Zum Inhalt springen

ADB:Neuenahr, Hermann der Jüngere Graf von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Neuenar und Mörs, Hermann (der Jüngere) Graf zu“ von Max Lossen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 486–488, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neuenahr,_Hermann_der_J%C3%BCngere_Graf_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 01:54 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 23 (1886), S. 486–488 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Hermann von Neuenahr der Jüngere in der Wikipedia
Hermann von Neuenahr der Jüngere in Wikidata
GND-Nummer 138058814
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|486|488|Neuenar und Mörs, Hermann (der Jüngere) Graf zu|Max Lossen|ADB:Neuenahr, Hermann der Jüngere Graf von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138058814}}    

Neuenar: Hermann (der Jüngere) Graf zu Neuenar und Mörs, Herr zu Bedbur (Bedburg), Erbhofmeister des Erzstifts Köln, welchem Ranke (Päpste, Buch V) zu viel Ehre erweist, indem er ihn einen „großen Protestanten“ nennt, ist nach der gewöhnlichen Angabe im J. 1514 geboren, oder, nach einer Bemerkung seines Schützlings und Freundes Geldorp (A. D. B. XIII S. 533), vielleicht erst im J. 1516. Sein Vater, Graf Wilhelm von N., hat als Vermittler in [487] den Irrungen Kaiser Karl’s V. mit den Schmalkaldener Bundesgenossen und mit dem Kölner Erzbischof Hermann von Wied keine unbedeutende Rolle gespielt (vgl. C. Varrentrapp, Hermann von Wied. Register). Seine Mutter, Anna Gräfin von Wied, war die Erbin der Grafschaft Mörs, sein Oheim der bekannte Humanist Graf Hermann (der Aeltere) v. N. (s. o.). – Ueber die früheren Lebensjahre unseres Grafen H. liegen fast gar keine Nachrichten vor. Da er sich nachmals der französischen Sprache mit Leichtigkeit bedient, können wir vermuthen, daß er seine Studien besonders auf französischen Universitäten gemacht haben wird; jedenfalls zeichnete er sich durch eine bei seinen Standesgenossen nicht gewöhnliche classische Bildung aus. Von zwei Seiten wird berichtet, daß er sogar die Psalmen theils in griechische, theils in lateinische Verse umgedichtet habe. Er sah es später gern, wenn Gelehrte ihm ihre Bücher widmeten. Daneben war er aber auch Kriegsmann; in den Jahren 1542–44 soll er in Diensten Kaiser Karl’s V. 200 Lanzenreiter gegen Frankreich geführt haben. – Schon im J. 1538 wurde er mit der im J. 1522 geborenen Gräfin Magdalena von Nassau-Dillenburg, der älteren Stiefschwester Wilhelm’s von Oranien verheirathet; als sie ihm nach 30jähriger Ehe am 18. August 1567 durch den Tod entrissen wurde, beklagte er ihren Tod mit bewegten Worten; Wilhelm von Oranien behauptet jedoch einige Jahre früher, seine arme Schwester habe viel von ihrem Manne ausstehen müssen. Das ist wohl glaublich, da wir bestimmt wissen, daß Graf H. dem Laster der Trunksucht in hohem Grade ergeben war. Jedenfalls in Folge dieses Lasters hatte er in seinen späteren Lebensjahren viel von der Gicht zu leiden. – Sein Vater, Graf Wilhelm, scheint im J. 1552 gestorben zu sein, wenigstens begegnet uns in diesem Jahr Graf H. zuerst als regierender Herr. Von seiner Regierungsthätigkeit wird berichtet, daß er sich viel um die Sicherung seines durch die Fluthen des Rheins stets bedrohten Ländchens gekümmert habe. Außerdem hatte er besonders mit den noch fortbestehenden Klöstern zu schaffen. Schon der Vater hatte sich für seine Person zum Protestantismus bekannt und auch sein Land zu reformiren begonnen, aber vorsichtig, aus Rücksicht auf den Kaiser, als den Herrn der benachbarten Niederlande, sowie auf seine beiden Lehensherren, Herzog Wilhelm von Jülich und Cleve und den Kölner Erzbischof. In ähnlich vorsichtiger Weise fuhr Graf H. mit dem Reformationswerk fort und setzte wirklich die Säcularisation mehrerer Mönchs- und Nonnenklöster durch, freilich nur unter allerlei Verdrießlichkeiten und bitteren Klagen über seine Tyrannei, welche bis nach Rom gelangten und ihn dort in den Ruf eines besonders schlimmen Feindes der katholischen Kirche brachten, während er es mit seinen katholischen Nachbarn nie vollständig verdarb, und auch in dem beginnenden niederländischen Religions- und Bürgerkrieg seine Neutralität ziemlich gut zu wahren wußte. (Sehr bezeichnend ist ein Wort des Frater Lorenzo de Villavicencio über Graf H. in einem Brief an König Philipp vom 7. October 1566: suele decir que, cuando està con los católicos, en las palabras y obras es luterano, y cuando està con luterano, en las mismas es católico, y cuando està borracho, ni cree en Dios ni en el diablo etc.). – Als kaiserlicher Rath ist Graf H. sowohl von Karl V., wie von Ferdinand I. und besonders von Maximilian II. mehrfach zu Commissionen verwendet worden, hat auch der römischen Königswahl Maximilian’s zu Frankfurt 1562, sowie dem Speierer Reichstag 1570 beigewohnt. Von größerer Bedeutung für die deutsche Geschichte ist jedoch eigentlich nur seine Mithülfe zur Niederlage des Herzogs Ernst von Baiern bei der Kölner Bischofswahl des Jahres 1577. Damals hat er hauptsächlich bei den Kölnischen Landständen es dahin gebracht, daß sie sich deutlich gegen die Wahl des bairischen Herzogs ausprachen und dadurch einigen noch schwankenden Gegnern desselben im Domcapital [488] Muth machten, Gebhard Truchseß ihre Stimmen zu geben. – Nicht lange danach, am 4. December 1578, erlag Graf H. zu Mörs seinem langen Siechthum. Da seine Ehe kinderlos geblieben war, erhob sich über seine Erbschaft ein heftiger, zum Theil selbst mit den Waffen geführter Streit zwischen dem Grafen Werner von Reifferscheid, welcher auf die Herrschaft Bedbur Anspruch erhob, und dem jungen Vetter des Verstorbenen, Graf Adolf v. N., welcher im J. 1570 Graf Hermann’s Schwester Walburgis, die Wittwe des 1567 hingerichteten Grafen Philipp von Hoorn geheirathet hatte: ein Streit, in welchen auch die beiden Lehensherren hineingezogen wurden und welcher schließlich zu einer Episode des Kölnischen Krieges und des allgemeinen spanisch-niederländischen Religionskrieges geworden ist.

Eine sehr dürftige und unzuverlässige Biographie H.’s bei Herm. Altgelt, Gesch. d. Grafen u. Herren von Mörs. Düsseldorf 1845, S. 92 ff. (Das Actenstück S. 96 stammt aus den Acten des Kölnischen Wahlprocesses von 1578). – Einzelnheiten bei H. C(astritius), Geldorpius, Scholarum ex monasticis opibus institutio. Leydae 1580. 4° (eigentlich ein noch für Gr. H. selbst geschriebenes Gutachten, mit einem Anhang von Leichengedichten u. anderen biograph. Nachrichten über Graf H.). – Briefe von u. über Graf H. bei Groen van Prinsterer, Archives, Sér. I. tom. I, III, IV u. VI (im Register sind die meisten nicht verzeichnet); anderes aus verschiedenen Archiven in meinen Excerpten. – C. Krafft in d. Ztschr. des Berg. G.-Vs. VI. 290 ff. u. 329. – Lossen, Köln. Krieg I. (s. Register). – Folgende u. vermuthlich noch manche andere Bücher sind Graf H. gewidmet: Hamelmann, de Ecclesia 1557 (nach Krafft a. O.). – M. Tullii Ciceronis Historia … per Franc. Fabricium Marcoduranum. Coloniae 1563 (u. 1564). 8°. – G. Cassander, De Baptismo Infantium. Coloniae 1565 (Opp. p. 703). – M. Toxites med. Argentor. Chrysopoeiae Joannis Aurelii Augurelli P. Ariminensis libri tres. Argentorati 1565. 8°. Jo. Wierus. De Irae morbo, Basil. 1577 (Opp. p. 773); in seinem Hauptwerk (de praestigiis daemonum, Opp. p. 507) rühmt Weyer Graf H.’s Vorsicht im Verfahren gegen angebliche Hexen. – Einige (seltene) Münzen von Graf H. verzeichnet Köhler, Histor. Münzbelustigung, Theil XVII. Vorr.