ADB:Odontius, Johann
Praetorius, damals Professor der Mathematik, weckte auch in O. den Sinn für diese Wissenschaft und veranlaßte ihn, nachdem er sich 1600 das Baccalariat, 1603 die Magisterwürde der Theologie erworben hatte, im J. 1605 nach Prag zu Kepler zu gehen, und in der That scheint er sich einige Zeit bei diesem trefflichsten aller damaligen Lehrer aufgehalten zu haben. Lange kann der Aufenthalt freilich nicht gewährt haben, denn schon 1612 begegnen wir dem O. wieder in der nämlichen Stellung eines Präceptors am Gymnasium, welche vorher sein Vater bekleidet hatte, und hierin verblieb er zwölf Jahre. Seine schwache Gesundheit nöthigte ihn, den Schuldienst zu verlassen, doch bewogen seine Verdienste die Väter der Republik, die bisher von Praetorius verwaltete Lehrstelle zu zerlegen und unseren O. nach Wittenberger Vorbild zum Professor der niederen, den Saxonius dagegen zum Professor der höheren Mathematik zu ernennen. Ein rascher Tod setzte jedoch der Wirksamkeit des Erstgenannten frühe Grenzen; ob dafür, wie ein weit verbreitetes Gerücht wollte, Odontius’ Hinneigung zu dem alten Nationallaster der Deutschen[WS 1] verantwortlich zu machen war, bleibe dahingestellt. – O. setzte den von Praetorius begonnenen Kalender der Reichsstadt Nürnberg fort und erhielt deswegen 1619 den Titel „Nürnbergischer Astronomus“. Im gleichen Jahr erschien von ihm „Eigentliche und gründtliche Beschreibung des im November und Dezember erschienenen Cometen im 1618. Jahr Christi“. Erhalten ist uns auch sein Briefwechsel mit Kepler, doch ist derselbe interessanter für die Lebensgeschichte des letzteren als für die des ersteren. So schreibt Kepler 1606, nachdem ihm O. einige Bedenken seines Meisters Praetorius über die epicyklische Bewegung vorgetragen hatte, man möge nur keine ausführlichen Gutachten von ihm erwarten, denn Prag sei keine stille hohe Schule, „sed perpetua anxietas et inquietudo“. Recht bemerkenswerth ist aber ein Schreiben des O. vom Jahre 1611, dessen Inhalt auch von dessen richtigem Verständniß für die wahren Bedürfnisse der Astronomie Zeugniß ablegt. Ein gewisser Kreslin, so theilt er darin mit, habe dem Nürnberger Rathe gegen hohes Honorar neue und angeblich vortreffliche astronomische Tafeln angeboten; darauf sei er nebst seinen Collegen Saxonius und Schwenter zur gutachtlichen Aeußerung über das Anerbieten aufgefordert worden, und ihr gemeinsamer Entscheid sei dahin ausgefallen, daß man dem Kreslin’schen Unternehmen nicht das nothwendige Vertrauen entgegenbringen könne, daß aber der Rath sich ein wirklich großes Verdienst um die Wissenschaft erwerben werde, wenn er durch eine Geldhilfe das Erscheinen von Keplers „Tabulae Rudolphinae“ beschleunigen wolle. Eine praktische Folge hat dieser vernünftige Rathschlag leider nicht gehabt.
Odontius: Johann O., Astronom, geb. am 9. December 1580 in Altdorf, † ebenda 7. Juli 1626. Als Sohn des Gymnasiallehrers Zahn vollendete O., wie er sich dem Zeitgeschmack entsprechend gewöhnlich nannte, seine Schulstudien unter väterlicher Leitung und studirte sodann an der in seiner Vaterstadt befindlichen nürnbergischen Akademie, welche die vollen Rechte einer Universität in jener Zeit allerdings noch nicht erlangt hatte. Der treffliche- Doppelmayr, Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern, Nürnberg 1730. S. 92 ff. – Epistolae ad Joannem Keplerum Math. Caes. scriptae, ed. Hantsch, 1729. S. 293. 296. 299. 303. 305.
[154] Ein Matthäus O. erscheint als Verfasser einer Liedersammlung „Musikalisches Rosengärtlein newer teutscher weltlicher Liedlein auf vier Stimmen“, Frankfurt am Main 1605 4°, ohne daß sich sonst etwas über ihn findet. (Gerber, N. Lex. 3, 604. Becker 242.)
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Es wurden verschiedene Eigenschaften so tituliert, gemeint ist hier aber wohl die Trunksucht.