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ADB:Planck, Gottlieb Jakob

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Artikel „Planck, Gottlieb Jakob“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 224–227, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Planck,_Gottlieb_Jakob&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 02:11 Uhr UTC)
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Planck: Gottlieb Jakob P., protestantischer Theolog und Kirchenhistoriker, geboren am 15. November 1751 zu Nürtingen im Herzogthum Württemberg, † am 31. August 1833 in Göttingen. – Als ältestes von 16 Geschwistern frühe zum Studium der Theologie bestimmt, durchlief er den gewöhnlichen Bildungsgang eines württembergischen Theologen als Lateinschüler in Nürtingen, als Klosterschüler zu Blaubeuren und Bebenhausen 1763–65, als Student der Theologie und herzoglicher Stipendiat in Tübingen 1765–74, wo die Philosophen Ploucquet und Bök, die Theologen J. Fr. Reuß, J. Fr. Cotta, Chr. Fr. Sartorius etc. seine Lehrer waren und wo innige Freundschaft den gemüthlichen und strebsamen, wissenschaftlich wie poetisch reichbegabten Jüngling mit gleichaltrigen Studiengenossen, wie Spittler, Georgii, Geß, Abel etc. verband. Er wurde 1771 Magister, bestand 1774 sein theologisches Examen, wurde Vicar und 1775–80 Repetent in Tübingen, wo er sich mit allerlei litterarischen Arbeiten (z. B. einem 1779 erschienenen Roman: „Tagebuch eines neuen Ehemannes“ etc.), insbesondere aber mit geschichtlichen und kirchengeschichtlichen Studien beschäftigte. 1780 ging er als Stadtvicar nach Stuttgart, wurde aber schon 1781 an der dortigen hohen Karlsschule als Prediger und Professor angestellt [225] und gründete hier seinen Hausstand durch seine Verheirathung mit Johanna Luise geb. Schickhard. In dieser Zeit vollendete er seine schon zu Tübingen begonnenen Vorarbeiten zu den zwei ersten Bänden seiner „Geschichte des protestantischen Lehrbegriffes“, die 1781–83 in erster Auflage zu Stuttgart erschienen. Das Werk fand so günstige Aufnahme, daß P. besonders auf seines Freundes Spittler Veranlassung 1784 nach dem Tode von W. Fr. Walch als ordentlicher Professor der Kirchengeschichte nach Göttingen berufen wurde. Im Herbst 1784 trat er sein neues Amt an der damals noch in ihrer ersten Blüthe stehenden Georgia Augusta an, zu deren hervorragendsten Zierden er nun fast ein halbes Jahrhundert lang gehörte. Seine Vorlesungen umfaßten Kirchen- und Dogmengeschichte, Dogmatik und Symbolik, theologische Encyklopädie und Methodologie, einigemal auch Geschichte der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts. Obgleich sein äußerer Vortrag nicht glänzend, sein stark ausgeprägter schwäbischer Dialekt für norddeutsche Ohren störend war: so sammelte er doch durch die Gründlichkeit seiner Forschung, durch die Klarheit seiner Darstellung, durch den Ernst und die Milde seines Urtheils ein zahlreiches und treuergebenes Auditorium um sich (vgl. die Schilderungen seiner Schüler E. Henke, Fr. Lücke, Schläger, Mohnike, Oehme etc. aus verschiedenen Zeiten seiner Wirksamkeit). In Planck’s äußerer Stellung änderte sich seit seiner Uebersiedelung nach Göttingen wenig mehr; er war als dritter Ordinarius neben Leß und Miller in die Facultät eingetreten, rückte aber schon 1792 nach Miller’s Tod und Leß’ Abgang nach Hannover zum Primarius auf, während Schleusner und Ammon, Stäudlin und Pott, zuletzt auch noch sein Sohn Heinrich P., Gieseler und Lücke ihm als Collegen zur Seite standen. Am Jubiläum der Universität (17. September 1787) erhielt er von Tübingen aus die theologische Doctorwürde, 1791 wurde er zum Consistorialrath, seit 1795 mit Sitz und Stimme im hannoverschen Consistorium, 1800 zum Ephorus der hannoverschen Theologen, 1805 zum Generalsuperintendenten des Fürstenthums Göttingen, 1811 unter der westfälischen Regierung zum Präsidenten eines neu errichteten Consistoriums für das Leinedepartement, 1817 von der wiederhergestellten hannoverschen Regierung zum Ritter des Guelphenordens, 1828 zum Abt des Klosters Bursfelde, 1830 zum Ober-Consistorialrath, 1831 zum Commandeur des Guelphenordens und Ritter des württembergischen Kronenordens ernannt. Auch in akademischen Verwaltungsgeschäften (als Senatsmitglied, als Decan und Prorector, als Curator des Waisenhauses, der Professoren-Wittwenkasse etc.) war er vielfach thätig und zeigte in praktischen Dingen wie in seinem eigenen Haushalt viel Umsicht und Takt, eine musterhafte Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit. Am 15. Mai 1831 feierte er sein Professorenjubiläum, zwar nach seinem ausdrücklichen Wuusche in aller Stille, aber doch unter der herzlichen und ehrenden Theilnahme seiner Collegen und Freunde, sowie von 14 auswärtigen theologischen Facultäten, die ihn durch Adressen oder Festschriften begrüßten (Verzeichniß derselben in den Gött. Gel. Anz. 1831, Stück 82). Nur noch kurze Zeit überlebte der allverehrte Greis diesen Glanzpunkt seines Lebens: nachdem er im September 1831 seinen hoffnungsvollen, aber an unheilbarer Krankheit früh dahinsiechenden Sohn, Heinrich Ludwig (s. d.), dann seine in 52jähriger Ehe mit ihm innig verbundene Frau vor sich hatte hinsterben sehen, folgte er dieser nach wenigen Monaten und nach kurzem Unwohlsein am 31. August 1833 im 82. Lebensjahre.

Seinen theologischen Standpunkt bezeichnet P. selbst als den eines „rationellen Supranaturalismus“; denn beides steht ihm gleich fest: die Vernünftigkeit wie die Göttlichkeit des Christenthums. Auch der fortschreitenden Aufklärung [226] gegenüber kann er sich nicht davon überzeugen, daß er den Begriff einer unmittelbaren Gottesoffenbarung aufgeben müßte; aber er ist sich auch deutlich der Kluft bewußt, die ihn und die ganze moderne Theologie von der alten Orthodoxie scheidet. Und zwar erkennt er den wesentlichen Fortschritt, den die theologische Wissenschaft seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts gemacht, vorzugsweise in einem Dreifachen: in der Forderung einer strengeren kritischen und exegetischen Begründung der christlichen Glaubenswahrheiten, in der Anerkennung des Rechtes der freien Forschung, in der Toleranz und Gerechtigkeit gegen Andersdenkende. Eben damit bezeichnet P. auch die Punkte, in denen er selbst in die theologische Entwickelung einzugreifen sich berufen glaubt. Mit der exegetischen Begründung des dogmatischen Systems hat er allerdings nur vorübergehend sich befaßt in einer Tübinger Dissertation über den obersten Grundsatz protestantischer Schriftauslegung (Diss. theol. de canone hermeneutico etc. 1774). Dasjenige Gebiet aber, zu welchem er frühe schon durch eigene Neigung und Begabung, wie durch äußere Anregungen (durch Cotta, Lebret, Spittler u. a.) sich hingezogen fühlte und worin er mit richtiger Selbstbeurtheilung seine eigentliche Lebensaufgabe erkannte, ist das der historischen Theologie, der kritischen Geschichtsforschung und der pragmatischen Geschichtsdarstellung.

Die beiden kirchenhistorischen Hauptwerke Plancks sind seine „Geschichte des protestantischen Lehrbegriffs“ und seine „Geschichte der Kirchenverfassung“. Das erstere (u. d. T. „Geschichte der Entstehung, der Veränderungen und der Bildung unseres protestantischen Lehrbegriffs von Anfang der Reformation bis zur Einführung der Konkordienformel“, Leipzig 1781–1800 in 6 Bänden; Bd. I und II in zweiter Auflage 1791–92, nebst einer kurzen Fortsetzung u. d. T. „Geschichte der prot. Theologie von der Konkordienformel bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts“, Göttingen 1831) ist von epochemachender Bedeutung in der protestantischen Kirchengeschichtsschreibung als der mit vollendeter Virtuosität, aber auch unverkennbarer Einseitigkeit durchgeführte Versuch, die Methode des subjectiven Pragmatismus auf die christliche Kirchengeschichte, und speciell auf die Geschichte der Reformation und der nachreformatorischen Lehrbildung anzuwenden. Die später entstandene „Geschichte der christlich-kirchlichen Gesellschaftsverfassung“ in 3 Bänden, Hannover 1803–1809, und insbesondere die den III. bis V. Band derselben bildende „Geschichte des Papstthums bis zur Reformation“ steht zwar durch Gründlichkeit des Quellenstudiums, durch Feinheit der pragmatischen Verknüpfung, durch Klarheit der Darstellung dem ersten Werke gleich, trägt aber noch mehr als jenes die Schwächen jenes „virtuosen, aber einseitigen Geschichtspragmatismus“ an sich, der die Ereignisse in erster Linie auf die handelnden Persönlichkeiten, ihre besonderen Eigenschaften, Motive und Leidenschaften zurückführt und darüber die in der Geschichte waltenden objectiven Mächte verkennt. (Vgl. die genauere Charakteristik dieser Methode bei Lücke S. 25 ff.; Baur, Epochen der kirchlichen Geschichtschreibung S. 174; Henke S. 64; Wegele, Geschichte der d. Historiographie S. 878 f.). Außer diesen seinen beiden Hauptwerken hat P. noch eine große Zahl von kleineren kirchenhistorischen Schriften und Abhandlungen geliefert, z. B. eine Fortsetzung von Walch’s Neuester Religionsgeschichte, Lemgo 1787–1793, in 3 Bänden; eine Fortsetzung von Fuchs’ Bibl. der Kirchenversammlungen, Beiträge zur Geschichte des Tridentiner Concils in 25 akademischen Programmen, Beiträge zu einer patristischen Anthologie, eine neue Ausgabe der Spittler’schen Kirchengeschichte, zahlreiche kleinere Aufsätze und Recensionen in den Gött. Gel. Anzeigen etc.; auch eine „in großen Umrissen gezeichnete Gesammtgeschichte des Christenthums von seinen ersten Anfängen an bis zur Gegenwart“ hat er lange geplant, zur Ausführung dieses Plans aber nur einen schwachen und mißlungenen [227] Anfang gemacht in seiner 1818 erschienenen „Geschichte des Christenthums in der Periode seiner ersten Einführung in die Welt“. – Neben der historischen Theologie aber sind es noch zwei andere theologische Disciplinen, um welche sich P. bleibende Verdienste erworben hat: nämlich erstens die theologische Encyklopädie und Methodologie, die er in wiederholten Vorlesungen und zweimal litterarisch bearbeitet hat („Einleitung in die theol. Wissenschaften“, 2 Bde., 1793–1795 und „Grundriß der theol. Encyklopädie“, 1813) und wo er der Urheber des noch jetzt vorherrschenden Schemas der exegetischen, historischen, systematischen, praktischen Theologie geworden ist; und zweitens die Disciplin der sog. comparativen Symbolik, deren eigentlicher Begründer er geworden ist durch seine darüber gehaltenen Vorlesungen, durch einige kleine Schriften über die katholische Kirche und ihr Verhältniß zur protestantischen vom J. 1808 und 1809, und besonders durch seine in 3 Auflagen 1796, 1804, 1822 erschienene Schrift: „Historische und vergleichende Darstellung der dogmatischen Systeme unserer verschiedenen christlichen Hauptparteien“. Und auch auf das Gebiet der praktischen Theologie und Pastoraltheologie hat sich seine litterarische Wirksamkeit erstreckt durch einige auf die Unionsfrage bezügliche Abhandlungen („Ueber Trennung und Wiedervereinigung etc.“, 1803, besonders aber durch seine „Pastoraltheologie in Form einer Geschichte“, deren ersten Theil er 1823 herausgab u. d. T.: „Das erste Amtsjahr des Pfarrers von S. in Auszügen aus seinem Tagebuch“, und deren Fortsetzung er handschriftlich hinterlassen hat, Mscr. der Göttinger Bibliothek, vgl. Lücke S. 82 ff.).

Nachrichten über sein Leben und eine Schilderung seines persönlichen und wissenschaftlichen Wesens und Wirkens hat für Schüler und Collegen Fr. Lücke gegeben u. d. T.: G. J. Planck. Ein biogr. Versuch. Göttingen, 1835. – Weitere Beiträge Schläger, Zur Erinnerung an Planck. Hameln 1833. – Schmidt, N. Nekrolog, 1833, II, 581 ff. – Mohnike in Zeitschr. f. hist. Theol., 1836, I, 313. – E. Henke, ebend. 1843, IV, 75 ff.; ders. in der protest. Real-Encykl. 1. Aufl. Bd. XI; 2. Aufl. Bd. XII. – Göttinger Gelehrten-Geschichte von Pütter, Saalfeld, Oesterley II, 121; III, 283; IV, 270, wo auch ein vollständiges Verzeichniß seiner Schriften.