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ADB:Nördlinger, Julius von

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Artikel „Nördlinger, Julius von“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 11–14, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:N%C3%B6rdlinger,_Julius_von&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 17:40 Uhr UTC)
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Nördlinger: Julius Simon v. N., Forst- und Bergmann, geb. am 28. September 1771 zu Pfullingen an der Alb, † am 28. Juni 1860 zu Stuttgart, schwang sich aus höchst bescheidenen Verhältnissen durch großen Wissenstrieb von frühester Jugend ab und eigene Thatkraft zu einer sehr einflußreichen Stellung in Würtemberg empor. Sein Vater, ein einfacher Bortenmacher, siedelte schon 1772 nach Tübingen über, wo er reicheren Erwerb zu finden hoffte. Hier bezog der junge N. die lateinische Schule und zeichnete sich durch Eifer und Fleiß so aus, daß der Rector dem Vater zuredete, den talentvollen Sohn studiren zu lassen. Da aber hierbei nur von Theologie die Rede war, für welche er keine Neigung verspürte, und da andererseits auch der Vater von einer höheren Bildung des Sohnes nichts wissen wollte, trat letzterer schon vor erlangter Maturität aus der Schule aus, um sich an dem väterlichen Gewerbe zu betheiligen. Die Arbeit blos am Webstuhle konnte ihn aber bei seinem überaus regen und auf höhere Ziele gerichteten Geiste auf die Dauer nicht befriedigen. Er beschäftigte sich daher in freien Stunden mit alten Sprachen (Griechisch und Hebräisch), studirte vielfach Nachts bei Mondschein und später während seiner mechanischen Arbeit mathematische Werke und trieb außerdem, angeregt durch einige gleichgesinnte Genossen, mit Eifer Zeichnen und Malerei. Nach Zurücklegung seines 17. Lebensjahres wurde er nach dem Schwarzwalde und Rhein auf den Seidenhandel geschickt. Während seiner Wanderung brach (1789) die französische Revolution aus. Die neuen Freiheitsideen ergriffen auch ihn eine zeitlang so mächtig, daß er sich als eifriger Republikaner in Straßburg sogar an den Versammlungen der Jakobiner betheiligte, allein deren Ausschreitungen, zumal das traurige Ende des Königs Ludwig XVI. auf dem Schaffotte, ernüchterten ihn bald. Eine unvorsichtige Aeußerung über das neue Regime, speciell den neuernannten Maire in Straßburg, zwang ihn sogar zur sofortigen Flucht. Nachdem er unter Ueberwindung von mancherlei Gefahren die Heimath auf Umwegen (durch die Schweiz) glücklich erreicht und die Bortenmacherei wieder aufgenommen hatte, reifte bei ihm der Entschluß zur That, sich einer Prüfung in Mathematik und Zeichnen zu unterziehen, um als Gehülfe bei dem für den Kirchenrath beschäftigten Forstgeometer Zais einzutreten. Eine neue Rekrutirung bestimmte ihn aber schnell aufzubrechen und in Ulm zu verweilen, bis ein Berufungsschreiben nach Bebenhausen in den kirchenräthlichen Dienst einlief. Anfangs blos Gehülfe, arbeitete er 1796 bereits ziemlich selbständig, als ihn doch noch eine Einberufung zur Garnison nach Stuttgart erreichte. Nach erlangtem Abschied, welchen er den wiederholten Verwendungen des Kirchenrathes bei dem Herzoge Ludwig zu verdanken hatte, nahmen ihn vom Mai 1799 ab umfangreiche Vermessungen und Kartirungen in den verschiedensten Theilen des Landes in Anspruch. Gleichzeitig begann er, durch längeren Aufenthalt auf Königsbronn veranlaßt, das schon in Stuttgart begonnene Studium der Chemie, Mineralogie, Hüttenkunde etc. mit dem ihm eigenen Eifer wieder aufzunehmen. Als glänzende Zeugnisse seiner diesfallsigen Studien und Beobachtungen mögen einige aus dieser Zeit stammende Arbeiten über den Ursprung der von dem kraterförmigen Sternenberge herrührenden Basaltfindlinge bei Offenhausen, ferner über die Markung und Gestütsweiden daselbst und über ein Cylindergebläse genannt werden. Diese Leistungen, in Verbindung [12] mit einer nach Lehmann’scher Manier musterhaft ausgeführten Terrainkarte von Heidenheim und einem grundlegenden Aufsatz über Waldwerthrechnung (s. später) gaben dem herzoglichen Kirchenrathe die Veranlassung, den Verfasser zu einer Auszeichnung zu empfehlen. Als solche wurde ihm ein sehr ansehnliches Reisestipendium und ein zweijähriger Urlaub zutheil. Am 22. August 1804 trat er seine ausgedehnte Studienreise an. Sein nächstes Ziel war Wien; von da begab er sich, einer ihm durch Vermittlung seines Freundes Langreuter zu Eisenstadt zutheil gewordenen Einladung des Fürsten Esterházy folgend, nach Ungarn, um dessen ausgedehnte Waldungen und Eisenwerke in Augenschein zu nehmen. Hierauf wendete er sich - wieder über Wien – nach Mähren, Böhmen, Sachsen, Anhalt und Thüringen, wobei er überall wissenschaftlichen Verkehr mit hervorragenden Bergmännern und Forstwirthen (z. B. mit Bechstein in Dreißigacker) anknüpfte. In Gotha überraschte ihn die Ernennung zum Professor für Forst- und Cameralwesen an der Universität Tübingen, gegen welche Auszeichnung er aber aus übergroßer Bescheidenheit Einsprache erheben zu müssen glaubte. Alsdann besuchte er noch Heinrich Cotta in Zillbach und durchwanderte das sowol forstlich als geologisch so interessante Harzgebirge. Nach einem zweimonatlichen Aufenthalte an der Universität Göttingen, welcher ihn in nahe Beziehungen zu Plank, Blumenbach und anderen bedeutenden Männern brachte, reiste er über Münden, Kassel, Marburg und Gießen nach Siegen, um den dorigen Grubenbetrieb zu studiren, und nach Dillenburg, wo er die Bekanntschaft von Georg Ludwig Hartig machte. Vom März 1806 ab wendete er sich nach dem nördlichen und östlichen Deutschland (Magdeburg, Berlin, Frankfurt a. O. und Schlesien), besuchte Krakau und die berühmten Salzbergwerke bei Wieliczka, erstieg dann die Karpathen, wanderte nach Schemnitz und Preßburg und hierauf wieder nach Wien und Eisenstadt, wo er sich wie zu Hause fühlte. Die Rückkehr in seine Heimath erfolgte über den Sömmering, das Salzkammergut, München und Augsburg im October 1806. Schon in Berlin war ihm die Nachricht zugekommen, daß er seinem Wunsche gemäß von der ihm zugedachten Professur enthoben, dafür aber zum Berg- und Forstrath in Stuttgart ernannt worden sei. In dieser Stellung entfaltete er nunmehr – von 1807 ab – eine eminente Thätigkeit. 1808 und 1809 richtete er die von Oesterreich an Würtemberg abgetretenen Eisenwerke Zitzenhausen, Bärenthal und Harras unter sehr schwierigen Verhältnissen ein und nahm Waldschätzungen im Nellenburgischen vor. Im August 1809 rückte er, nachdem er einem ehrenvollen Rufe in fürstlich Esterházy’sche Dienste aus Liebe zu seinem Heimathlande und Königshause entsagt hatte, mit erhöhtem Gehalte zum Oberökonomierath im Landwirthschaftsdepartement auf. Da ihn aber die Besorgniß, daß seine landwirthschaftlichen Kenntnisse für diese Stellung nicht ausreichen möchten, quälte, behielt er sich den Rücktritt in seine frühere Stellung vor und wurde derselben 1812 auch wieder zurückgegeben. 1818 trat er als „Oberfinanzrath“ in das Oberfinanzcollegium ein, woselbst er bis 1840 alleiniger Referent für das würtembergische Forst- und Bergwesen blieb. Im J. 1847 wurde er zum Mitgliede der Centralstelle für Landwirthschaft ernannt. Als Ende 1849 die Auflösung des Oberfinanzcollegiums erfolgte, wurde er zwar formell in den wohlverdienten Ruhestand versetzt; seine Ernennung zum vorsitzenden Ehrenmitglied in der Forstabtheilung, späteren Forstdirection, veranlaßte ihn aber, sich an den Berathungen dieses Collegiums eifrig zu betheiligen. Er behielt auch viele sonstige früher übernommene Functionen bei, bis ihn im Mai 1857 – im 86. Lebensjahre – ein starker Schlaganfall in seinen Körperkräften so reducirte, daß er sich von allen Geschäften zurückziehen mußte. - N. war etwa ein halbes Jahrhundert lang die Seele der würtembergischen Forstverwaltung. Da er nebenbei auch das Hüttenwesen im [13] Referate hatte, war das Feld seiner amtlichen Thätigkeit ein überaus umfassendes. Ausführung von Waldtheilungen und Waldertragsregelungen, Einleitung und Fortführung von Servitutenablösungen, forstorganisatorische Arbeiten, Forstvisitationen, Einrichtung von Köhlereien, Anlage von Torfstichen, Hüttenuntersuchungen, Flößereibetrieb etc. wechselten im bunten Gemische mit einander ab. Dabei galt es, fast auf allen diesen Gebieten neue Einrichtungen zu schaffen. Daneben hatte er noch zahlreiche commissarische Geschäfte zu erledigen, zumal Ankäufe von Waldungen und Eisenwerken; rühmende Erwähnung bedarf an dieser Stelle auch seine thätige Mitwirkung bei der 1824 in das Leben getretenen Dampfschifffahrt auf dem Bodensee, der ersten in Deutschland. Endlich wußte er auch sonstige gemeinnützige Zwecke und Kunstbestrebungen als thätiges Mitglied zahlreicher Vereine zu fördern. Diese vielseitige und staunenswerthe Thätigkeit erklärt sich aus der bei N. so glücklichen Verbindung glänzender Eigenschaften des Geistes mit einer seltenen Betriebsamkeit und eisernen Gesundheit. Sein schriftlicher und mündlicher Vortrag zeichnete sich durch scharfe Logik und große Klarheit aus. Viele seiner Referate waren geradezu wissenschaftliche Abhandlungen. Seine Bestrebungen im Forstfache waren darauf gerichtet, die Holzvorräthe möglichst zu vermehren, deshalb führte er zahlreiche Mittel- in Hochwaldungen über. Daß er bei seinen forstorganisatorischen Neuerungen und Waldertragsregelungsvorschriften nicht immer das richtige traf, erklärt sich einfach daraus, daß er selbst niemals im Walde praktisch gewirthschaftet hatte, allein sein weiter Blick half ihm doch meistens über diesen Mangel hinweg. Für seine andauernde Leistungsfähigkeit spricht, daß er noch über das 70. Lebensjahr hinaus Tage lang am Schreibtische verbringen und dann wieder Tage lang die anstrengendsten Waldbegänge bei Wind und Wetter ohne Ermüdung aushalten konnte. Im Uebrigen besaß er noch alle Eigenschaften eines musterhaften Beamten: strenge Redlichkeit, Uneigennützigkeit, unbeugsame Energie in der Ausführung des von ihm als dem Staate nützlich Erkannten und schonungslose Offenheit. Wenn ihm auch sein Grundsatz, in amtlichen Dingen stets nur die Sache und nicht die Person in Erwägung zu ziehen, momentan manche Verdrießlichkeiten und Feindschaften bereitete, so wurde doch die Redlichkeit seiner Absichten von Niemand bezweifelt. Zu größeren wissenschaftlichen Arbeiten fehlte ihm leider die Zeit; er hatte jedoch ein größeres forstbotanisches Kupferwerk in Angriff genommen und die schwierigen Familien der Weiden und Birken bereits durchgearbeitet. Außerdem besitzen wir eine Reihe kleinerer (in Zeitschriften veröffentlichter) Aufsätze aus seiner Feder, welche sachlich und stilistisch gleich vorzüglich sind. Einige wurden bereits früher erwähnt. Forstlich bemerkenswerth erscheint zumal der in der Zeitschrift Diana (3. Band, Jahrgang 1805) veröffentlichte Aufsatz über Waldwerthrechnung, weil in demselben bereits die Methode der Berechnung des Erwartungswerthes gelehrt und die Nothwendigkeit der Anwendung von Zinseszinsen bei Waldwerthrechnungen zuerst betont wird. Auch über die Höhe des forstlichen Zinsfußes werden hier sehr verständige Ansichten geäußert. An Anerkennung fehlte es ihm schon bei Lebzeiten nicht, und zwar fielen ihm alle Aemter und Würden sozusagen von selbst zu. Er diente zwei Königen, welche ihn gleich hoch schätzten und mit ihrer Huld beglückten; König Wilhelm zeichnete ihn sogar durch die Verleihung des Comthurkreuzes des Kronenordens aus, mit welcher der Personaladel verbunden ist. Die Stadt Tübingen verlieh ihm das Ehrenbürgerrecht; zahlreiche wissenschaftliche Vereine ernannten ihn zum Ehren- oder wenigstens correspondirenden Mitgliede. Er war zweimal verheirathet. Seiner ersten Ehe entstammt u. a. auch Hermann N., zur Zeit o. ö. Professor an der Universität zu Tübingen, welcher sich durch einige entomologische Arbeiten und namentlich durch gediegene Forschungen auf dem schwierigen Gebiete [14] der technischen Eigenschaften der Hölzer einen geachteten Namen in der forstlichen Gelehrtenwelt erworben hat.

Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen, 1861, S. 2. – Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, 1861, S. 198. – G. v. Schwarzer, Biographien, S. 19. – Fr. v. Löffelholz-Colberg, Forstl. Chrestomathie, II. S. 403, Nr. 721b, Bemerkung 328a. – Bernhardt, Geschichte des Waldeigenthums etc., II. S. 267, Bemerkung 52, S. 359; III. S. 80, 81 und 297.