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ADB:Morgenstern, Benedict

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Artikel „Morgenstern, Benedict“ von Karl Alfred von Hase in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 228–230, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Morgenstern,_Benedict&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 23:12 Uhr UTC)
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Morgenstern: Benedict M., ein streitbarer lutherischer Theologe der späteren Reformationszeit, mit Verspottung seines Namens „Lucifer“ genannt. Zu Stolp in Pommern 1525 geboren, war er bald nach seiner Geburt nach Riesenburg in Preußen gekommen, woselbst sein Vater nach dem Uebertritt des pomesanischen Bischofs Erhard von Queiß zur Reformation der erste evangelische Pfarrer wurde. Nachdem er hier unter Paul Hegemon die Schule besucht, in Königsberg studirt, die Magisterwürde erlangt und in seiner Vaterstadt Riesenburg kurze Zeit ein Schulamt verwaltet hatte, wurde er Prediger zu Preußisch Eylau. Als ein Gegner Osiander’s mußte er dem beim Herzog Albrecht mächtigen Einfluß der Osiandrischen Partei 1553 weichen. Ohne Amt machte er eine Reise nach Deutschland, wo er mit Wigand, dem nachmaligen Bischof von Samland[WS 1], bekannt wurde. Eine neue Anstellung fand er als Pfarrer zu Schöneck im polnischen Preußen und bald darauf in Danzig als Prediger an der St. Katharinenkirche. Hier gerieth er in Streit mit dem Magistrat, welcher den Prediger Samuel Hebel von St. Johann wegen grober Beleidigung seiner Kirchenältesten des Amtes entsetzt hatte. Drei Danziger Pfarrer, Burchardi an St. Marien, Saalfeld am St. Jakobshospital und M., verabredeten sich gleichzeitig, das Sonntagsevangelium vom guten Hirten (8. April 1560) zu einer Vertheidigung Hebel’s und zu einem heftigen Angriff auf den Magistrat zu benutzen, was zur Folge hatte, daß auf Veranlassung des Bürgermeisters, der eine dieser Predigten gehört und sofort den Magistrat versammelt hatte, die drei Prediger „des anderen Tags bei Sonnenschein“ die Stadt verlassen mußten. M. und Burchardi fanden Anstellung in Thorn. Als im folgenden Jahr in Danzig ein erbitterter theologischer Streit ausbrach über die Frage, ob die Ueberreste des heiligen Abendmahls an Brot und Wein auch noch Sacrament und danach zu behandeln wären und die Streitenden einander den Vorwurf einerseits des Papismus, andererseits der Sacramentsschändung machten, auch ein Parteiführer in diesem Streit, Veit Huber in Danzig, einst Abt in Baiern und ein Confessor der neuen Lehre, auf der Durchreise durch Thorn Burchardi für seine freisinnige Anschauung gewonnen hatte, griff M. 1562 in den Streit. Er nannte die von Huber abgegebene Erklärung Feigenblätter, mit denen er seinen Calvinismus bedecke. Um den Streit beizulegen, hatte der Danziger Magistrat durch einen theologisch gebildeten Juristen Dr. Jacob v. Barthen eine Notel oder Formula concordiae in 13 Artikeln aufsetzen lassen, in welcher unter voller Würdigung der hohen Bedeutung des heiligen Mahles die Streitfrage aus dem Gesichtspunkt der Reverenz, welche man dem heiligen Mysterium schuldig sei, beantwortet wurde, aus welcher Rücksicht allein, nicht aber weil sie sacramentale Kraft hätten, die Reliquien des heiligen Abendmahls vor Profanation zu schützen seien. Gegen diese Notel reizte M. zuerst einen Danziger Geistlichen Bonaventura Knorr auf; dann, als der Danziger Magistrat mehrere theologische Facultäten zu Gutachten aufgefordert und die [229] Wittenberger für die Notel sich ausgesprochen hatten, bewog er Matthias Flacius 1564 ein Buch vom heiligen Abendmahl zu schreiben und dasselbe dem Magistrat von Danzig zu dediciren, in welchem diejenigen Prediger, welche die Notel unterschrieben hatten, als verhüllte Wölfe und stumme schläfrige Hunde, die Mitglieder des Magistrats aber als heimliche Verführer bezeichnet wurden. Seine ehemaligen Gemeindeglieder zu Danzig ermahnte M. schriftlich selbst in der damaligen Pestzeit, „es wäre besser ohne Wort, Trost und Sacrament zu sterben, ehe sie sich der Prediger in Danzig ihres Dienstes sollten gebrauchen“. Nachdem er auch Wigand, damals Superintendent zu Wismar, bewogen hatte, eine öffentliche Erklärung gegen den Magistrat in dieser Sache abzugeben, schrieb er selbst eine „Widerlegung der Notel, damit die Sacramentirer in Danzig ihren Irrthum verkleistern und bedecken wollen“, Eisleben 1567, mit einem empfehlenden Vorwort der Mansfelder Geistlichen, um die protestirenden Danziger Geistlichen noch mehr gegen ihre Amtsbrüder und den Magistrat aufzuhetzen. Darum, als er nach Jahren einmal in Danzig sich aufhielt, wurde er ebenso wie kurz darauf in Elbing vom Bürgermeister angewiesen. „alsbald sich aus der Stadt zu packen, ehe etwas Schärferes wider ihn vorgenommen würde“. – Inswischen war M. in Thorn selbst über andere Dinge in Streit gekommen. Böhmische Brüder hielten sich hier zum lutherischen Gottesdienst; aber wenn ein Prediger ihrer Confession aus Polen kam, empfingen sie in einem Bürgerhause zur Nachtzeit das heilige Mahl. Als M. ihnen darüber Vorwürfe machte, als über eine Zertrennung der Kirche, gaben sie theils befriedigende, theils ausweichende Antwort, endlich aber erklärten sie sich unter Mitwirkung des Raths von Thorn bereit, da sie am lutherischen Abendmahl selbst nichts auszusetzen hätten und in der Kirche nur die rechte Zucht vermißten, an demselben theilzunehmen. Weil Einige es doch nicht thaten, predigte M. in heftiger Weise gegen sie. Einen Thorner Bürger Grunau beschuldigte er der Schwenkfeldischen Irrthümer. Dazu kam, daß er mit dem Magistrat in Streit gerieth wegen eines Juden, welchen der Magistrat als Arzt in die Stadt aufgenommen hatte. Als er über alle diese Streitigkeiten wiederum Wigand’s Gutachten einholte und dieser öffentlich in den meisten Sachen, insonderheit in des Juden und des Grunau Sache, dem M. Recht gab, gab der Magistrat ihm seine Entlassung. Bereits im folgenden Jahr (1568) wurde M. Pfarrer am Dom in Königsberg. Auch hier wollte er die böhmischen Brüder, welche unter Herzog Albrecht vor 20 Jahren ins Land gekommen und nach bestandenem Examen aufgenommen worden waren, zwingen, in allen Stücken die Gebräuche der lutherischen Kirche anzunehmen und das corpus doctrinae zu unterschreiben. Damals schrieb er „Tractatus de ecclesia vera et falsis ecclesiis h. e. Papatu et Calvinist. Valdensiumque ecclesia et harum consensu“, Sendomir 1570 (Francof. ad M. 1598, 8°). Die heimlichen Zusammenkünfte, wie die Spendung des heiligen Abendmahls in den Häusern wurde den böhmischen Brüdern verboten. – Auch der zwischen den beiden preußischen Bischöfen Heshus und Wigand über den Gebrauch des Ausdrucks „abstract“ und „concret“ in der Lehre von der menschlichen Natur Christi geführte heftige Streit ist von M. ausgegangen. Er war der erste, welcher gegen das Buch seines Bischofs Heshus „Assertio S. S. Test.“ protestirte und den Hofprediger Weidmann wie den Löbenicht’schen Pfarrer Mörlin, den Sohn des verstorbenen Bischofs und den Caplan Schlüsselburg mit sich zog. Sie deuteten die Behauptung des Heshus, daß man nicht nur sagen könne: „der Mensch Christus (in concreto) ist allmächtig, allweise und anzubeten, sondern auch die Menschheit (in abstracto) Christi ist allmächtig etc.“, dahin, daß nach des Heshus’ Meinung die Menschheit Christi auch ohne ihre Verbindung mit der göttlichen Natur anzubeten sein würde, was sie eine arge Ketzerei nannten. Bischof Wigand schwieg zu dem Streit. [230] Als er nach zwei Jahren eingriff, waren die Gemüther so erregt, daß er keinen Frieden stiften konnte und nun selbst durch persönliche Rücksichten beeinflußt zum Gegner des Heshus wurde. Vergeblich mühte sich eine Synode von 20 Geistlichen, 10 aus jedem Bisthum, unter Mitwirkung der herzoglichen Commissarien, vergeblich mühte sich Markgraf Georg Friedrich, der an Stelle des blöden Herrn die Regentschaft führte, Frieden zu stiften: der Streit hatte die ganze Bevölkerung Königsbergs in Parteinahme für ihre Prediger ergriffen; die Fischweiber am Pregel schimpften sich abstracte und concrete Huren. M. war inzwischen vom Dom an die Altstädtische Kirche versetzt worden. Erst wurde Heshus vertrieben, dann von den das Concordienbuch abfassenden Theologen gegen Wigand entschieden. Allen Geistlichen der Stadt wurde durch herzogliches Edict weiteres Streiten und Schmähen in dieser Sache verboten. Unter denen, die 1579 wegen Nichtbeachtung dieses Befehls vor das Hofgericht gefordert wurden, war auch M. Erst 1581 gelang es dem ins Land zurückkehrenden Georg Friedrich die streitenden Theologen zu bewegen, „daß sie die Hände ineinander legten, wiewol nicht mit sonderlichem Vergnügen“. Als Bischof Wigand, Morgenstern’s Gönner, der sich im Amte gehalten hette, 1587 starb, schwand auch Morgenstern’s Ansehen. Er siedelte 1588 nach Graudenz über. Hier hat er noch zehn Jahre das Pfarramt verwaltet. Gefährlich erkrankt, begab er sich zur Kur nach Königsberg, wo er am 11. April 1599 im Alter von 74 Jahren gestorben ist.

Außer den oben angeführten Druckschriften Morgenstern’s: „De Valdensium schismate ex publico colloq. Thoroniae cum fratribus bohemicis habito“ und „Errores fraterculorum Bohemicorum“ M. S. (vgl. Baumgarten, Nachrichten von merkwürdigen Büchern, 6. Bd., S. 143). – Predigt von der Gewißheit der Auferstehung von den Todten, Thorn 1593, 8°. Vgl. Hartknoch, Preuß. Kirchenhistorie, S. 502, 879, 883. – Carpzov’s Untersuchung der Religion der böhm. Brüder. Register.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wohl verschrieben: Wigand war nicht Bischof von Samland, sondern von Pomesanien.