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ADB:Mohr, Jacob Christian Benjamin

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Artikel „Mohr, Jacob Christian Benjamin“ von Ernst Kelchner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 69–71, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mohr,_Jacob_Christian_Benjamin&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 03:23 Uhr UTC)
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Band 22 (1885), S. 69–71 (Quelle).
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Mohr: Jakob Christian Benjamin M. wurde zu Frankfurt a. M. am 9. October 1778 geboren, erlernte den Buchhandel in der damals berühmten und bekannten Varrentrapp & Wenner’schen Buchhandlung daselbst, arbeitete dann als Gehülfe in der Dieterichschen Buchhandlung zu Göttingen, sodann in der Hoffmann’schen in Hamburg. Er kam im J. 1804 nach Frankfurt a. M. zurück und übernahm die 1801 gegründete Buchhandlung von August Hermann, dessen Wittwe seine Gattin wurde. Diese glückliche Ehe sollte leider nicht lange bestehen, denn M. verlor seine Gattin, nachdem sie ihm drei Töchter und drei Söhne geboren hatte. Von den Söhnen übernahm später Ernst das Sortimentsgeschäft des Vaters, während dessen Bruder Georg eine Druckerei errichtete, aus deren Pressen die meisten der Verlagswerke seines Vaters hervorgingen. Unterdessen hatte der Landesherr Karl Friedrich von Baden die Restauration der Universität Heidelberg ausführen lassen, wodurch dort das Bedürfniß nach einer guten und gediegenen Buchhandlung sich sehr fühlbar machte. Buchhändler M., der schon längst in sehr starkem litterarischen Verkehr mit Heidelberg stand, wurde von dort sehr dringend aufgefordert, eine Buchhandlung daselbst zu gründen. [70] Mit großer Bereitwilligkeit gab nicht allein die badische Regierung ihre Einwilligung, sondern ertheilte ihm auch das Privilegium zu einer akademischen Buchhandlung. Und nun verband sich M. mit seinem Freunde Zimmer, indem er in Heidelberg die seiner Zeit so bekannte Buchhandlungsfirma „Mohr & Zimmer“ gründete. Dieses Geschäft, welches auf das Innigste mit der neu aufblühenden Universität verbunden war, hat nicht wenig zum großartigen Aufschwung, den die zu neuem Leben gerufene Universität genommen, beigetragen, denn sein Name ist an alle bedeutende Unternehmungen geknüpft, welche von der Universität ausgegangen sind. Von den journalistischen Unternehmungen, die M. begründete, hat er den Heidelberger Jahrbüchern, der Kritischen Zeitschrift für Rechtswissenschaft und dem Archiv für civilistische Praxis ihren Fortbestand bis heute, mit Ausnahme der Heidelberger Jahrbücher, die eingingen, gesichert. Und welche glanzvollen Perioden unseres litterarischen Nationallebens spiegeln sich in seinen Verlagsverzeichnissen! Der Göttinger Dichterbund ist vertreten durch dessen bedeutendstes Mitglied, Heinrich Voß, den Uebersetzer Homer’s und Sänger der Luise; an unsere classische Epoche erinnern Herder und Jean Paul; die romantische Schule spiegelt sich in Schlegel’s Sprache und Weisheit der Inder, in Görres’ Volksbüchern und Lohengrin, in Arnim’s Wunderhorn; des philosophischen Zeitalters gedenken wir bei den Namen von Fichte, Hegel, Daub und Creuzer. Blättern wir weiter, so finden wir in der Theologie Werke von Marheineke, Daub, de Wette, Rothe, Ullmann, Umbreit, in der juristischen Litteratur die Werke eines Zachariä, Thibaut, Savigny und Mittermaier; in der Alterthumsforschung das Lehrbuch K. F. Hermann’s; in der Geschichtschreibung F. Chr. Schlosser’s Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, zum Theil Werke, die heute noch nicht ihren Werth verloren und von denen unterdessen verschiedene Auflagen, Um- und Neubearbeitungen erschienen sind. – M. war nicht nur der Verleger der Werke seiner Autoren, sondern er stand auch in dem innigsten freundschaftlichen Verkehr mit denselben; er war ihnen Freund und Berather. Aber auch die Hebung und Veredelung seines Standes lag ihm sehr am Herzen. Er suchte den Buchhandel durch Schrift und That auf die richtige Spur zu bringen, denn er war eben ein Buchhändler, dem sein Stand zugleich ein Ehrentitel war und der in demselben, neben der praktischen, auch die ideale Seite nicht untergehen lassen wollte, seinen Beruf wieder höher stellen und gehalten wissen wollte, statt ihn nur als Handel und Erwerb zu betrachten und möglichst auszubeuten. – Als man versuchte, dem Buchhandel durch die sogenannte „Examinationsfrage“ aufzuhelfen, machte er seine Ansichten über diese in einem Flugblatt bekannt, in dem sich nachfolgende bedeutsame und heute noch zu beherzigende Stellen finden: „Das Unglück unserer Zeit ist das Streben, daß Alles nur durch Schule und Lehrbücher gebildet, Alles, vom Pferd bis zum Esel, dressirt werden soll in geistlichen und weltlichen Dingen, so daß nichts mehr nöthig sein wird als Uniform und Kapuze.“ „Unser deutscher Buchhändlerstand sproßt aus anderem Boden, er ist so recht geeignet zur Selbstbildung und Veredlung. Im steten Umgange mit einer Welt von Menschen, die entweder humane Bildung besitzen oder bildungslustig und fähig sind, getragen von der Wissenschaft und Litteratur in ihrem ganzen Umfange, dadurch mit der ganzen Welt in Verbindung gebracht, nicht blos durch Handel und Wandel, sondern durch das Bedürfniß des freien geistigen Verkehrs bedarf es nur der Hilfe und Fähigkeiten ihren Stand und Beruf begreifender Lehrherren, um taugliche Lehrlinge heranzubilden, sie von der Pike an durch Lehre und Erfahrung zum Geschäfte tauglich zu machen, vor Allem Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit ihnen auf die Reise mitzugeben, die ihnen bei ihrem Austritte aus den Lehrjahren so gewiß in der Folge zustatten kommen, als ihr Stand es im Allgemeinen mit sich bringt, im Stillen ehrlich und treu [71] zu wirken, dabei Freisinn und Urtheil zu stärken, wozu Material genug unter die Hände kommt.“ Aber auch diese seine Bestrebungen wurden anerkannt und er öfters bei Angelegenheiten, die den Gesammtbuchhandel betrafen, zu Rath gezogen. Auch das Vertrauen seiner Berufsgenossen betraute ihn in den Jahren 1838–1840 mit der Leitung der Vereinsangelegenheiten als Börsenvorstand in Leipzig. Bei der Feier seiner 50jährigen Wirksamkeit als Buchhändler (1851) erhielt er die Anerkennung von Seiten der Universität in Heidelberg durch Verleihung der Doctorwürde der philosophischen Facultät honoris causa, bei welcher Gelegenheit das betreffende Diplom durch eine eigene dazu ernannte Deputation überreicht wurde. Aber auch von anderen Orten des deutschen Vaterlandes gab sich die Theilnahme an dieser Feier kund. M. setzte seine gewohnte Thätigkeit in seinem Berufe fort, sein Geschäft zu immer größerer Blüthe bringend, bis zu seinem am 29. Januar 1854 erfolgten Tode. Auf ihn passen die Worte, die Herder auf Goethe, Mohr’s großen Landsmann, anwendet: „in jedem Schritt ein Mann“.

Frommann, Geschichte des Börsenvereins der deutschen Buchhändler, Leipzig 1875, gr. 8°. – (Findel,) Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, 1854, Nr. 19. – Lorck, Geschichte des Vereins der Buchhändler in Leipzig, Leipzig 1883, gr. 8°. – Heidelberger Jahrbücher 1852, S. VII; 1854 S. VII, VIII.