors der Schule zu Otterndorf im Lande Hadeln anzunehmen. Er brachte diese Anstalt sehr in Aufnahme und hinterließ sie so seinem Nachfolger, dem Dichter Joh. Heinr. Voß, als er im Herbste des J. 1778 zum Rector der Domschule in Verden befördert wurde. Auch zur Hebung dieser Anstalt, welche sich mit ihren Lehrern in einer entschieden ungeeigneten Abhängigkeit vom Stadtregiment und dem Scholarchen befand, die zum Beispiel über Schulstrafen zu befinden hatten, gab sich M. die größte Mühe. Sein an Ideen übersprudelnder Geist versuchte hierbei die verschiedensten Mittel. Da er aber in der Wahl derselben nicht immer glücklich war und bei seinem Auftreten zuweilen durch sein schroffes selbstbewußtes Wesen verletzte und die zu Recht bestehenden Verhältnisse zu wenig berücksichtigte, so verfehlte er doch bei redlichem unermüdlichen Arbeiten und manchem löblichen Bestreben sein Ziel und die Schule nahm bedeutend ab, statt zu gedeihen. Daher entstand in ihm der Gedanke, sich um ein Pfarramt zu bemühen, was ihm bei seiner inneren Abneigung dem herrschenden Bekenntniß gegenüber bisher sehr fern gelegen hatte. Schon im J. 1787 machte er das erforderliche theologische Examen. Doch scheuten sich die kirchlichen Oberen vor einer Anstellung Meier’s seines antikirchlichen Bekenntnisses wegen. Endlich gelangte er im Jahre 1794 besonders auf Befördern des Präsidenten Graf von Wenckstern zu einer Anstellung als Pfarrer des einsam gelegenen Dorfes Schneverdingen im Lüneburgischen. In dieser von einem Schulamt so ganz verschiedenen Thätigkeit und in der ländlichen Einsamkeit ging eine große Umwandlung in Meier’s Wesen und religiösen Anschauungen vor sich. Bei einem bis in seine spätesten Lebensjahre fortgesetzten Briefwechsel mit Jung Stilling, an den er sich gewandt hatte, wurde er zum innern Frieden gebracht und trat in persönlichen und schriftlichen Verkehr mit der Brüdergemeinde, besonders mit einzelnen Gliedern derselben in Braunschweig und Bremen. Bis in ein hohes Lebensalter – von öfter wiederkehrenden Beängstigungen abgesehen – körperlich kräftig und gesund, bewahrte er sich seinen feurigen patriotischen Geist. Besonders war er ein heftiger Gegner nicht nur der französischen Revolution, sondern auch der den deutschen Geist und das deutsche Vaterland überfluthenden Franzosen, daher er noch am 25. Decbr. 1805 als 73jähriger Greis durch 36 Jäger nach Hannover escortirt wurde. Trotz seines langjährigen Weilens in der Ferne hing er doch mit inniger Liebe an seiner engeren Wernigerödischen Heimath, die er in den Jahren 1783, 1797 und 1810 wieder aufsuchte. Bei dem zweiten Besuche ehrte ihn Graf Christian Friedrich, um den einstigen Holzgänger wegen erfahrener Kränkung zu entschädigen, in ostensibler Weise dadurch, daß er ihn persönlich in einem sechsspännigen Staatswagen durch die Stadt und Vorstadt aufs Schloß holte und wieder zurück geleitete. Erst am 27. Febr. 1815 starb M. hochbetagt auf seinem Pfarrdorfe. M. hat seit seiner Anstellung [204] in Otterndorf eine Reihe von Programmen theils in lateinischer, theils in deutscher Sprache geschrieben, von denen aber verschiedene einen weit bedeutenderen Umfang haben, als gewöhnliche Schulschriften. Sie enthalten zahlreiche Zeugnisse von seinen reformatorischen Ideen auf dem Gebiete der männlichen und weiblichen Erziehung (das vollständigste Verzeichniß in dem Verdener Schulprogramm von 1863, S. 9 ff.). Daneben hat er noch zwei größere selbständige Schriften verfaßt: 1) Joh. Bernh. Basedow’s Leben, Charakter und Schriften unparteiisch beurtheilt, 2 Bde. 8°. Hamburg 1791. 92; 2) seine Selbstbiographie in 16 Briefen, der Bestimmung des Verfassers gemäß erst nach dessen Tod herausgegeben in den Jahrgängen 1857–1859 der von Mallet in Bremen herausgegebenen Monatsschrift Bremer Post und mit einigen Kürzungen im 84. Jahrg. (1880) des Werniger. Intelligenzblatts. Die Schrift über Basedow wird man bei einer Beurtheilung dieses Mannes nicht unbenutzt lassen können. Weit merkwürdiger ist aber die Selbstbiographie, die uns nicht nur den außerordentlichen Entwickelungsgang und das ungemein originelle Wesen des begabten Mannes kennen lehrt, sondern auch viele Persönlichkeiten und Erscheinungen seiner Zeit zuweilen mit Schärfe, jedenfalls mit rücksichtsloser Offenheit kritisirt. Sich selbst schont M. dabei ebensowenig. Die benutzten Quellen, welche auch in vielen Punkten zur Kritik der Selbstbiographie dienen, sind (von den älteren kürzeren Mittheilungen abgesehen): 1) sein um 1757 aufgesetztes Curriculum vitae und 2) die Acten über seine besonderen religiösen Ansichten als Subconrector in Wernigerode, 1766 f. im gräfl. H.-Archiv zu Wernigerode; 3) die Vorrede zu seinem „Leben Basedow’s“; 4) die im Jahre 1806 von ihm (behufs der Begräbnißfeier) aufgesetzten Lebensnachrichten in der Pfarr-Registratur zu Schneverdingen; 5) D. Sonne, Gesch. der Königl. Domschule zu Verden 1764–1794 und Biograph. Skizzen der Lehrer des K. Domgymn. zu Verden von 1764–1832. Verdener Schulprogr. von 1859 und 1863.