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ADB:Michael, Rogier

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Artikel „Michael, Rogier“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 674–676, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Michael,_Rogier&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 02:11 Uhr UTC)
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Michael: Rogier M., ein geschickter Tonsetzer, war wahrscheinlich um die Mitte des 16. Jahrhunderts in den Niederlanden geboren. In seinem Anstellungsdecret als Tenorist der kurfürstlich sächsischen Kapelle d. d. Annabergk 1. Februar 1575 wird er Rogier Michel von Bergen genannt und ebenso unterschreibt er sich in einem von ihm ausgestellten Reverse (d. d. Dresden, 20. Februar 1575). Es ist also falsch, wenn er, wie dies bisweilen geschieht, Michael Rogier genannt wird. Die Einladungsschrift, welche der Rector der Universität zu Leipzig zu den Begräbnißfeierlichkeiten des Cantors an der Thomasschule, Tobias M., des Sohnes des Rogier M., im J. 1657 veröffentlichte, erwähnt, daß der Verstorbene aus einem Geschlechte berühmter Musiker entsprungen sei: „ut ex familia Musicorum celebrium originem traxit“. Dieselbe Gelegenheitsschrift nennt als Vater des Rogier M. einen gewissen Simon Michaelis, einen ausgezeichneten Mechaniker und Musiker des römischen Kaisers Ferdinand I.: „Avum paternum Dm. Simonem Michaelis Divi Fernandi I. Romanorum Imperatoris semper Augusti Musicum et mechanicum insignem coluit“. Ueber den Bildungsgang des Rogier M. ist nichts bekannt geworden. Im J. 1574 empfahl ihn der berühmte Dresdener Kapellmeister Antonius Scandellus seinem Herrn, Kurfürst August von Sachsen, als Sänger für dessen Kapelle. Die Anstellung erfolgte sehr bald, wie aus dem obenerwähnten Decret zu ersehen ist. Das neue Mitglied der Kapelle scheint sich schnell durch treue Pflichterfüllung die Gunst und Zufriedenheit seiner Herren und Vorgesetzten erworben zu haben. Kurfürst Christian I. schenkte ihm 1586 eine Hufe Landes und sieben Acker Wiesewachs. Im nächstfolgenden Jahre 1587 erhielt er wiederum von Christian [675] I. als einen Beweis fürstlicher Huld und Gnade „zur Ankaufung einer eigenen Wohnung 100 Gulden gnädigst bewilligt, weil er sich dermaaßen verhalten, daß Sr. Churf. Gnaden August sowohl als auch wir mit ihm gnädigst zufrieden gewesen“. Am 12. December 1587 schon wurde er nach dem Tode des kurfürstlichen Kapellmeisters Georg Forster († am 16. October 1587) zu dessen Amtsnachfolger ernannt. Er diente noch den Kurfürsten Christian II. und Johann Georg I., ward aber im höheren Lebensalter so hinfällig, daß Kurfürst Johann Georg I. im J. 1619 an den Landgrafen Moritz von Hessen schreiben konnte: „Unser alter Kapellmeister Rogier Michael ist eines solch hohen Alters und ohne Leibeskräften, daß wir ihn weder vor der Tafel noch in der Kirche zu gebrauchen wissen“. Wahrscheinlich ist M. bald nach dieser Zeit gestorben, denn es ist das letzte Mal, daß er in den Acten erwähnt wird. Er war mit Sara Petermann, der Tochter des kurfürstlichen Kapellknabeninspectors Andreas Petermann verheirathet, aus welcher Ehe drei Söhne entsprangen, nämlich: Samuel M. (s. u.), Christian Rogier M., der in Leipzig als Organist lebte, und endlich Tobias M., welcher 1619 zum Kapellmeister des Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen ernannt, später (1631) als Cantor an die Thomaskirche nach Leipzig berufen ward und im J. 1657 daselbst starb. Ueber die Compositionen und Werke des Meisters berichtet Otto Kade ausführlich in den „Monatsheften für Musikgeschichte“ (Berlin 1870, S. 3 ff.). Zunächst nennt Kade die sehr selten gewordenen, ihm bekannten Werke des Meisters. Es sind dies: 1) „Introitvs Dominicorum diervm ac praecipvorum festorum, in Electoratus Saxonici ecclesijs vsitatissimorum, juxta seriem totius anni, ad Modum Sacrarum Cantionum, quas vulgo Motetas vocant, quinque vocibus Musicis numeris inclusi a Rogerio Michaele, eiusdem chori Musici Praefecto“ (Lipsiae 1603). Die in lateinischer Sprache abgefaßte Dedication an den Kurfürsten Christian II. von Sachsen und seine Brüder Johann Georg und August von Rogier M. unterzeichnet „Dresdae 1603“, erwähnt, daß die Melodien dem seit langer Zeit festgestellten Kultus der Kirche zu Dresden entnommen seien. Das Werk liegt nur in zwei Stimmbüchern (Quinta vox und Bassus) vor, welche die Stadtbibliothek in Leipzig besitzt. 2) Ein 6stimmiger Tonsatz auf die „Hochzeitsfeierlichkeiten des Ehrenvesten, Achtbaren und Hochgelahrten Herrn Johann George Goedelmann, beider Rechten Doctor und Comitis palatini, Churf. Sächs. Hofrathe und seiner herzgeliebten Braut, der Ehrentugendsamen Frauen Katharina, des weilandt Georg Unwirdt Churf. gewesenen Kammermeister hinterlassenen Wittwe“ vom Jahre 1602, der sich in gedruckten Originalstimmen in der Zwickauer Gymnasialbibliothek befindet. 3) Eine Motette zu 6 Stimmen über die Bibelstelle Psalm 122: „Ich freue mich deß, daß mir geredt ist“ etc., ohne Jahresangabe, befindet sich in geschriebenen Stimmen in der Stadtbibliothek zu Zwickau. 4) „Te Deum laudamus: Sex vocibus compositum a Rogiere Michaele Chori Symphoniaci Electoralis Saxonicae aulae praefecto“. Anno MDXCV. – Das Werk (Manuscript) befindet sich in der Gymnasialbibliothek zu Freiberg. 5) „Die Gebrauchlichsten vnd vornembsten Gesenge Dr. Mart. Luth. vnd anderer frommen Christen (Porträt Luthers) itzo auffs newe mit fleiß componieret vnd der Choral durchaus in Discant geführet, durch Rogier Michael.“ Dreßden bei Gimel Bergen, Anno MDXCIII. – Es ist dies eine kleine Sammlung vierstimmiger Bearbeitungen zu protestantischen Singweisen, welche als zweiter Theil zu dem überaus reichhaltigen Dresdener Gesangbuche von 1593 erschien. Nach Kade entwickelt M. in Bezug auf die Harmonieführung eine ungemeine Kraft, Energie und Mächtigkeit. Deswegen gelingen ihm auch die in dieses Genre einschlagenden Tonsätze am besten, wie ihm überhaupt ein starker, fester, kräftiger [676] Charakter eigen gewesen sein muß, der sich in seinen Arbeiten so unverkennbar ausspricht. Wenn ihm nun auch das Klagende, Tiefsternste im Ganzen weniger gelingen will, so finden sich doch auch unter diesem sehr werthvolle Nummern, die in Stimmen- und Harmonieführung allen höheren Ansprüchen zu genügen vermögen. Jedenfalls nahm M. unter seinen Zeitgenossen einen sehr ehrenwerthen Platz ein, wenn ihm auch nicht vergönnt war den höchsten Gipfel der Kunst zu erklimmen und alle die Anforderungen zu erfüllen, welche der Tonsatz und vor Allem der Vocalsatz dieser klassischen Periode an den Künstler stellte.