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ADB:Baumgarten, Sigmund Jakob

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Artikel „Baumgarten, Siegmund Jakob“ von Gustav Frank in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 161, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Baumgarten,_Sigmund_Jakob&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:21 Uhr UTC)
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Band 2 (1875), S. 161 (Quelle).
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Baumgarten: Siegmund Jakob B., von Voltaire die Krone deutscher Gelehrten, von Andern das Orakel der Theologen genannt, Professor der Theologie in Halle, war 1706 zu Wolmirstädt geboren und starb am 4. Juli 1757. Sanft, klug, gelehrt, namentlich in der englischen Litteratur belesen, hat er mit außerordentlichem Fleiße sich über alle Theile seiner Wissenschaft verbreitet. Nur des Abends bei Tische im Kreise einiger Studenten pflegte der Mann menschliches Vergnügen zu genießen, der sonst mehr als ein Tagelöhner an die gleich starken Arbeiten gewöhnt war. Die Art seines Vortrags – er sprach aber im Collegium so langsam und ohne allen Affect, als wäre die Absicht, daß man Alles nachschreiben solle – wurde bemeisternd genannt und eifrige Schüler ahmten seinen hüstelnden Ton auf den Kanzeln nach. Er war vom Pietismus ausgegangen, das hallesche Waisenhaus hatte ihm zur theologischen Professur verholfen, und er pflegte nach der Kirche ascetische Stunden in seinem Hause zu halten, aber, um Heuchelei und geistliches Schwatzen fern zu halten, mit aller Vorsicht. Weil er aber von der Gnade abwich und nach Wolff eine philosophisch-tabellarische Theologie lehrte, nahmen die Heilandsbrüder an ihm ein wahres Aergerniß, warfen ihm kalte Subtilität vor, wie er auch selbst gesteht, daß es ihm jederzeit an einer paränetischen Begabung gefehlt habe. In der exegetischen Theologie versäumt, mußte bei ihm Alles die Demonstration thun, womit er auch so überzeugend wirkte, daß jeder Lehrsatz seiner Dogmatik seinen Schülern als mathematisch gewiß galt, jede Abweichung als Frevel und Hochverrath. Seine Orthodoxie erkennt man an seiner fortlaufenden Bestreitung von Bengel’s kritischen Arbeiten. Er kämpfte für das unfehlbare Ansehn des vulgären neutestamentlichen Textes. Ihm hieß jede Aenderung des Lesart in einem Spruche, den das System zu brauchen pflegt, ein freventlicher Kirchenraub, die Doxologie des Vaterunsers ächt, die Stelle der drei Zeugen (1. Joh. 5, 7) ein theures dictum classicum. Doch wenn er auch in öffentlichen Vorlesungen und Schriften vorsichtig und dunkel blieb, für diejenigen, welche Fähigkeit hatten, weiter und freier zu forschen, fehlte es nicht an den nöthigen Winken zwischen vier Wänden. Eine Reihe bedeutender Schüler ist von ihm ausgegangen: Nösselt, Büsching, Heilmann, Töllner, Steinbart und vor Allem Semler, der an B. die exemplarische Ordnung und Gründlichkeit bewunderte.

Biographien von Semler (Halle 1758), Niemeyer (in der Allgemeinen Encyclopädie VIII. S. 205 und in der Schrift: Die Universität Halle nach ihrem Einfluß auf gelehrte und praktische Theologie. Halle 1817, S. 70 ff.), Herzog (in seiner Realencyclopädie für prot. Theologie I. S. 740). Schriftenverzeichnis in Meusel’s Lexikon.