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ADB:Neller, Georg Christoph

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Artikel „Neller, Georg Christoph“ von Johann Friedrich von Schulte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 421–423, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neller,_Georg_Christoph&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:45 Uhr UTC)
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Neller: Georg Christoph N., geb. am 23. November 1709, † zu Trier am 31. October 1783. Geboren in Aub (Franken) als ältestes von neun Kindern des dortigen Bürgers Johann Georg N., zeigte er schon in frühester Jugend [422] hervorragende Anlagen, wodurch sein unbemittelter Vater bewogen wurde ihn für den geistlichen Beruf zu bestimmen. Nachdem er in Mergentheim und Aub den Schulunterricht empfangen hatte, wurde er im Alter von zwölf Jahren dem Gymnasium in Würzburg übergeben. Er schwankte längere Zeit, ob er Jesuit oder Karthäuser werden sollte, trat aber 1726 nach zurückgelegten philosophischen Studien in das Klerikalseminar zu Würzburg ein und hörte an der Universität mit unausgesetztem Fleiße juristische und theologische Vorlesungen, vorzüglich bei Barthel, Carlier, Ickstatt und Ulrich. Im J. 1733 vom Fürstbischof Friedrich Karl (Graf Schönborn) zum Priester geweiht versah er zuerst das Amt eines Kaplans in Grumbach, dann am Dom in Würzburg, wurde aber bald darauf von seinem Landesherrn zum Erzieher von zwei Neffen, den Söhnen des Grafen Erwin von Schönborn bestimmt. Mit diesen besuchte er fast drei Jahre lang verschiedene Universitäten, fand sich aber zur Aufgabe dieser Stellung bewogen, um seine verwittwete Mutter zu ernähren, und suchte in Würzburg ein geistliches Amt zu erhalten. Sein Gönner, der Fürstbischof, gab ihn im December 1741 als Rath dem päpstlichen Nuntius Doria bei, als dieser behufs der Königswahl nach Frankfurt reiste. In dieser Stellung bot sich ihm Gelegenheit, Einblicke in die politischen Verhältnisse zu thun und die Bekanntschaft bedeutender Männer zu machen, worunter die wichtigste für ihn die von Nikolaus von Hontheim war. Der Nuntius betraute ihn mit Aufträgen an den Fürstbischof Friedrich Karl, der ihm bei dieser Gelegenheit eine Pfarrei verlieh. während der Fürstbischof von Speier (Damian Hugo Philipp Graf von Schönborn) ihm die Gregorianische Präbende an seinem Dome gab. Nach der Wahl Karl’s VII. nahm er von dieser Besitz, ließ sich aber zu einer nochmaligen Reise mit einem Zögling bewegen, und trat nach deren Beendigung die Stelle eines Archivars der Grafen Schönborn zu Buchheim an. Hier veröffentlichte er anonym seine „Principia[WS 1] juris publici ecclesiastici“. Am 21. November 1747 war durch den Tod von Johann Heiß die Professur des canonischen Rechts an der Universität zu Trier erledigt worden; zur Wiederbesetzung wurde ein öffentlicher Concurs ausgeschrieben. N. meldete sich und bestand am 3. Januar 1748 unter sieben Candidaten so glänzend die Prüfung – von 31 Stimmen fielen 28 auf ihn, – daß er die Professur unter der Bedingung, innerhalb sechs Monaten in Trier die Doctorwürde zu nehmen, erhielt und sofort dem Dechant von St. Simeon, Lothar Friedrich von Nalbach, zur Aufnahme als Canonicus von St. Simeon – das Canonicat war mit der Professur verbunden – vorgestellt wurde. Seiner Besitznahme des Canonicats trat ein Hinderniß entgegen, indem die Jesuiten, welche seine Autorschaft der „Principia“ ausgekundschaftet hatten, ihn wegen schlechter Grundsätze denuncirten. Der Kurfürst, Franz Georg v. Schönborn, legte, wohl auf Betreiben von Hontheim und wegen der früheren Stellung Neller’s, die Sache bei, so daß dieser in das Canonicat eintrat. Als Canonicus erbaute er eine Curie; eins der alten unmittelbar vor der Porta nigra belegenen alten Canonicatshäuser hat die von mir im October 1881 abgeschriebene Inschrift: „anno MDCCXLIX hanc peristyllii regionem in aedes convertit Georg Christoph. Neller Aubanus J. U. D. ss. can. prof. p. et o. S. Simeonis can. cap.“ N. war ein unermüdeter Lehrer, besaß die volle Zuneigung der Zuhörer; sein großes Gedächtniß, rasche Auffassung machten seinen Vortrag belebt und interessant. Als Schriftsteller gehört er zu den bedeutendsten Canonisten seiner Zeit; er zeigt sich gründlich bewandert in den damals bekannten Quellen und in der Litteratur nicht blos seines besonderen Faches, sondern der Jurisprudenz überhaupt. Hierzu kommt eine in jener Zeit seltene Eigenschaft, die Fähigkeit wirklich gediegener historischer Forschung und die Liebe zu solcher. Sein Standpunkt ist im ganzen der seines Gönners und Freundes von Hontheim; seine Untersuchungen sind stets [423] frei von Vorurtheil, objectiv; er widerstrebte jedem geistigen Drucke, huldigte jedem vernünftigen Fortschritte und hatte ein warmes Herz für seine Nation und die Rechte des deutschen Episcopats gegenüber Rom. Es ist begreiflich, daß ein solcher Mann, dessen wissenschaftliche Bedeutung bald allgemeine Anerkennung gefunden hatte, seine heftigsten Feinde in jenem Lager fand, wo das Gegentheil der von ihm vertretenen Grundsätze die einzige Richtschnur bildete, bei den Jesuiten. Diese denuncirten ihn wiederholt beim Kurfürsten und in Rom, so daß es selbst zu einer unter Hontheim’s Vorsitz geführten Untersuchung kam, in welcher jene, trotzdem sie Partei und Zeugen waren, unterlagen; die Jesuiten Joh. Schreiber, Rector des Collegs und Professor der Theologie in Trier, Johann Reuter, Hartzheim u. a. veröffentlichten Schriften gegen ihn. Das erbitterte alle billig Denkenden dergestalt, daß es einmal, am 17. Mai 1763, bei der Rectorwahl zu einem öffentlichen Auftritte kam und die Juristen die Nichtbestätigung des von den Jesuiten und deren Anhängern Gewählten durchsetzten, ihn selbst aber veranlaßte es schließlich, in der Schrift „Jesuiticum Nihil“ sich in schärfster Weise Luft zu machen. Diese und andere Nörgeleien verbitterten dem Manne, der nur seinem Amte und der Wissenschaft lebte, keine Zerstreuung, kein Vergnügen suchte, das Leben. Dem hingeschiedenen Freunde setzte Hontheim eine schöne Gedenktafel, welche seit dem Abbruche der Simeonskirche sich in der Mauer des Gymnasiums befindet. – Unter seinen Schriften ist die bekannteste die angeführten „Principia juris publici ecclesiastici catholicorum ad statum Germaniae accommodata in usum tyronum“, zuerst Frankfurt und Leipzig 1746. 4., dann noch mehrmals anonym oder pseudonym, welche am 11. September 1750 auf den „Index librorum prohibitorum“ gesetzt wurden, weil sie, obgleich in durchaus maßvoller Weise, dem Curialsystem namentlich bezüglich Deutschlands widerstrebten. Eine andere Schrift „Exercitium juridicum II. thema historico-chronol. de S. Henrico II. imp. Bambergensis episcopatus fundatore …“ Trier 1772. 4 (als Dissertation), vertheidigt von dem Diakon Hirt. Faber, rief verschiedene Gegenschriften von Jesuiten (Hyacinthe Berg, Martin Bender) hervor. Eine große Anzahl von Dissertationen, von seinem Neffen und Nachfolger im Lehramt Georg Philipp Christian Leuxner, als opuscula … Colon. 1789, 90. 2 T. 4. herausgegeben (die meisten auch in Schmidt, Thesaurus jur. eccl. in allen Bänden), behandelt eine Reihe der wichtigsten kirchlichen Verfassungsfragen, Fragen des Reichsrechts über kirchliche Gegenstände, des kirchlichen Vermögensrechts, des Civilrechts, Staats- und Lehnrechts, der Kirchen- und Trier’schen Landesgeschichte, Diplomatik und Numismatik. Sie behalten ihren Werth für die Geschichte, die canonistischen sind insbesondere für die Behandlung der Specialfragen unentbehrlich; ihre Titel in der Ausgabe der „Opuscula“ und bei Schmidt, auch Weidlich.

Leuxner, Opusc. I. Hiernach und auf Grund handschriftl. Aufzeichnungen „Trierische Kronik“ 1820, S. 76 ff. (von Wyttenbach), 1825, S. 257 (von Fr. M. J. Müller), „Trierisches Wochenblatt“ 1818, Nr. 9; 1819, Nr. 18 (aus einer gleichzeitigen Chronik). – Weidlich, Biogr. Nachr. II. 121. III. Nachtr. S. 208. W. Fortges. Nachtr. S. 179. – Meine Gesch. d. Quellen und Litter. des can. Rechts III. 213 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Pricipia