Zum Inhalt springen

ADB:Oldekop, Justus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Oldekop, Justus“ von Ernst Landsberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 240–241, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oldekop,_Justus&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 01:53 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Oldekop, Johannes
Band 24 (1887), S. 240–241 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Justus Oldekop in der Wikipedia
Justus Oldekop in Wikidata
GND-Nummer 104318244
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|24|240|241|Oldekop, Justus|Ernst Landsberg|ADB:Oldekop, Justus}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=104318244}}    

Oldekop: Justus O., Criminalist, wurde 1597 zu Hildesheim geboren, nach Studien an verschiedenen Universitäten 1627 zu Marburg zum Doctor der Rechte promovirt und widmete sich hierauf der Advocatur, welche er sein ganzes Leben hindurch, hauptsächlich im Interesse bedrängter Angeklagter, häufig mit Erfolg, ausgeübt und deren Wichtigkeit für eine gesunde Rechtspflege er denn auch litterarisch gegenüber sowol dem im Volke herrschenden Vorurtheil wie den von den Strafrichtern ausgehenden Beschränkungen lebhaft vertheidigt hat. Er prakticirte zuerst in seiner Vaterstadt, übernahm später die Stelle eines Beisitzers am fürstlichen Consistorium zu Hannover, sodann diejenige des Syndicus der Landstände in Halberstadt, zog sich jedoch 1660 wieder nach Braunschweig zurück behufs ausschließlicher Beschäftigung mit seinem advocatorischen Beruf. In Ausübung desselben verwickelte ihn die nachdrückliche Vertheidigung eines des Kindesmordes angeklagten 14jährigen Bauernmädchens in einen Conflict mit dem Rath, welcher ihn der Stadt verweisen und über ihn die Schandglocke läuten ließ. Von Wolfenbüttel aus verfolgte O. die Sache seiner Clientin im litterarischen Wege, seiner Flugschrift setzte man von Braunschweig aus eine Replik entgegen, einer Duplik seinerseits (Zeitz 1665) schloß sich wiederum eine Antwort der Stadt (1666) an, welche abermals zu bekämpfen ihn nur sein am 19. Februar 1667 eingetretener Tod verhindert hat. Wie hier, so finden wir überall den eifrigen und gewissenhaften Mann, ohne Scheu Anstoß zu erregen oder sich selbst zu schädigen, bereit, für die Sache der Gerechtigkeit gegen die zahllosen Mißbräuche und Greuel damaliger Strafrechtsübung aufzutreten; dieses lebhafte menschliche Gefühl ist es denn auch mehr, als juristischer Scharfsinn oder außerordentliche Gelehrsamkeit, welches den Werth seiner beiden umfangreicheren Werke, „Observationes practicae“, Bremen 1654, und „Contra Dn. Bened. Carpzovium tractatus duo“, Bremen 1659, ausmacht. Speciell die Polemik gegen Carpzov setzt überall da ein, wo dieser die Sache des Angeklagten durch seine neuen Theorien und Unterscheidungen schädigt und erscheint wenigstens insofern, wennschon Uebertreibungen mit unterlaufen mögen, wohl begründet. Ohne über die Vorurtheile seiner Zeitgenossen ganz erhaben zu sein, hegt O. wenigstens schwere Zweifel an der Existenz der Hexerei und der Zuverlässigkeit der Folter; fortwährend vermahnt [241] er unter Zuständen, in welchen „luditur capitibus tanquam pilis“ zu Vorsicht und Menschlichkeit; die in seine Schriften zahlreich eingearbeiteten Erzählungen praktischer Fälle mit ihrer lebhaften Schilderung der damaligen Praxis und der stets vernünftigen Beurtheilung der Thatumstände bieten noch heute eine anziehende Lectüre; und wenn seine Klagen und Vorwürfe auch bei Zeitgenossen und unmittelbarer Nachwelt ungehört verhallt sind, ja ihm selbst der Vorwurf der Zanksucht und „Unklugheit“ nicht erspart geblieben ist: so sollte man ihm doch heute volle Anerkennung nicht versagen als einem Vorläufer der Aufklärung im Strafrecht, welcher für seine gute Sache nicht nur mit Zunge und Feder gekämpft, sondern auch gelebt und gelitten hat.

Jugler, Beiträge zur juristischen Biographie, 4, 117. – v. Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, II, 1, 220. – J. S. F. Böhmer, Observationes ad Carpzovii Practicam, Praefatio V.