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ADB:Mejer, Otto

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Artikel „Mejer, Otto“ von Philipp Zorn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 297–301, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mejer,_Otto&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 00:14 Uhr UTC)
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Mejer: Otto M., geboren am 27. Mai 1818 zu Zellerfeld am Harz, hat 43 Jahre, von 1842 bis 1885, als Rechtslehrer an deutschen Universitäten, dann noch 8 Jahre, bis zu seinem am 24. December 1893 erfolgten Tode als Präsident des hannöverschen Landesconsistoriums gewirkt. Seine Arbeit als Rechtslehrer gehörte dem Kirchenrecht, Staatsrecht und deutschen Recht. Als Schriftsteller hat er auf dem Gebiete des deutschen Rechtes verschiedene kleinere Arbeiten in Zeitschriften veröffentlicht; seine staatsrechtliche Arbeit ist zusammengefaßt in der in zwei Auflagen erschienenen „Einleitung in das deutsche Staatsrecht“ (1861–1884), die neben Gerber’s „Grundzügen“ als das werthvollste Erzeugniß der neueren Staatsrechtswissenschaft aus der Zeit vor 1866 bezeichnet werden darf. Neben der scharfen Begriffsbestimmung der Grundbegriffe des Staatsrechtes war es besonders das Staatsrecht des alten Reiches, dem M. mit Liebe sich zuwandte und dessen Darstellung er in knappem Umriß mit großer Sorgfalt gab. Dem in der zweiten Auflage die Grundlagen des Staatsrechtes des neuen Reiches beifügen und gegenüber stellen zu können, hat M. als eine besondere Gunst der Verhältnisse betrachtet. – Die Hauptarbeit seines Lebens aber war dem Kirchenrecht gewidmet. Diesem Zweige der Rechtswissenschaft gehörte sein ganzer Mensch an; wie seine ganze Persönlichkeit, so trug auch seine wissenschaftliche Arbeit einen ausgeprägt evangelischen und zwar evangelisch-lutherischen Charakter. In allen seinen zahlreichen kirchenrechtlichen Arbeiten tritt dies unverkennbar und in scharfer Eigenart hervor.

Daraus ergab sich für M. eine persönliche Stellung zur katholischen Kirche, die ihn zwar nicht hinderte, dem katholischen Kirchenrecht das liebevollste Studium zuzuwenden, die ihm aber andererseits das innere und äußere Auge schärfte für den principiellen Gegensatz, in dem sowol der moderne Staat als die evangelische Kirche zu demjenigen Katholicismus stehen, der die mittelalterlichen Principien auch für die heutige Zeit festhält. Nicht antireligiöse Richtungen waren für M. hierbei maßgebend; strenge evangelische Religiosität war es vielmehr, aus der dieser Gegensatz erwuchs, ähnlich wie seiner Zeit bei Niebuhr, in dessen Persönlichkeit sich M. auch besonders liebevoll vertieft hat. Diesem inneren Entwicklungsprocesse entsprangen zwei große kirchenrechtliche Werke Mejer’s: „Die Propaganda, ihr Recht und ihre Grenzen“ (2 Bde. 1852/53) und „Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage“ (3 Bde. 1871/85), jener die feinen und geheimen Fäden aufsuchend und verfolgend, mit denen die katholische Kirche die Kirchen der Reformation zu umfassen und wieder zur kirchlichen Einheit zurückzuführen und für diese Arbeit rechtliche Formen zu gestalten bemüht ist; dieses aus dem zerstreuten Material der Archive das genaue Bild derjenigen Verhandlungen zwischen deutschen Staaten und der römischen Curie gestaltend, auf denen heute das Rechtsverhältniß zwischen Staat und katholischer Kirche in Deutschland beruht. Zu dem letztgenannten Werke sind späterhin mancherlei ergänzende Schriften hinzugekommen, für Baiern insonderheit das Werk von v. Sicherer, „Der Staat und die kathol. Kirche in Baiern bis zur Tegernseer Erklärung“; das erstgenannte Werk würde heute auf der Grundlage der inzwischen veröffentlichten Nuntiaturberichte eine ganz neue Gestaltung erfahren müssen. Dennoch aber behaupten beide Werke heute noch hohen wissenschaftlichen Wert, besonders die „Römisch-Deutsche Frage“.

In das politische Gebiet, in das activ handelnd M. sonst nicht eintrat, spann er diese Gedanken weiter in zwei kleinen Schriften, in denen er als scharfer Gegner katholisch-kirchlicher Parteibildung auf politischem Gebiete hervortrat, der einen aus dem Jahre 1848: „Die deutsche Kirchenfreiheit und [298] die künftige katholische Partei“, der anderen von 1882 „Zur Naturgeschichte des Centrums“, in der er feststellen konnte, daß sein scharfer Blick schon 1848 die Zukunft hinsichtlich des politischen Katholicismus richtig erkannt und vorausgesagt hatte.

Daß M. nach dieser ganzen Gedankenrichtung den Bewegungen innerhalb des Katholicismus, die auf eine religiöse Vertiefung des kirchenrechtlichen und kirchenpolitischen Systems der katholischen Kirche gerichtet waren, mit einer besonderen Sympathie gegenübertrat, erscheint selbstverständlich. So vertiefte er sich gerne und eindringend in den französischen Episcopalismus des gallikanischen Systems und stand der modernen Bewegung des Altkatholicismus freundlich und wo er konnte fördernd bei. Die schöne wissenschaftliche Frucht dieser Richtung seiner Seele und seines Geistes ist das Buch über „Febronius“ (1880). In großen Zügen und im Rahmen der großen Geschichte zeichnet hier M. das Bild der katholischen Reformbewegung, die, dem Gallikanismus entsprungen, dann besonders durch van Espen in Löwen gepflegt, ausmündete in den Trierer Weihbischof Hontheim und die kurze Morgenröthe der Emser Punktationen. Durch die Gegenüberstellung der großen Zeitströmungen und der bedeutenden Persönlichkeiten der Päpste jener Zeit ergibt sich ein fesselndes Gemälde der geistigen Bewegungen einer gärenden Epoche staatlicher und geistiger Umprägungen, das jedenfalls zum Besten gehört, was Otto M. geschrieben hat. Auch in der Römisch-Deutschen Frage nehmen diejenigen Theile der Darstellung einen besonders hervorragenden Rang ein, die in großen Zügen das geistige und religiöse Bild einer Zeitepoche oder einer bestimmten, sei es örtlichen, sei es sachlichen Ausprägung einer solchen geben. Die Aufklärung der Montgelas’schen Periode in Baiern wie die josefinisch-territorialistischen Strömungen und Strebungen an den anderen süddeutschen Höfen und dem gegenüber die geistige und kirchenpolitische Athmosphäre des Kirchenstaates der Restauration sind meisterhaft dargestellt. M. hat sich hier als Historiker ersten Ranges gezeigt; von den zeitgenössischen Juristen hat es ihm darin keiner gleich gethan.

Der Gegensatz zu dem principiellen System der katholischen Kirche ist in diesen Darstellungen ein absoluter. Und daraus erklärt sich auch die liebevolle Vertiefung, vielleicht auch Ueberschätzung der episcopalistischen Reformbewegungen im Katholicismus. M. hat seine Lebensarbeit immer in rein evangelischen Ländern und Verhältnissen gethan; nur bei einem mehrjährigen Aufenthalte in Rom selbst konnte er das Leben des Katholicismus näher beobachten. Vielleicht hätte das persönliche Zusammenleben mit dem katholischen Volke die auf tief religiöser Grundlage ruhende Persönlichkeit Mejer’s in ihrem Gegensatze zum Katholicismus gemildert; vielleicht auch das Gegentheil. Jedenfalls lag M. nichts ferner als jene, jeder religiösen Empfindung bare, mehrfach aber mit einem wissenschaftlichen Kleide behängte Art der Bekämpfung des Katholicismus, wie sie sich in den kirchenpolitischen Bewegungen der 70er Jahre in Preußen und Deutschland so stark vordrängte und durch geschäftsmäßige Ausbeutung der großen geistigen und religiösen Gegensätze so unheilvoll wirkte. In den Streitfragen der kirchenpolitischen Gesetzgebung der 70er Jahre in Preußen aber stand M. mit fester Entschiedenheit zum Staate. Ob er an der Ausarbeitung dieser Gesetzgebung persönlichen Antheil hatte, ist mir nicht bekannt; seine Uebereinstimmung mit ihr hat er wiederholt und entschieden betont; auch gegenüber der Gesetzgebung des Jahres 1874, deren Undurchführbarkeit in verschiedenen Punkten einem so genauen Kenner von Kirchengeschichte und Kirchenrecht wie M. kaum zweifelhaft sein konnte, hat er, soweit bekannt, seine warnende Stimme nicht erhoben.

[299] Was Mejer’s Stellung zum evangelischen Kirchenrecht betrifft, so lag der Kernpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit hier in seinen Untersuchungen über das Kirchenregiment. Den dogmatischen Charakter der Grundlagen des Kirchenregimentes lehnt er ab, sowol in der katholischen als in der reformirten Fassung; das Kirchenregiment ist jus humanum, nicht jus divinum. Aber dies jus humanum hat nach Mejer’s Auffassung allerdings eine bekenntnißmäßige Formulirung in der Lehre von der custodia utriusque tabulae gefunden. Nicht nur die weltlichen Dinge kraft der zweiten, sondern auch die geistlichen Dinge kraft der ersten Gesetzestafel zu ordnen und zu leiten, ist der gottgesetzte Beruf des Staates. Dieser Satz ist, wie M. ausführt, der durch die Bekenntnißschriften gegebene Grundsatz des evangelisch-lutherischen Kirchenregimentes; das Kirchenregiment ist demnach nicht persönliche Sache des Landesherrn, sondern ein nothwendiger Bestandtheil der Staatsgewalt. In allen seinen kirchenrechtlichen Arbeiten, besonders in der diesen Fragen ausschließlich gewidmeten Schrift über die „Grundlagen des lutherischen Kirchenregimentes“ (1864) kehrt diese Theorie in mehr oder minder eingehender Begründung wieder. M. vertieft sich demgemäß auch wieder mit besonderer Vorliebe in die theokratischen Gestaltungen der Reformationszeit und deren Kirchenordnungen; er hält diese kirchenstaatsrechtliche Gestaltung für die lutherisch-bekenntnißmäßige und normale, macht auch kein Hehl aus seiner persönlichen Neigung für diese Gestaltung, wo und soweit sie sich in der modernen Welt noch erhalten hat, wie in seinem geliebten Mecklenburg. Ein scharfer persönlicher Gegensatz lutherischer Art gegenüber reformirten und unirten Verfassungsbildungen ergab sich hieraus; neben die scharfe Stellungnahme um die „Reinheit“ des lutherischen Dogmas in der Abendmahlslehre trat die scharfe Stellungnahme um die „Reinheit“ des Verfassungsprincips der lutherischen Bekenntnißschriften. Das hat die Gegensätze innerhalb der evangelischen Kirche Deutschlands nicht gemildert, sondern verschärft. Und diese beklagenswerten bitteren Gegensätze sind auch heute noch nicht überwunden, sondern bilden einen nicht unwesentlichen und nicht ungefährlichen Theil des politischen Partikularismus und des welfischen Hasses gegen Preußen. Bei der Einverleibung der im J. 1866 eroberten Länder in Preußen wurde die evangelische Kirche dieser Länder nicht dem unirten Oberkirchenrath in Berlin unterstellt. Mit allzu viel Zurückhaltung vielleicht hat Preußen die religiösen Besonderheiten der neuen Landestheile unberührt gelassen; die streng lutherische Abgeschlossenheit von Hannover und auch Schleswig-Holstein blieb unangetastet. Als Präsident des hannoverschen Landes-Consistoriums hat dann M. noch fast ein Jahrzehnt für die Milderung des lutherisch-welfischen Gegensatzes gegen Preußen wirken können; große Erfolge aber, darin wird keine Täuschung möglich sein, sind nach dieser Richtung bis heute nicht erzielt. Nur innerhalb der preußischen Landeskirche der neun alten Provinzen sind, insbesondere durch das Wirken des unvergeßlichen Barkhausen und – durch die Noth der Zeit, die Gegensätze wesentlich gemildert, ja fast ausgeglichen worden, eine der erfreulichsten Erscheinungen innerhalb der kirchenpolitischen Bewegungen der Zeit.

Von den seiner wissenschaftlichen Ueberzeugung nach bekenntnißmäßigen Grundlagen des lutherischen Kirchenregimentes aus hat dann M. die weitere Entwicklung der Verfassungsgedanken in meisterhaften Untersuchungen gegeben und die Theorien des (evangelischen) Episcopalismus, Territorialismus und Collegialismus dargelegt. Wie seine innere Neigung der reformatorischen Staatsgestaltung, die das Kirchenregiment gemäß der custodia prioris tabulae als Wesenselement in sich schloß, gehörte, so galt seine unverhüllt und bei jeder Gelegenheit hervortretende Abneigung derjenigen Staatsgestaltung, die [300] die Kirche als staatliche Polizeianstalt ansah und ganz in den öden bureaukratischen Mechanismus auflöste. Das war nach M. der Grundgedanke der josefinisch-territorialistischen Anschauungsweise von Kirche und Kirchenrecht, gegen die die katholische wie evangelische Kirche zu wahren M. immer bestrebt war.

Daß der im letzten Ende theokratische Confessionsstaat der custodia utriusque tabulae in unversöhnlichem Widerspruch zu der modernen Entwicklung des Religionsrechtes, zu den Principien erst der Parität, dann der vollen Gewissensfreiheit stand, war einem so scharfen Denker und Beobachter wie Otto M. selbstverständlich klar. Die bekenntnißmäßige Grundlage des lutherischen Kirchenregimentes zu erhalten, so lange dies irgend möglich, erschien ihm Pflicht. Sei aber diese Grundlage staatsrechtlich unmöglich geworden, so bleibe kein anderer Weg als der der Freikirche. Demgemäß behandelt M. die Grundlagen und praktischen Gestaltungen des Collegialismus wieder mit besonderer Vorliebe und scheut mit nichten zurück vor dem gerade von seinem Standpunkte aus radical erscheinenden Satze: Kirche ist Gemeinde. Die kirchlichen Gemeindebildungen des Spener’schen Pietismus finden bei ihm volles Verständniß.

Aber die Mischbildungen des modernen Landeskirchenthums in der rechtlichen Verbindung des Staates mit den großen historischen Kirchen nicht kraft Principes, sondern in Einzelheiten, sowie die Mischbildung der Vereinigung consistorialer und synodaler Elemente in einer combinirten Form evangelischer Kirchenverfassung lehnt er als logische Widersprüche und als historische Mißbildungen ab. Diese nach seiner Meinung innerlich unwahren Gestaltungen könnten keine grundsätzliche Begründung finden und demnach keine Dauer haben. Wo nicht mehr das alte Landeskirchenthum erhalten werden könne, müsse an seine Stelle die Freikirche treten. Jedenfalls ist die neueste Entwicklung in Frankreich ein zweifelloser und hochinteressanter Beweis der Geschichte für die Auffassung Mejer’s.

Und wo nicht mehr die Kirchenverfassung, die M. für bekenntnißmäßig hält, bleiben könne, müsse an deren Stelle eine volle Beseitigung der besonderen Beziehungen von Staat bezw. Landesherrn und evangelischer Kirche und demgemäß auch nach dieser Richtung das volle Freikirchenthum treten. Das denkt sich allerdings M. nicht im Sinne des kirchlichen Freidenkerthumes, sondern im vollen Gegensatz hierzu unter Ausbildung einer scharfen Kirchenzucht, die die äußere Ordnung der Gemeinde, d. i. der in Gemeinschaft des Glaubens und der Sacramente Verbundenen zu erhalten und zu sichern habe. Für die modernen Synoden hat M. kein Verständniß. Mit aller Schärfe stellt er das Dilemma: entweder reines Landeskirchenthum oder reines Freikirchenthum. Darin ist M. sicherlich zu weit gegangen und die spätere praktische Arbeit an einer an inneren Kräften reichen altlutherischen Landeskirche hat auch diese Gegensätze gemildert, wie dies seine letzte schöne Arbeit: „Das Rechtsleben der deutschen evangelischen Landeskirchen“ (1889) beweist. Aber wer wissenschaftlich einmal seine Stellung so scharf und so charakteristisch genommen hatte wie M., der konnte nicht mehr mit Aussicht auf tiefergehende Wirkungen Mittelwege einschlagen.

In seinem in drei Auflagen erschienenen „Lehrbuch des Kirchenrechtes“ hat dann M. die Quintessenz seiner kirchenrechtlichen Lebensstudien gegeben. Bekanntlich haben wir ein brauchbares System des Kirchenrechtes bis zur Stunde nicht und auch die Streitfragen um die principiellen Grundlagen des Kirchenrechtes sind noch ungelöst. Diese letzteren müssen nach meiner Ueberzeugung im Sinne von M. entschieden werden: der Staat ist die Quelle alles Rechtes, auch des Kirchenrechtes. M. hat zur Zeit der Alleinherrschaft der historischen Schule, [301] die in diesem Punkt ebenso unphilosophisch wie tyrannisch war, diesen Satz aufgestellt und ist nie davon gewichen; heute scheint die Tyrannei der historischen Schule gebrochen; im Kirchenrecht allerdings behauptet sie noch die herrschende Stellung. Für System und Methode hat Ulrich Stutz in seiner gedankenreichen Rede über die Zukunft des Kirchenrechtes neue Wege gewiesen. Der Weg des 19. Jahrhunderts war der von Emil Richter eingeschlagene. Otto M. ist allein von Richter’s Schülern seine eigenen Wege gegangen und ist auch vor dem Gegensatz zu Richter nicht zurückgeschreckt. So bietet das Mejer’sche Lehrbuch neben der Fülle des aus den kanonisch-rechtlichen Quellen und aus den evangelischen Kirchenordnungen geschöpften fast überreichen Materiales, das kaum bei irgend einer wichtigeren Frage im Stiche läßt, eine Fülle von Anregungen wie in historischer und kirchenpolitischer, so auch in methodischer und systematischer Beziehung. Ein Lernbuch ist allerdings das Mejer’sche Kirchenrecht nicht; aber dem tiefer Arbeitenden bietet es große Schätze.

Jedenfalls war M. eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Persönlichkeiten des Kirchenrechts des 19. Jahrhunderts, neben und in Beziehung auf scharfes Denken wol auch vor Emil Richter. Seine Arbeiten sind in manchen Punkten durch spätere Forschung überholt; besonders gilt dies von seinen Studien über die Propaganda. Aber Mejer’s Werke werden doch durch die Fülle von Material, die Schärfe der principiellen Gesichtspunkte, die besondere geistige Eigenart des Verfassers und nicht zuletzt durch die überaus anziehende Form der Darstellung wie durch die tiefe innere Wärme, die den Mann der Wissenschaft mit dem Object seines Denkens und Forschens verbindet, einen hervorragenden Platz in der Disciplin des Kirchenrechtes für alle Zeiten behaupten. Der hochgewachsene Mann mit den edlen schönen Gesichtszügen und dem weichen wohlwollenden Auge wird allen denen unvergeßlich sein, die ihm im Leben näher treten durften.