ADB:Pander, Heinrich Christian von
K. E. v. Baer, die sich von ihrer Studentenzeit in Dorpat her noch kannten und hier wurde P. durch die Mittheilungen Baers über Würzburg und über Döllingers anregende und erfolgreiche Unterrichtsmethode veranlaßt, nach Würzburg zu gehen. Im Spätfrühling 1816 kam P. nach Würzburg und begann hier auf Döllingers Anregung die denkwürdigen Untersuchungen über die Entwickelung des Hühnchens im Ei, welche die Bahn für eine lange Reihe späterer Forschungen bildeten. Döllinger hatte das Verdienst der Anregung und Leitung des ganzen Unternehmens, P. das der gründlichen, unermüdlichen Durchführung und d’Alton lieferte auf Pander’s Kosten die künstlerisch ausgeführten Kupfertafeln. Die in großartigem Maßstabe angestellten Untersuchungen wurden zuerst in der Doctordissertation Panders „Historia metamorphoseos quam ovum incubatum prioribus quinque diebus subit“ (Wircezburgi 1819) und dann in einer besondern Arbeit „Beiträge zur Entwickelung des Hühnchens im Ei“ Würzburg 1817 veröffentlicht. Diese beiden Abhandlungen Panders gaben nicht nur eine genauere Geschichte der ersten Entwickelung des Hühnchens, als man sie bisher besaß, sie sind auch dadurch vor Allem von großer Tragweite, weil hier die ursprünglichen von Wolff geahnten Primitivorgane, welche der Bildung der Organsysteme zu Grunde liegen, durch Beobachtung nachgewiesen werden. Nach der Ansicht Kölliker’s hat die Entwickelungsgeschichte durch P. einen solchen Fortschritt gemacht, daß man unbedingt die ganze neuere Entwickelungsgeschichte von ihm an datiren würde, wenn nicht aus Pander’s eignen Worten hinreichend klar wäre, daß er von Wolff ausging. P. ist berühmt geworden durch seine Theorie der Zusammensetzung des Wirbelthierkeimes aus blattförmigen Schichten und diese Theorie ist bereits bei Wolff bestimmt angedeutet. P. war der erste, der die großen Ideen Wolff’s an der Hand der Beobachtung als wahr erwies. Später trat dann K. E. Baer in der glänzendsten Weise in die Fußtapfen Wolff’s und Pander’s. Nach Abschluß der Würzburger [118] Untersuchungen machte P. in Begleitung d’Alton’s eine Reise durch Holland, England, Frankreich und Spanien, vorzüglich um die größten anatomischen Museen Europa’s zu studiren und um Seethiere an der Meeresküste zu untersuchen. Als Frucht dieser Reise erschien: „das Riesenfaulthier Bradypus giganteus abgebildet, beschrieben und mit verwandten Geschlechtern verglichen von P. und d’Alton“, Bonn 1821. Diesem Werke folgte in ähnlicher Form eine Beschreibung der Skelette der Pachydermen, der Raubthiere, Wiederkäuer, Nagethiere und Edendaten in 12 Lieferungen, Bonn 1821–25. – Nach Rußland zurückgekehrt, betheiligte sich P. 1820 an der Expedition nach Buchara, welche unter dem W. Staatsrath v. Negri und Georg Baron Meyendorff stand. Zu der Beschreibung, welche Meyendorff später herausgab (Voyage à Boukhara, Paris 1826, deutsch von Scheidler 1826) lieferte P. einen Beitrag: „die Naturgeschichte der Bucharei“. Nach der Rückkehr wurde P. am 20. October 1821 Adjunct der k. Akademie d. Wissensch. zu St. Petersburg, 1823 außerordentliches, am 15. Februar 1826 ordentliches Mitglied für Zoologie. Hier begann er das zoologische Cabinet zu ordnen, die einzelnen Gegenstände systematisch zu bestimmen; dabei untersuchte er mit der größten Ausdauer die geologischen Formationen der Umgegend von St. Petersburg und die fossilen Thierreste in denselben. So wurde er durch seine „Beiträge zur Geognosie des russischen Reichs“ (St. Petersburg 1880) der Begründer der Kenntniß der Formation, welche man jetzt die silurische nennt; Strangways und Eichwald hatten bereits einige Vorarbeiten dazu geliefert. Im J. 1827 gab P. aus unbekannten Gründen seine Stellung bei der Akademie auf und zog auf sein väterliches Landgut Zarnikau bei Riga, um hier als Landwirth zu leben. Allein das naturhistorische Interesse zog ihn von der Landwirthschaft ab: der Sandboden Livlands enthält sehr mannigfache Bruchstücke von Schilden und Zähnen vorweltlicher Thiere, deren Bestimmung sehr schwierig war, da sich gar keine Skeletttheile auffinden ließen. P. erkannte zuerst, daß jene Reste untergegangenen Arten von Knorpelfischen angehört haben müßten; konnte sich aber zu einer Publication nicht entschließen, so daß Murchison ihm zuvorkam in der Charakteristik dieser jetzt sogenannten Devonischen Formation mit ihren gepanzerten Knorpelfischen. Im J. 1842 zog P. wieder nach St. Petersburg, um eine amtliche Stellung beim Bergwesen einzunehmen. Er führte in der Folge in Livland, Estland, in Mittelrußland und am Ural mehrere geologische Untersuchungsreisen aus, deren Hauptzweck es war, den Paläontologischen Charakter der alten Formationen genau kennen zu lernen und nach sicherster Feststellung des geologischen Horizonts, den die Kohlenlager Rußlands einnehmen, diejenigen Punkte zu wählen, an denen Versuchsbaue auf Steinkohlen anzulegen wären. P. gab auch in praktischer Hinsicht erfolgreiche Aufklärungen über die Gliederung und den Bestand des uralischen Steinkohlengebiets. P. starb in St. Petersburg am 10/22. September 1865. An litterarischen Arbeiten sind noch zu erwähnen: „Geognostische Untersuchungen längs der Petersburg-Moskauer Eisenbahnlinie und in einigen Kreisen der Gouvernements Wladimir und Kaluga“ (aus dem Russischen übers. in Ermann’s Archiv für wissenschaftl. Kunde Rußlands. Bd. VI, 250–256) und „Ueber die Möglichkeit, die wirkliche Kohlenformation mit Steinkohle unter den Permischen Schichten, an dem Ostrande des Mittel-Russischen Bergkalkbeckens zu finden“ (Ermann’s Archiv. Bd. XIX, 241–260); „Monographie der fossilen Fische des Silurischen Systems der russischbaltischen Gouvernements, d. i. geognostische Beschreibung der russ.-balt. Gouvernements.“ St. Petersburg 1856. – Bei dem Tode Pander’s schrieb sein ehemaliger Studiengenosse und Jugendfreund K. E. v. Baer über ihn: die Wissenschaft verlor in ihm einen Mann, der ihr bis zu seinem letzten Athemzuge so treu und innig ergeben war, wie es nur sehr selten vorkommt. Sie war ihm [119] die Geliebte seines Herzens. Nie konnte er sich entschließen, die Wissenschaft zur Besserung der eignen Stellung zu benutzen – das würde ihm als Entheiligung geschienen haben. Vielmehr opferte er ihr mehr als er gesollt hätte. Leider hatte er nicht einmal den wenigstens verzeihlichen, vielleicht löblichen, jedenfalls wirksamen Ehrgeiz nach wissenschaftlichem Ruhm zu streben. Leider – muß man sagen, denn bei seinen vielfachen Kenntnissen und seinem lebhaften Interesse hat er manche Untersuchungen längere Zeit verfolgt, ohne die Resultate zu veröffentlichen. Ihm war es nur um die Erkenntniß selbst zu thun und ein Bedürfniß, die begonnene Untersuchung unermüdlich fortzusetzen. Nie aber kam er in Versuchung zu ergänzen und zu vervollständigen, wo andere schon den Grund gelegt hatten; nur was ganz neu und unverstanden oder sehr lange vernachlässigt war, zog ihn unwiderstehlich an. Ueberholte ihn dabei ein andrer und brachte die Sache zum Abschluß, so war er ebenso befriedigt, als ob er selbst zum Abschluß gekommen wäre. Ungeachtet dieser nicht nur materiellen, sondern auch moralischen Uneigennützigkzeit hat P. die Naturwissenschaften in zwei verschiedenen Gebieten, in der Entwickelungsgeschichte der Thiere und in der Geologie, sehr wesentlich gefördert.
Pander: Heinrich Christian v. P. wurde am 12/24. Juli 1794 in Riga geboren als der Sohn eines geachteten und wohlhabenden Banquiers. Nachdem er eine sehr sorgfältige Erziehung erhalten und das Gymnasium seiner Vaterstadt absolvirt hatte, bezog er im zweiten Halbjahr 1812 die Universität zu Dorpat um Medicin zu studiren; allein bereits 1814 verließ er Dorpat und setzte seine Studien in Berlin, dann in Göttingen fort. Obgleich sein Vater es wünschte, daß er praktischer Arzt werden sollte, so ergab er sich dennoch ganz dem Studium der Naturwissenschaften. Infolge eines ihm angebornen Bedürfnisses nach Gründlichkeit vertiefte er sich ganz in die Vorbereitungswissenschaften, sammelte sich mannigfache Kenntnisse in verschiedenen Zweigen der Naturwissenschaften, und ließ schließlich die Medicin bei Seite liegen. Im März 1816, traten einige, damals in Deutschland studirende Liv-, Est- und Kurländer zu einem Congreß in Jena zusammen; hier trafen sich P. und