Zum Inhalt springen

ADB:Meyer, Ferdinand

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Meyer, Ferdinand“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 569–571, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meyer,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:56 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Meyer, Ernst
Nächster>>>
Meyer, Franz Joseph
Band 21 (1885), S. 569–571 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ferdinand Meyer (Politiker) in der Wikipedia
Ferdinand Meyer in Wikidata
GND-Nummer 132223570
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|21|569|571|Meyer, Ferdinand|Georg von Wyß|ADB:Meyer, Ferdinand}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=132223570}}    

Meyer: Ferdinand M., Dr. phil., Regierungsrath in Zürich, geb. am 7. März 1799, † am 11. Mai 1840. M. war der vierte Sohn des zürcherischen Obersten und Oberamtmanns Johann Jakob M.[WS 1] († am 17. Januar 1819), der sich als Stabsoffizier (1799) und Brigadecommandant (1815) unter General Bachmann (Bd. I, S. 754) als tapferer Vertheidiger Zürichs (1802) gegen den helvetischen General Andermatt (Bd. I, S. 429) sowie als Verwaltungsbeamter auszeichnete und in seiner Vaterstadt allgemeinsten Vertrauens und hohen Ansehens genoß. Nach Absolvirung des zürcherischen Gymnasiums und zeitweiligem Secretariatsdienste bei seinem Vater in dessen oberamtlicher Stellung, worin er den ersten Grund zu seiner spätern umfassenden Kenntniß der Verwaltungs- und Rechtszustände der Heimath legte, bezog M. im Frühjahr 1820 die Universität Berlin. Hier fesselte ihn vor Allem Savigny, während er zugleich classische Studien fortsetzte, auch bei Schleiermacher hospitirte und durch eifrigen Briefwechsel mit einem Jugendfreunde bewogen wurde, über dem Privatrechte das Studium des öffentlichen Rechtes und der Staatswissenschaften nicht zu vernachlässigen, sowie die Anschauungen der historischen Rechtsschule aus jenem Gebiete nicht unbedingt auf das Letztere überzutragen. Staatengeschichte und Politik wurden mehr und mehr der Hauptgegenstand seiner Studien. Im Sommer 1821 hörte er Eichhorn in Göttingen und trat schließlich – nachdem er den Winter zu einem Aufenthalte in Lausanne verwendet hatte – im Frühjahr 1822 in den öffentlichen Dienst in Zürich als Secretär der Justizcommission und als Docent der Staatswissenschaften und Statistik am „Politischen Institute“ daselbst. Indem der Staatsdienst Aufrechterhaltung des Bestehenden, der akademische Lehrstuhl vorurtheilslose Prüfung der Vergangenheit und Gegenwart, Kritik ihrer Gebrechen und Bestimmung der zu erreichenden Ziele von ihm forderte, empfand er das Bedürfniß, in der von mannigfaltigen Bewegungen schon ergriffenen und größere für eine nahe Zukunft ankündigenden Zeit, einen festen Standpunkt für sein Denken und Handeln zu gewinnen und legte seine „Ideen über Recht und Politik“ Befreundeten dar. Zwischen den zwei Mächten des Ideellen und des wirklich Vorhandenen in ihrer sich ewig anziehenden und abstoßenden Wechselwirkung schien ihm Vermittlung und Erstellen eines harmonischen Gleichgewichtes nicht auf dem Wege eines aus dem reinen Denken abgeleiteten philosophischen Systems (von denen ja keines je unbedingt dauernde Geltung sich habe erringen können), sondern nur auf demjenigen der Erfahrung und sorgfältiger geschichtlicher Beobachtung erreichbar. „Den einzelnen Menschen führe die in Vernunft und Gewissen sich ihm offenbarende göttliche Stimme – das „Gefühl“, im edelsten Sinne des Wortes, – auf jenem Wege zum richtigen Ziele; für das gesellige Leben liege dieses in „der Humanität oder dem Inbegriff aller edlen Berührungspunkte“, die „bey aller Verschiedenheit der Ansichten, zwischen den streitenden Extremen liegen“. Von dieser Auffassung getragen, ihr gemäß stets bemüht, schrankenlosem Kampfe festorganisirter Parteien eine Grenze zu setzen und in jeder einzelnen Frage ein gewissenhaftes eigenes Urtheil sich zu bilden und zu wahren, verfolgte M. seine Laufbahn unter fortgesetztem eindringendem Studium der vaterländischen Staatenverhältnisse und nahm thätigen [570] Antheil an den Reformbestrebungen der Zeit einerseits durch Veröffentlichung mancherlei staatswissenschaftlicher und historischer Arbeiten, andererseits in successiven amtlichen Stellen, als dritter Staatsschreiber (1826), als Mitglied des zürcherischen Großen Rathes, der Verfassungscommission von 1830 und schließlich des gemäß der neuen Verfassung bestellten Regierungsrathes und Erziehungsrathes. Als im Frühjahr 1832, in Folge schweizerischer Parteikämpfe und besonders der Basler Wirren, eine ultraradicale Partei auch in Zürich unter Führung von Dr. F. L. Keller (Bd. XV, S. 570) unbedingt herrschend wurde und der Regierunsrath sich ihrem Einfluß unterwerfen mußte, trat M. aus dieser Behörde zurück, blieb aber Mitglied des Großen Rathes und des Erziehungsrathes. In diesen Stellungen und als Präsident der Section für die höheren Unterrichtsanstalten wirkte er zur Errichtung der Hochschule Zürich nachdrücklich mit, und übernahm zugleich an der neuen Kantonsschule eine Lehrstelle für Geschichte und Geographie. Im J. 1836 veröffentlichte er die „Geschichte der evangelischen Gemeinde Locarno, ihre Auswanderung und ihre Schicksale“ (2 Bde.); ein Werk, das zum ersten Male eine für die Schweiz und insbesondere für Zürich höchst folgenreiche Episode aus dem sechzehnten Jahrhundert umfassend und gründlich beleuchtete. Die Bedeutung dieser Arbeit und Meyer’s Verdienste um das Unterrichtswesen des Cantons ehrte die Hochschule Zürich bei der dritten Wiederkehr ihre Stiftungstags durch Verleihung des Doctortitels hon. causa an den Verfasser. Bemühend wurden seine öffentlichen Stellen für M., als die herrschende Partei in Zürich 1839 die Berufung von Dr. D. Fr. Strauß an die Hochschule aufs Tapet brachte. Durch seinen Lebensgang und seine historischen Studien immer tiefer von einer positiv christlichen Weltanschauung erfüllt und getragen, die er schon 1836 aufs Lebendigste aussprach, fand M. sich, nach dem Ausdrucke einer 1838 niedergeschriebenen Weihnachtsbetrachtung, „durch eine tiefe Kluft von Strauß und dessen Anschauungsweise“, von der „Eiseskälte, die Strauß’ Abhandlung über Wesentliches und Vergängliches im Christenthume athmete, getrennt“, und mußte sich dieser religiösen Ueberzeugung gemäß gegen den Vorschlag von Strauß’ Berufung erklären. Ebenso entschieden aber sprach ihm gegen dieselbe, ganz abgesehen von seinem Glauben, der objective staatsmännische Gesichtspunkt, der auch viele religiös ganz anders denkende Mitglieder der Behörden in ihrem Entscheide mit M. übereinstimmen ließ. Was sie vorausgesehen, erfolgte. Die Berufung von Strauß durch die Regierung rief eine Bewegung im zürcherischen Volke hervor, die an Bedeutung alles seit vierzig Jahren Erlebte übertraf, und schließlich, bei dem Versuche der Behörden, sie mit Gewalt zu hemmen, zu revolutionärer Beseitigung der Regierung selbst führte. M. hatte sich persönlich nicht an der Bewegung betheiligt. Als aber der im September 1839 erwählte neue Große Rath den Ruf an ihn ergehen ließ, abermals in die Regierung einzutreten und auch das Präsidium des neuen Erziehungsrathes zu übernehmen, glaubte M. sich verpflichtet, der ihm angesonnenen Aufgabe sich zu unterziehen, obwol ihm die Schwierigkeiten derselben nicht entgingen. Denn unablässige bittere Befehdung der Regierung durch die unterlegene Partei und ein für den Erziehungsrath insbesondere unerquickliches oppositionelles Verhalten eines Theiles der akademischen und der großen Mehrheit der Volksschullehrerschaft sah er voraus, da diese der neuen Behörde nur unverhehltes Mißtrauen entgegenbrachten, so wenig dasselbe, vor Allem Meyer’s Persönlichkeit gegenüber, Grund hatte. Mit voller Selbstverläugnung trat M. das schwere Amt an. Allein seine Gesundheit war den damit verknüpften Anstrengungen nicht gewachsen und er erlag denselben schon nach wenig Monaten, ein Opfer edelster Pflichttreue in kampferfüllter Zeit. – Meyer’s älterer Bruder Wilhelm[1] (geb. am 26. Aug. 1797, † am 6. März 1877), auf den des Vaters militärische Neigungen übergingen, war ein gründlicher [571] Kenner der Kriegsgeschichte und Verfasser rühmlichst bekannter Werke auf diesem Gebiete, wie: „Die kriegerischen Ereignisse in Italien im Jahr 1848 und im Jahr 1849“ (Zürich 1848 und 1850. Uebersetzung ins Englische vom Earl of Ellesmere, London 1851); „Johann Konrad Hotz, später Friedrich Freiherr von Hotze, k. k. Feldmarschalllieutenant“, Zürich 1853 und andere Arbeiten über neuere Kriegsgeschichte in den Neujahrsblättern der Feuerwerkergesellschaft in Zürich. Von ihm stammen die mit „Meyer-Ott“ unterzeichneten Beiträge zur Allgemeinen Deutschen Biographie (I. 429 u. a. m.).

Einige Erinnerungen aus dem Leben des sel. Herrn Oberst J. J. Meyer von Zürich. (Von J. J. Lavater.) 12°. Zürich 1820. – Zur Erinnerung an den Herrn R.-R. Ferdinand Meyer. Zürich 1840. – Neujahrsblatt zum Besten des Waisenhauses in Zürich auf das Jahr 1849 (Biogr. von R.-R. Ferd. Meyer). 4°.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 570. Z. 2 v. u.: Ueber Wilhelm Meyer vergleiche das „Vorwort“ zu: „Die Schlacht bei Zürich am 25. und 26. September 1799“, dem neuen Abdrucke einer 1857 erschienenen Studie dieses Forschers: „Die kriegsgeschichtlichen Studien Wilhelm Meyer’s“, von G. Meyer von Knonau (Zürich 1886). [Bd. 24, S. 786]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johann Jakob Meyer (1763–1819); Schweizer Offizier und Politiker